Bloß nicht nichts machen

Wem eine Verurteilung wegen einer Straftat droht, der muss sich eher früher als später mit der Frage beschäftigen: Wie komme ich an einen Anwalt? Ohne einen Verteidiger geht es bei uns nämlich nicht, zumindest wenn schwere Vorwürfe im Raum stehen – was normalerweise ab einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr der Fall ist.

Oft entscheiden sich Beschuldigte – auch weil sie einen Anwalt momentan nicht selbst bezahlen können – zum Nichtstun. Sie verlassen sich darauf, dass sie vom Gericht schon einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt bekommen. Was auch tatsächlich der Fall ist. Schlau ist so viel Passivität aber nicht.

Der Münchner Anwalt Adam Ahmned weist im neuesten Heft der Zeitschrift Strafverteidiger auf Missstände hin, die mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers verbunden sind. Dieser wird nämlich vom Gericht beauftragt (§ 142 Strafprozessordnung). Und zwar meist ausgerechnet von genau dem Richter, der später auch das Urteil fällt.

Die Folgen sind klar. Ahmed beschreibt das so:

Diese praktische Freiheit bei der Auswahl lädt gerade dazu ein, im Zweifel solche Verteidiger zu benennen, welche in der Vergangenheit beim jeweiligen Gericht einen „guten“, weil kontrollierbaren Eindruck hinterlassen haben, mit anderen Worten einen möglichst geschmeidigen, reibungslosen und konfliktfreien Verfahrensablauf und jegliche sachbezogene Konfrontation mit dem Gericht (ggf. sogar bewusst) gescheut haben.

„Richters Liebling“ kommt allerdings nur zum Zuge, wenn der Beschuldigte gar nichts macht. Denn im Gesetz steht ausdrücklich, dass der Beschuldigte auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ein Mitspracherecht hat. Das heißt, der Richter muss ihn vorher schriftlich auffordern, einen Anwalt seiner Wahl als Pflichtverteidiger zu benennen. Meist wird hierfür eine Frist von einer Woche gesetzt. Wenn der Beschuldigte rechtzeitig antwortet und einen Anwalt benennt, kann sich der Richter über diese Wahl normalerweise nicht hinwegsetzen.

So kommt der Beschuldigte also zu einem Pflichtverteidiger, den er sich zumindest selbst ausgesucht hat. Das dürfte die Chance erhöhen, an einen richtigen Strafverteidiger zu geraten. Und nicht nur an einen „Urteilsbegleiter“. Natürlich ist es sinnvoll, vorher mit dem ins Auge gefassten Anwalt zu klären, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen möchte. Aber streng genommen kann sich der Verteidiger gar nicht wehren, wenn er auf Wunsch des Beschuldigten vom Gericht beauftragt wird. Wie der Name „Pflichtverteidigung“ schon sagt.