Sie als älterer weißer Mann …

Ab und zu muss ich Mandate absagen. Eine dieser Absagen beendete ich mit folgenden Worten: „Deshalb möchte ich Sie bitten, einen anderen Rechtsanwalt zu konsultieren.“

Heute kriegte ich folgende Antwort:

… muss ich Ihre Absage wohl respektieren. Gleichwohl wäre mir als Frau wohler, wenn Sie nicht nur auf männliche Kollegen verweisen. Oder sind Sie als älterer weißer Mann der Meinung, dass es keine geeigneten Frauen in Ihrem KollegInnen-Kreis gibt?

Ich verzichte auf eine Antwort.

Möglichst weit weg …

Über die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten wird vor Gericht ebenso ausdauernd gestritten wie um die Sache selbst. In einem wichtigen Punkt hat der Bundesgerichtshof nun juristische Klarheit geschaffen. Es geht um die Frage, ob einem Anwalt, der zum Beispiel von München aus nach Frankfurt zum Prozesstermin anreist, von der unterlegenen Prozesspartei Reisekosten zu erstatten sind.

Normalerweise lautet die Argumentation, ein auswärtiger Anwalt sei Privatvergnügen. Es genüge auch, einen Anwalt im Bezirk des Prozessgerichts zu beauftragen. An diesem Grundsatz rüttelt der Bundesgerichtshof auch nicht. Allerdings kann es nach seiner Auffassung aber nicht so weit gehen, dass der auswärtige Anwalt weniger bekommt als ein Anwalt aus dem passenden Gerichtsbezirk, dessen Büro aber am Rande dieses Bezirks liegt.

Beispiel: Ein Anwalt aus Berlin kriegte normalerweise bislang keine Fahrtkosten für die Wahrnehmung eines Termins am Oberlandesgericht in Hamm (Gerichtsbezirk). Oder besser gesagt: Der Anwalt kriegte die Kosten schon, aber dann musste sein Mandant halt selbst zahlen, obwohl dieser den Prozess gewonnen hat. Ein Anwalt aus Burbach (Gerichtsbezirk Landgericht Siegen, dieser wiederum gehört zum Gerichtsbezirk des OLG Hamm) konnte die Reisekosten von Siegen nach Hamm dagegen beim Gegner geltend machen. Das sind im konkreten Fall ca. 125 Kilometer für die einfache Strecke, hinzu kommt dann auch das Abwesenheitsgeld zwischen 25 und 70 Euro, Parkgebühren etc.

Kurz gesagt darf der Münchner Anwalt nun also für seinen Termin am Oberlandesgericht Hamm zumindest so viel berechnen wie der Kollege mit Kanzleisitz am äußersten Rand des Gerichtsbezirks. Es handelt sich zwar um eine zivilrechtliche Entscheidung. Aber ich sehe keinen Grund, warum diese nicht auch auf Strafverfahren anzuwenden ist. So werden wir Strafverteidiger also nach Freisprüchen demnächst auf Google Maps nachmessen dürfen, wo der betreffende Gerichtsbezirk am weitesten ausfranst. Aber vielleicht baut ein findiger Kollege ja die passende App.

Link zum Beschluss des BGH

Nachtrag: Es gibt bereits eine „Reisekostentabelle“, die solche Fragen beantwortet. Sie ist sogar kostenlos.

Nachtrag 2: Unter dem Titel ENGEBE gibt es nun auch ein ganz neues Online-Tool von Julian Bartels, mit dem man ganz einfach die weiteste Entfernung im Gerichtsbezirk ausrechnen kann.

Die 70-Cent-Frage entlang der Autobahn

Eine Klage gegen Toilettennutzungsgebühren entlang deutscher Autobahnen ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz bestätigt eine Entscheidung erster Instanz, wonach es keinen Anspruch darauf gibt, dass Raststätten-WCs gratis zu nutzen sind.

