Der unterlassene Blick in die Kartei

Meine Mandantin kriegt ihr Leben nicht in den Griff. Die Drogen. Früher ist sie viel schwarz gefahren. Seitdem ihre Betreuerin ihr bei der Düsseldorfer Rheinbahn ein personengebundenes Ticket 1000 im Abo besorgt hat, ist das deutlich besser geworden.

Jetzt allerdings flattern wieder Anklagen ins Haus. Die Mandantin soll gleich drei Mal im Stadtgebiet von Düsseldorf schwarz gefahren sein. Eigentlich unmöglich, denn für diesen Bereich gilt ihr Ticket.

Näherliegende Erklärung: Die Mandantin hatte ihr Ticket vergessen. Und es nicht, wie es in den Beförderungsbedingungen verlangt wird, später im Rheinbahn-Kundencenter vorgezeigt. Wenn man das vergessene Ticket vorzeigt, wird wohl nur eine Bearbeitungsgebühr fällig. Man kann also auch nachträglich aus der Sache rauskommen, anders als beim nichtpersonengebundenen Ticket 2000.

Wenn das schon fürs Vertragsverhältnis mit der Rheinbahn gilt, wird die Lage im Strafrecht kaum anders sein. Beförderungserschleichung liegt nur vor, wenn der Täter die Absicht hat, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Hier war der Fahrpreis bereits bezahlt. Das bloße Nichtdabeihaben eines Tickets ist vielleicht eine Vertragsverletzung, aber doch nicht strafbar.

Für mich ist nicht nachvollziehbar, wieso die Rheinbahn überhaupt Strafanzeige erstattet. Immerhin dürfte ja auch dort die Elektrifizierung schon so weit fortgeschritten sein, dass man die Personalien eines vermeintlichen Schwarzfahrers ohne großen Aufwand mit der Kundenkartei abgleichen kann. Bei einem Ticket 1000 müsste man dann halt wenigstens die Strafanzeige lassen.

Aber vielleicht ist es da auch manchem egal. Letztlich treffen die Anwalts- und die Verfahrenskosten ja doch nur den Steuerzahler, wenn das Hauptverfahren mangels Tatverdacht nicht eröffnet oder die Angeklagte gar freigesprochen wird.