Zustellung: Anwalt darf nein sagen

Dieses Urteil wird noch Stress machen, vor allen Klägern und ihren Anwälten. Laut dem Anwaltsgericht Düsseldorf ist ein Anwalt nicht verpflichtet, gegen die ausdrückliche Weisung seines Mandanten formale Zustellungen vom gegnerischen Prozessbevollmächtigten entgegenzunehmen. Gerade, aber nicht nur im Wettbewerbsrecht sind oft enge Fristen einzuhalten, die ohne die einfache „Zustellung von Anwalt zu Anwalt“ kaum zu bewältigen sind.

Bei einstweiligen Verfügungen ist der Klägeranwalt besonders in der Pflicht. Er muss die einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats von sich aus formwirksam zustellen. Meist geht schon mal viel Zeit ins Land, bis das Gericht die schriftliche Version zur Verfügung stellt. In dem vom Anwaltsgericht Düsseldorf entschiedenen Fall blieben dem siegreichen Anwalt nur knapp 48 Stunden, um der unterlegenen Partei die Verfügung zuzustellen.

Das ging praktischerweise nur per Fax. Bisher war es gängige Praxis, solche Dokumente per Fax „von Anwalt zu Anwalt“ zu übermitteln. Die Verwendung dieses neumodischen E-Mail-Zeugs gilt als nicht sicher. Nicht aus technischen, sondern juristischen Gründen.

Immerhin, was das Fax angeht, herrschte bislang weitgehend Einigkeit, dass Anwälte sich untereinander den Empfang von Unterlagen bestätigen müssen. Gerade, wenn ein gerichtliches Verfahren läuft. Das wird im Kern auf § 14 der Berufsordnung für Rechtsanwälte gestützt, der wie folgt lautet:

Der Rechtsanwalt hat ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. Wenn der Rechtsanwalt bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung verweigert, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen.

Das Anwaltsgericht Düsseldorf stellt sich nun auf den Standpunkt, dass die Vorschrift gar nicht für Zustellungen unter Anwälten gilt. Vielmehr legt das Gericht die Norm so aus, dass sie nur im Verhältnis von Anwälten und Gerichten, möglicherweise auch gegenüber sonstigen Behörden anwendbar ist. Für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelte die Norm jedoch nicht.

Aber selbst wenn man die Regelung anwenden will, so das Gericht, geht die Treuepflicht des Anwalts gegenüber dem eigenen Mandanten vor. Bestehe der Mandant darauf, dass ein Anwalt das Schriftstück eines anderen Anwalts nicht als „zugestellt“ annimmt, dann dürfe dieser das nicht. Ansonsten mache sich der Anwalt sogar strafbar, wegen Parteiverrats.

Konkrete Weisung geht also vor Berufspflicht – das werden Mandanten schnell zu Kenntnis nehmen. Und ab sofort womöglich schon vorsorglich ihren Anwälten auftragen, keine Zustellungen von anderen Anwälten mehr anzunehmen.

Für die Anwälte auf der Zustellungsseite, die ja unter Fristendruck stehen, hat das Anwaltsgericht nur eine Lösung parat. Sie müssen sich halt auf die Zustellung via Gerichtsvollzieher einrichten und entsprechend Zeit einplanen. Denn gegenüber einem Gerichtsvollzieher kann man, auch ein Anwalt, die Entgegennahme des Schriftstücks zwar ablehnen. Es gilt dann aber trotzdem als zugestellt.

Der betroffene Anwalt wurde deshalb vom Vorwurf einer Verletzung des Berufsrechts freigesprochen (Aktenzeichen 3 EV 546/12).

Nachtrag: Anmerkungen zum Urteil auch im ZPO-Blog