Der Staatsanwalt und die Presse

Ein Oberstaatsanwalt steckt der BILD-Zeitung, dass er gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss Anklage erheben wird. Die Empörung hierüber ist groß, denn dem Beschuldigten, der Kinderpornos besessen haben soll, ist noch keine abschließende Stellungnahme im Ermittlungsverfahren ermöglicht worden. Sein Anwalt spricht von „sozialer Exekution“, berichtet Spiegel online.

Die Zusammenarbeit des Staatsanwalts mit Presse und Rundfunk ist kein rechtsfreier Raum. Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren regeln sie in Ziffer 23 detailliert. Die Unterrichtung der Presse setzt stets eine Einzelfallprüfung voraus, ob Persönlichkeitsrechte des Betroffenen das Interesse der Öffentlichkeit überwiegen:

„Eine unnötige Bloßstellung der Person ist zu vermeiden. … Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren darf nicht beeinträchtigt werden.“

Schon hier hätte der Herr Staatsanwalt wohl eine andere Entscheidung treffen müssen. Es hätte ihm nämlich klar sein können, welchen Wirbel seine Ankündigung verursachen wird, auch, mit welchem Zungenschlag. Dies gilt umso mehr, als ja schon die Durchsuchungen bei Tauss von zahlreichen PR-Stunts der Staatsanwaltschaft begleitet waren.

Aber mit der Einzelfallprüfung ist es nicht getan. Für die Sache mit der Anklage findet sich sogar eine explizite Vorschrift:

Über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage darf die Öffentlichkeit grundsätzlich erst unterrichtet werden, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zugestellt oder sonst bekanntgemacht worden ist.

Wegen voreiliger diffamierender Äußerungen der Staatsanwaltschaft hat übrigens schon mal ein Prominenter Schmerzensgeld erhalten. Das Land Nordrhein-Westfalen musste dem ehemaligen Mannesmann-Chef Klaus Esser 10.000 Euro zahlen, weil Staatsanwälte immer wieder während des Ermittlungsverfahrens Einzelheiten an die Presse gegeben hatten.

Nachtrag: Generalstaatsanwältin kritisiert Äußerung gegenüber BILD