Gespräche, die ich lieber nicht führe

Monatelang gingen mir Abmahnanwälte auf die Nerven, weil sie ihre stets gleich lautenden Stellungnahmen per Fax schickten. Diese Briefe kamen im Fünfer- oder Zehnerpack, waren jeweils immer ein Dutzend oder mehr Seiten lang und blockierten regelmäßig am späten Nachmittag den Faxanschluss.

Ich hatte überlegt, ob ich den faxfreudigen Abmahnern ein Clearing-Verfahren vorschlage, so wie es die Banken untereinander praktizieren. Da wird ja auch nicht jeder Überweisungsbetrag einzeln geschickt. Stattdessen wird zu bestimmten Stichzeiten geguckt, für wen sich aus den wechselseitigen Zahlvorgängen ein Überschuss ergibt; nur dieser Betrag wird transferiert.

Meine Idee für die Abmahnanwälte war: Wir tauschen nur noch aus, wen wir vertreten und beziehen uns ansonsten auf die ohnehin bekannten Textbausteine. Bevor ich das in die Tat umsetzen konnte, hat just die faxwütigste unter den Abmahnkanzleien den Wahnsinn zurückgefahren. Ich habe sogar wieder normale Briefe von denen erhalten. Falls das auf mutigen Kollegenprotest gegen den Faxterror zurückzuführen ist, bedanke ich mich auf diesem Weg.

So wie die Faxe abnahmen, so haben die Telefonate zugenommen. Nachdem ich bereits vorgestern mit einem Abmahnanwalt telefonieren musste, war heute schon wieder ein Gespräch erforderlich.

Gut, es war vielleicht auch ein bisschen meine Schuld. Hatte ich im betreffenden Fall doch nicht das übliche Antwortschreiben geschickt, sondern die Gegenseite erst mal darauf hingewiesen, dass ich die angebliche Verletzungshandlung nicht nachvollziehen kann. Es ging um angeblich illegales Filesharing. Die Abmahnanwälte nannten in ihrem Brief aber nur die festgestellte IP-Adresse, eine Uhrzeit und die angeblich getauschte Datei.

Das war mir dann doch etwas dünn, denn getreu dem Grundsatz „Wer, was, wann, wo“ könnte man ja zumindest sagen, in welchem Filesharing-Netzwerk sich das Ganze abgespielt haben soll. Der auf der Gegenseite zuständige Anwalt tat so, als könne er nicht nachvollziehen, warum mich das interessiert. Die Geschichte habe sich halt „im Internet“ abgespielt. Außerdem wisse mein Mandant doch sehr genau, was er Böses gemacht habe.

So simpel ist sie also, die Welt? Nach diesen Maßstäben könnte man es vielleicht sogar dabei belassen, nur noch IP-Adressen abzugreifen und zu behaupten, über diese Adresse sei irgendwann irgendwas aus dem Film- oder Musikkatalog der werten Mandatschaft getauscht worden.

Ich habe mich darum bemüht, nicht zu eskalieren. Deshalb war meine Ansage: Wenn mir die Tauschbörse genannt wird, in der sich alles abgespielt haben soll, bin ich ja zufrieden. Das kann ich dann meinem Mandanten sagen. Und der wird sich überlegen, ob und wie er reagiert. Zum Beispiel mit einer Unterlassungserklärung.

Bemerkenswerterweise war der gegnerische Kollege einfach nicht in der Lage, mir zu sagen, um welche Tauschbörse es geht. Er erzählte weiter vom großen, weiten Internet. Außerdem habe sich noch kein anderer Anwalt mit so einer Frage an ihn gewandt. Darauf konnte ich nur sagen, dass ich schon viele Filesharing-Abmahnungen gesehen habe. Aber noch keine, in der nicht wenigstens die verwendete Tauschbörse festgehalten war.

Die Frage, ob seine Mandantin vielleicht Tauschbörsenüberwachung light in Auftrag gegeben hat oder das Personal in Form unterbezahlter Studenten einfach nicht richtig eingewiesen wurde, wies der Kollege empört zurück. Die Überwachung sei technisch einwandfrei, da gebe es auch „wasserdichte Gutachten“ zu.

Wir kamen insgesamt auf keinen grünen Zweig. Jetzt muss mein Mandant überlegen, ob er die Unterlassungserklärung nicht vielleicht doch vorsorglich abgibt, natürlich ohne Anerkenntnis von Kosten. Es wäre ja sein Geld, das in einem möglichen Rechtsstreit auf dem Spiel steht. So interessant die Frage, was die Abmahner im Zweifel an Fakten präsentieren müssen, auch sein mag.

Ich persönlich grübele auch noch, wieso der gegnerische Anwalt nicht einfach eMule gesagt hat – auch wenn er es in Wirklichkeit gar nicht weiß. Immerhin hätte ich ja kaum erwidern können, (nachfolgender Satzteil ist fiktiv) das stimmt nicht, denn mein Mandant ist grundsätzlich nur bei Bittorrent unterwegs.

Vielleicht sollte ich telefonisch für diese Leute einfach nicht mehr erreichbar sein.