Freiwillige „Mehrarbeit“ in der Justiz?

Die oft beschriebene Personalnot in der nordrhein-westfälischen Justiz hat jetzt für heftigen Zoff im Landgericht Köln gesorgt.

Dessen Präsident Helmut Zerbes hat aus „unterschiedlichsten Ursachen in den letzten Monaten“ starke Rückstände in den Kanzleien ausgemacht und deswegen per Rundschreiben an die „Solidarität der Mitarbeiter“ appelliert – die sollen freiwillig an zwei Wochenenden im Februar zusätzlich arbeiten.

Für diese 16 Stunden bietet der Präsident kein Geld, sondern 20 Stunden Freizeit irgendwann in der Zukunft an. Darauf reagiert der Richterrat in scharfer Form. Die „seit sehr langer Zeit unhaltbaren Zustände“, so steht es in der dreiseitigen Erwiderung, habe die verfehlte Personalpolitik der Landesregierung zu verantworten. Eine freiwillige Mehrarbeit wäre das völlig falsche Signal. Weil dann sowohl das Justiz- und wie auch das Finanzministerium künftig auf solche Selbsthilfe baute.

Der Richterrat wirft dem Präsidenten außerdem Ungleichbehandlung vor. Die Richter, so heißt es, arbeiten schon jetzt an den Sams- und Sonntagen – „wir schreiben Urteile am Wochenende und bereiten Sitzungen vor“. Wenn sie stattdessen am Wochenende Aktenwagen schieben, ob sie dann in Zukunft nachts arbeiten sollen? So fragt der Richterrat.

Er hält es auch für bedenklich, dass hierbei ausdrücklich oder unausgesprochen Druck auf bestimmte Personengruppen ausgeübt wird: Proberichter etwa würden sich nicht trauen, die Aufforderung abzulehnen. Mitarbeiter, die in regelmäßigen Abständen um die Verlängerung ihres Arbeitsvertrages zittern müssen, würden schon deshalb „freiwillig“ mitmachen, um ihre Chance nicht mutwillig kaputt zu machen.

„Wir haben große personelle Probleme“, räumt Gerichtssprecher Dirk Eßer auf Anfrage ein: „Uns fehlen 13 Richter.“ Zur Probe eingestellte Angestellte seien nicht weiterbeschäftigt worden. Demzufolge seien die Beschäftigten in den Kanzleien überlastet: „Verhandlungsprotokolle werden nicht mehr in 2 Tagen geschrieben, das dauert viele Wochen“. Entsprechend lange müssen Bürger auf Entscheide warten.

Das Justizministerium kennt das alles, schlägt aber auf das Landgericht Köln ein: „Die haben ihre Arbeit ein Jahrzehnt auflaufen lassen“, kommentiert Ministeriumssprecher Ralph Neubauer den Appell des Landgerichtspräsidenten. „Wenn die jetzt mal ranklotzen wollen, ist das richtig!“. Bei anderen Behörden habe das Aufräumen schließlich auch funktioniert. Sowas provoziert den Ortsverband des Deutschen Richterbundes. Der sieht die Probleme beim Landgericht Köln „nur durch die Kürzungspolitik der Landesregierung verschärft“. Sein aktuelles Fazit: „Die Justiz steht vor dem Kollaps“. (pbd)