Kein Auftakt nach Maß

Das war in der Tat überraschend, was Uli Hoeneß heute vor dem Landgericht München einräumte. Er habe nicht, wie bisher angenommen und ihm auch zur Last gelegt, etwa 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen. Sondern etwa 18,5 Millionen Euro. Hinzu kommen noch unberechtigte Verlustvorträge von 5,5 Millionen Euro. Schon bei der kleineren Hinterziehungssumme wäre es ein juristischer Hochseilakt, noch zu einer Bewährungsstrafe zu kommen. Jetzt stellt sich wohl kaum noch die Frage, ob Hoeneß ins Gefängnis muss. Sondern nur wie lange.

Natürlich ist jeder Fall anders. Aber bei knapp 18,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern kann man beim Strafmaß durchaus von einer vier oder fünf vor der Jahreszahl ausgehen. Das ist weit jenseits des bewährungsfähigen Bereichs. Und es noch nicht mal übertrieben hart. Bei solchen Summen kann es auch deutlich dicker kommen. Jedenfalls hört da bei den meisten meisten Gerichten der Spaß endgültig auf.

Hinzu kommt, dass Hoeneß die relevanten Unterlagen angeblich erst Ende Februar bei den Strafverfolgern vorgelegt hat. Da war Hoeneß schon formal angeklagt. Das ist natürlich ein denkbar später Zeitpunkt. Zumal Hoeneß ja spätestens seit seiner Haftverschonung klar sein konnte, wie ernst die Lage ist. Dass er sich noch mal Monate Zeit lässt, um die Karten vollständig aufzudecken, stützt kaum das Bild des reuigen Sünders. Und das ist zurückhaltend formuliert.

Überdies wird Hoeneß kaum noch einer abnehmen, dass seine ursprüngliche Selbstanzeige tatsächlich dazu dienen sollte, reinen Tisch zu machen. Dann hätte er in dieser Selbstanzeige nicht lediglich wenig mehr als ein Sechstel der aktuellen Summe deklariert. Es dürfte kaum menschenmöglich sein, einem Gericht plausibel zu verklickern, dass man bei Vorbereitung der ersten Selbstanzeige trotz Hektik und Panik eine Steuerschuld in Höhe von sage und schreibe 15 Millionen Euro nicht bemerkt hat.

Logisch, dass da auch der Vorsitzende Richter nach den aktuellen Berichten skeptisch wirkt. Er habe bei Hoeneß mehrfach nachgebohrt, heißt es. Eine zufriedenstellende Erklärung scheint Hoeneß nicht gegeben zu haben. Stattdessen hat ihn wohl sogar der eigene Anwalt gerüffelt mit den Worten: „Erzählen Sie nichts vom Pferd! Da gingen Ihnen doch die Gäule durch.“ Selbst der Verteidiger schien Hoeneß Beteuerung nicht zu glauben, die Selbstanzeige sei völlig losgelöst von Recherchen des Magazins Stern gewesen.

Wie auch immer: Hoeneß hat zwar eine Selbstanzeige abgegeben, aber hier war der Sachverhalt möglicherweise auch schon entdeckt. Das kann man auch anders sehen und die Selbstanzeige für akzeptabel halten. Allerdings wäre sie spätestens nach der jetzigen Faktenlage immer noch nicht strafbefreiend- und zwar komplett. Denn mit der Selbstanzeige muss alles deklariert werden, sonst ist sie hinfällig.

Selbst Hoeneß ist bewusst, dass er nach den neuesten Bekenntnissen kaum noch was aus seiner ersten Selbstanzeige herleiten kann. Er erklärte vor Gericht: „Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass an der Wirksamkeit meiner Selbstanzeige Zweifel bestehen. Als Laie kann ich jedoch zu diesen juristischen Fragen nichts beitragen.“

Ich weiß nicht, wer ihm da die Feder geführt hat, aber besonders schlau scheinen mir solche erneuten Ausflüchte nicht. In der Tat geht hier ja nicht um ziselierte Rechtsprobleme, die sich einem Mega-Unternehmer wie Hoeneß nicht erschließen. Wir reden hier über eine schlichte Erkenntnis direkt aus dem Leben: Man muss reinen Tisch machen, wenn man reinen Tisch machen will.

Hoeneß steht nun mehrfach schlecht da. Er hat Steuern hinterzogen. Unter Druck gab er anscheinend nur das zu, was ihm hätte nachgewiesen werden können. Anders gesagt: Mutmaßlich hat Hoeneß sogar noch bei seiner Selbstanzeige gelogen in der Hoffnung, dass man ihm andere Taten nicht nachweisen kann. Nun, kurz vor dem Prozess, zog er dann die Notbremse. Seine nun halbwegs vorgetragene Reue wirkt angesichts der Vorgeschichte auf mich wenig authentisch.

Auch das Gericht schließt eine Verzögerung des Prozesses wohl nicht mehr aus. Aus gutem Grund wird man wenig geneigt sein, Hoeneß neue Zahlen einfach zu akzeptieren. Nicht auszudenken, wenn sich nun noch die eine oder andere Million zur Schadenssumme dazu gesellt.

Taktisch sehr unklug finde ich, dass Hoeneß in seiner kurzen persönlichen Erklärung auch noch an mehreren Stellen Selbstmitleid einfließen lässt. So weist er darauf hin, ihm drohe trotz ohnehin eingetretener rechnerischer Verluste jetzt auch noch eine Nachzahlung im zweistelligen Millionenbereich, „was meinen wirtschaftlichen Verlust aus diesen Geschäften weiter erhöhen wird.“

Womöglich kokettiert Hoeneß mit der Vorstellung, allein die schiere Summe seiner Zahlungen an den Fiskus falle so beeindruckend segensreich fürs Allgemeinwohl aus, dass man die strafrechtliche Seite eher nachlässig behandeln kann. Da liegt er nach meiner Meinung komplett falsch.

Alles in allem, ein Prozessauftakt nach Maß sieht anders aus.