Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Baff waren Beamte der Erdinger Kriminalpolizei, als ihnen die Süddeutsche Zeitung erklärte, woher das ominöse Fahndungsplakat des Verfassungsschutzes nach Adolf Hitler stammte. Es war in der Nähe von Geschäften in Taufkirchen geklebt worden und löste polizeiliche Ermittlungen aus. Wer jetzt aber denkt, dass spätestens in dem Augenblick, als die Quelle bekannt wurde, auch die Ermittlungen beendet waren, irrt. Die bayerische Polizei findet die Sache nach wie vor nicht lustig und ermittelt munter weiter. Die Plakate werden jetzt auf Fingerabdrücke untersucht!

Ich hatte ja schon dargelegt, dass die Beamten einen Anfangsverdacht durchaus haben durften. Das Porträtfoto Adolf Hitlers kann als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation angesehen werden; seine Verwendung ist deshalb unter bestimmten Voraussetzungen strafbar.

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Grundkonstellation des Falles ist zum Beispiel nicht anders, als wenn Gegendemonstranten die Teilnehmer eines Nazi-Umzuges mit “Heil Hitler”-Rufen verhöhnen. Vor einigen Jahren ging es auch um durchgestrichene Hakenkreuze. Emsige Staatsanwälte wollten Nazigegnern untersagen, diese Symbole auf Plakate und Postkarten zu drucken.

Alle Verfahren endeten, wenn auch mitunter in letzter Instanz, wie zu erwarten. Es kommt nämlich für einen Verstoß gegen § 86a Strafgesetzbuch immer auf die Gesinnung des Beschuldigten und/oder darauf an, wie die Verwendung des verbotenen Symbols zu verstehen ist. Die Verwendung des Symbols muss sozusagen mit einem “Bekenntnis” des Betroffenen zu den Zielen der verfassungsfeindlichen Organisationen verbunden sein.

Wer die nun wochenlange Diskussion um die Arbeit der Sicherheitsdienste nach Bekanntwerden der Nazimorde auch nur ansatzweise mitbekommen hat, wird dem Plakat kein Bekenntnis zum Nationalsozialismus entnehmen können. Sondern lediglich eine bissige Kritik am Verfassungsschutz, der trotz seiner V-Leute eine von rechts  motivierte Mordserie nicht richtig einordnete. Oder möglicherweise sogar auf dem betreffenden Auge blind war.

Spätestens mit dieser Erkenntnis hat sich aber der Anfangsverdacht zerschlagen. Vielleicht sollte sich bei der Staatsanwaltschaft mal jemand erbarmen und die wuseligen Kriminaler aus Erding per Anweisung von oben bremsen. Nur eine schnelle Einstellung des Verfahrens kann noch verhindern, dass man über die zuständige Kripo bald mehr lacht als über die Witze der Titanic.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung