Fünf Sätze hätten genügt

Über eine Stunde dauerte die Pressekonferenz, welche die Staatsanwaltschaft Hannover am Freitag zum Fall Sebastian Edathy gegeben hat. Die Aufzeichnung kann man sich auf Youtube anschauen. Ich habe es mir über weite Strecken angetan. Mich lässt das Spektakel einigermaßen fassungslos zurück.

Was öffentlich hätte gesagt werden dürfen, war folgendes:

Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass gegen Sebastian Edathy ermittelt wird. In diesem Rahmen wurden unter anderem seine Wohn- und Arbeitsräume durchsucht. Die umfangreichen Maßnahmen haben bislang keine Belege für ein strafbares Verhalten des Beschuldigten zu Tage gebracht. Angesichts dessen gebietet es die Unschuldsvermutung momentan, den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten Vorrang vor dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einräumen. Sollte sich dies ändern, werden wir Sie gegebenenfalls informieren.

Stattdessen folgten endlose Einzelheiten über den vermeintlichen Fall. Es wurde detailliert geschildert, wo Edathy Bilder bestellt hat, auf welchem Weg er sie erhalten hat, welchen Zahlungsweg er wählte. Das ist ja alles sehr interessant. Aber warum erzählt uns ein Staatsanwalt das alles, wenn er doch anscheinend nichts gegen Edathy in der Hand hat.

Ein wenig muss ihre eigene Grenzüberschreitung den Ermittlern selbst klar gewesen sein. Denn ansonsten hätte es der betreffende Staatsanwalt nicht nötig gehabt, von einem Grau- bzw. Grenzbereich zu fabulieren. Den das Strafgesetz nun mal gar nicht kennt. Und ganz so, als hätte man sich in den Monaten seit dem Beginn der Ermittlungen in Kanada hierzulande noch gar keine Meinung darüber bilden können, ob an den Bildern nicht vielleicht doch was dran ist.

Die Mär vom Grenz- und Graubereich ist juristisch völlig irrelevant. Überdies handelt es sich womöglich um eine üble Irreführung der Öffentlichkeit. Jedenfalls wenn stimmt, was Edathys Anwalt in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den verantwortlichen Staatsanwalt ausführt. Danach hat der Verteidiger in der Akte mehrere Vermerke des BKA und der Spezial-Staatsanwälte des in Gießen ansässigen Sonderdezernats ZIT gefunden, die vorher mit dem Fall betraut waren. Aus den Aktennotizen ergebe sich eindeutig, die Bilder seien strafrechtlich nicht als relevant einzustufen.

Sich trotz dieser Bewertung hinzustellen und dennoch von einem Graubereich zu erzählen, bedarf schon einiger Chuzpe. Ebenso übrigens auch der wenig subtile Versuch, die Sache so aussehen zu lassen, als habe der möglicherweise vorgewarnte Edathy die Beweismittel dann eben vernichtet. Auch so was darf ein Staatsanwalt nur in den Raum stellen, wenn er seinerseits hierfür handfeste Belege hat. Ansonsten kann man durchaus an üble Nachrede denken, und zwar zu Lasten von Edathy.

Nur am Rande: Ein Kriminalfall, der keiner ist, wird nicht dadurch zum Kriminalfall, dass Ermittler nicht das finden, was sich sich vielleicht bei einer Hausdurchsuchung erhofft haben. Kein Beweis ist und bleibt kein Beweis. Selbst wenn man Edathy irgendwann nachweisen könnte, dass er Datenträger geshreddert hat, wäre das ohne jede Bedeutung. Denn die vieldiskutierte Strafvereitelung zu eigenen Gunsten gibt es nicht. Im Strafgesetzbuch heißt es aus guten Gründen, dass Strafvereitelung für sich selbst oder für nahe Angehörige straflos ist.

Nach der Durchsuchung selbst war die Pressekonferenz der zweite grandiose Fehltritt der verantwortlichen Staatsanwälte. Es wird interessant sein zu sehen, was man sich in Hannover sonst noch leisten kann. Ich fürchte das Schlimmste.