Es geht jetzt um Politik, nicht um Paragrafen

Mit ihrem „Strafverlangen“ gegen den Satiriker Jan Böhmermann bringt die türkische Regierung Bundeskanzlerin Angela Merkel ohne jede Not in eine tü(r)ckische Situation. Nun muss die Bundesregierung – und das ist in der Konsequenz nun mal Merkel – entscheiden, ob sie der deutschen Justiz gestattet, die Ermittlungen gegen Böhmermann fortzusetzen und ihn sogar anzuklagen. Ohne „Ermächtigung“ der Regierung bestünde ein Verfahrenshindernis. So sieht es § 104a StGB ausdrücklich vor.

Mit dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber natürlich was gedacht. Und das war nicht, dass die Bundesregierung jetzt an Stelle von Staatsanwälten und Richtern darüber brüten muss, ob Böhmermanns Spottgedicht nun noch von der Meinungs-, Presse- und insbesondere der Kunstfreiheit gedeckt ist. Vielmehr gibt das Ermächtigungserfordernis der Regierung die Möglichkeit, eine politische Entscheidung zu treffen. Nämlich jene, ob eine juristische Aufarbeitung der Causa im politischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland ist. Oder eben nicht.

Deshalb geht es für Merkel und die beteiligten Ressorts nicht um Paragrafen, sondern ausschließlich um die sinnvollste Lösung im Interesse des Landes. Mit anderen Worten: Selbst wenn Merkel, was sie ja schon öffentlich gemacht hat, Böhmermanns Auftritt für eine Grenzverletzung hält, zwingt sie das nicht dazu, die deutsche Justiz zum Turnierplatz für die Ehre eines ausländischen Staatsoberhaupts zu machen.

Nach meiner Meinung hat Merkel viele gute Gründe, den Fall an dieser Stelle zu beenden. Sie könnte Herrn Erdogan in aller Freundschaft darauf verweisen, dass er jederzeit vor dem deutschen Zivilgericht klagen kann. Auf Unterlassung, zum Beispiel. Oder sogar auf 3 Milliarden Euro Schmerzensgeld.

Ich bin sehr gespannt, wessen Wohl Merkel wichtiger ist.