Freundlich, redselig, einladend

Wenn man das Foto einer Hanfplantage auf dem Handy hat, reicht das für eine Hausdurchsuchung? Eher nicht. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Dennoch ließ sich ein 44-jähriger Kölner – ich kann es als Strafverteidiger nicht anders sagen – von der örtlichen Polizei in Bockshorn jagen. Jetzt hat er den Salat; die Plantage gab es in seiner Wohnung nämlich wirklich.

Die Vorgeschichte: Ein Dieb klaute dem Kölner das Handy aus dem Auto. Der Dieb wurde gefasst. Die Polizei schaute sich das Handy an, um den Besitzer zu ermitteln. Das gelang den Beamten auch. Aber dabei stießen sie auch auf das Foto einer Indoor-Hanfplantage. Laut dem Polizeibericht konfrontierten die Polizisten den Handybesitzer an der Haustür mit dem Foto.

Der Betroffene soll sich zuerst „ahnungslos“ gegeben haben. Was impliziert, dass er jedenfalls zu einem Gespräch mit den Polizisten bereit war. Dann ließ er die Beamten sogar noch „freiwillig“ in die Wohnung. Worauf für ihn das juristische Unglück natürlich seinen Lauf nahm.

Etwas mehr Kaltblütigkeit und Kenntnis der eigenen Rechte – dann wäre die Sache womöglich ganz anders ausgegangen.

Am besten hätte der Betroffene sich einfach an eine alte Weisheit erinnern sollen: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Gerade im Umgang mit der Polizei. Es gibt nun mal das Recht zu schweigen. Das ist nichts Ehrenrühriges, sondern ein rechtsstaatliches Prinzip. Dieses Recht steht Unschuldigen ebenso zu wie Hanfbauern. Da macht das Gesetz keinen Unterschied.

Wie hätten die Polizisten darauf reagieren können, hätte der Betreffende jede weitere Kommunikation verweigert und dem Betreten seiner Wohnung nicht zugestimmt? Für eine Durchsuchung wegen „Gefahr im Verzuge“ ohne richterliche Anordnung hätte es nie uns nimmer gereicht. Die Polizisten hatten schon vorher sicherlich genug Zeit, sich um einen Durchsuchungsbeschluss zu bemühen. Den hätten sie allerdings voraussichtlich nicht gekriegt. Das Foto einer Indoor-Plantage kann schließlich überall entstanden sein.

Auch das Schweigen des Beschuldigten begründet keine „Gefahr im Verzuge“. Wie auch, nichts sagen darf nicht gegen den Beschuldigten verwendet werden. Wenn zu dem Zeitpunkt ein Richter Eildienst hatte, hätte dieser ohnehin noch gefragt werden müssen.

Es war also eher eine No-win-Situation für die Polizei. Das änderte sich erst durch die Redseligkeit des Mannes. Und vor allem durch seine Bereitschaft, die Beamten freiwilig reinzulassen. Hätte er alles schlicht nicht machen müssen.

Juristisch ganz verloren ist die Sache für den Beschuldigten aber immer noch nicht. Stichwort: Beweisvertungsverbot. Sagte ich Beschuldigter? Es würde mich schon sehr interessieren, wann der Mann über seine Beschuldigtenrechte belehrt wurde. Mein Tipp: Sicher nicht allzu früh, wie es eigentlich vorgeschrieben ist. Sonst wäre ihm womöglich noch ein Licht aufgegangen.

Ein anderer Punkt: Wenn Polizeibeamte ohne Beschluss oder „Gefahr im Verzuge“ eine Wohnung betreten wollen, müssen sie den Betroffenen in den allermeisten Fällen darüber belehren, dass er nicht zustimmen muss. Und dass eine Durchsuchung auch tatsächlich unterbleibt, wenn er sich nicht einverstanden erklärt. Deshalb nach meiner Meinung auch der etwas merkwürdige Satz in dem Polizeibericht:

Der mutmaßliche Hobbygärtner … bat die Zivilpolizisten in seine Wohnung, um den Vorwurf auszuräumen.

Es kann natürlich so gewesen sein. Das passt dann aber wie die Faust aufs Auge. Denn dann hätten die Polizisten in dem Moment noch gar keinen Durchsuchungswillen gehabt. Vielmehr hätten sie lediglich das freundliche Angebot des Mannes angenommen, doch bitte nicht mehr im zugigen Hausflur weiter zu reden. Dieses Angebot haben sie natürlich nur aus reiner Höflichkeit angenommen. Konnte ja keiner ahnen, dass einem in der Wohnung schon der Marihuana-Geruch entgegenschlägt. Die ansonsten stets bemühte kriminalistische Erfahrung hatten die Beamten an dem Tag leider auf der Wache vergessen.

Nun ja. Wir waren alle nicht dabei. Zu Recht feiert der Polizeibericht die Sache als Fahndungserfolg. Juristisch betrachtet, ist und bleibt die Sache aber trotzdem kein Ruhmesblatt für die Polizei.