Geringwertig

Bei Strafverfahren wegen Diebstahls kann sich ein Anwalt besonders lohnen. Ich habe schon einige Male hinten im Saal gesessen und auf meine Sache gewartet. Dabei konnte ich dann staunend anhören, wie ein Angeklagter wegen schweren Diebstahls verurteilt wurde. Sei es, weil er für den Diebstahl eingebrochen ist, ein Auto geknackt hat oder „gewerbsmäßig“ handelte (zum Beispiel um seine Drogensucht zu finanzieren).

Das ist an sich Alltagsgeschäft. Schwummerig wird einem als Verteidiger aber, wenn man dann mitbekommt, wie viel die Diebesbeute wert war. Ich erinnere mich an den vor drei Tagen gekauften Kuli, der angeblich 23 Euro kostete. An das drei Jahre alte Handy mit einem Neupreis von 99 Euro. Oder an eine Staffel der Simpsons für 43,99 Euro.

Bei allen Fällen hätte man sich gut gegen die Verurteilung wegen schweren Diebstahls wehren können, bei der nichts mehr unter einer Haftstrafe von immerhin drei Monaten läuft. Denn bei allen Gegenständen wäre die Frage berechtigt gewesen, ob es sich nicht um „geringwertige Sachen“ im Sinne des Gesetzes handelt. Eine Verurteilung wegen schweren Diebstahls ist nämlich nicht zulässig, wenn die Beute nicht einen bestimmten Wert erreicht.

Wie hoch dieser Wert ist, wird sehr unterschiedlich gesehen. Zu DM-Zeiten pendelten wir noch bei 50 Mark. Dies wurde in eine 25-Euro-Grenze umgewandelt, die nach gut zehn Jahren aber kaum noch haltbar sein dürfte. Allerdings wird sie von vielen Staatsanwälten und Richtern immer noch angewandt.

Luft ist wegen der Preisentwicklung auf jeden Fall nur nach oben – wenn man gegen die in den Köpfen festsitzenden Zahlen argumentiert. So hat das Kammergericht Berlin jetzt entschieden, acht Päckchen Zigaretten im Wert von 27,20 Euro seien noch geringwertige Sachen. Es gibt auch Entscheidungen, die einen Mindestwert von 50 Euro ansetzen.

Selbst wenn das Gericht nicht so hoch gehen will, lässt sich gut mit dem „Wert“ im Sinne des Gesetzes argumentieren. Dieser liegt bei gebrauchten Sachen natürlich meist deutlich unter dem Anschaffungspreis. Bei überteuerten Geschäften könnte man auch damit argumentieren, der tatsächliche Wert liege niedriger als der im Laden verlangte Preis.

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