Einzelheiten kann man hier nachlesen. Das Oberverwaltungsgericht argumentiert aus meiner Sicht reichlich von oben herab, wenn es die WC-Gebühren an Sanifair-Anlagen, um die es in dem Prozess ging, als „geringfügig“ einstuft. Das könnte man nach meiner Meinung nur sagen, wenn es tatsächlich bei einer Nutzungsgebühr von 20 Cent verbliebe.

Tatsächlich zahlt jeder WC-Nutzer aber 70 Cent, was sich bei einer Familie mit mehreren Kindern schon zu einem stattlichen Betrag addiert. Kein Trost ist der Umstand, dass 50 Cent als Einkaufsbon erstattet werden. Diese 50 Cent sind schon deswegen nur die Hälfte wert, weil die Raststätten für Mitnahmeprodukte wie Süßigkeiten und Getränke unverschämte Preise nehmen. Und dann ein Produkt zu finden, dessen Preis sich mit dem Gutscheinwert deckt, dürfte auch reichlich schwierig sein. Folge: Die Reisenden zahlen im Zweifel also noch mal drauf, wenn sie nicht auf dem Bon sitzenbleiben wollen.

Klar, einen Richter fechten 70 Cent nicht an. Aber man sollte nicht leichtfertig von sich auf andere schließen. Leider klingt das aus dieser Entscheidung genau so heraus.

Eine Begründung wäre nett

Manche Urteile sind schon ein wenig gruselig. Zum Beispiel die Entscheidung eines Amtsrichters, der dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von exakt 12 Monaten aufs Auge drückt. Das ist sicher kein „krummes“ Strafmaß, aber halt auf den Tag exakt die Strafe, ab der ein Beamter seine komplette berufliche Existenz verliert. Er wird nämlich zwingend aus dem Dienst entlassen, auch die Rentenansprüche sind weg.

Dabei ist eigentlich anerkannt, dass ungewöhnliche Tatfolgen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch der Verlust des Beamtenstatus; das hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach klargestellt. Dass ein Amtsrichter sich angesichts dessen jedes Wort dazu spart, wie er ausgerechnet zu einer Strafe von 12 Monaten kommt, lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Der Richter hat sich schlicht und einfach keine Gedanken gemacht. Oder er wollte dem Angeklagten richtig eine reinwürgen, wobei ihm allerdings dann der Mut fehlte, die Gründe hierfür auch belastbar zu Papier zu bringen.

Ich habe das Urteil 1. Instanz nicht zu verantworten, sondern die Sache erst jetzt im Berufungsverfahren übernommen. Auch wenn es gerade beim Beamtenstatus um einiges geht, bin ich doch bedingt optimistisch. Das merkwürdige Schweigen des Urteils zu dieser wichtigen Frage wird ja auch der nächsten Instanz nicht verborgen bleiben.

Ohne Anwalt ist schlecht

Ich habe ans Amtsgericht geschrieben:

… habe ich von den Angeklagten J. und S. wenige Tage vor dem Verhandlungstermin erfahren, dass diese bislang keine Verteidiger haben.

Aus meiner Sicht handelt es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung, schon wegen der Anklage zum Schöffengericht. Hinzu kommt, dass zwei der Angeklagten – darunter mein Mandant – verteidigt sind, zwei dagegen nicht. Weiter ist auf den Beschluss des Gerichts zu verweisen, der dem Nebenkläger Akteneinsicht verwehrt. Bei der dort ausdrücklich festgestellten Aussage-gegen-Aussage-Konstellation wird eine notwendige Verteidigung vorliegen (KG StV 2015,16).

Ich weise auf diese Situation lediglich hin, weil spätestens in der Hauptverhandlung damit zu rechnen ist, dass die nicht verteidigten Angeklagten das Thema aufbringen. Einer der nicht verteidigten Angeklagten hat mir auch gesagt, dass er keinesfalls ohne Anwalt sein will, sofern er Anspruch auf einen Pflichtverteidiger hat.

Wie nicht anders zu erwarten, hat das Gericht den Verhandlungstermin auf diesen freundlichen Hinweis hin aufgehoben. Die beiden Angeklagten, die bislang ohne Anwalt sind, können sich jetzt erst mal Verteidiger suchen. Weiter geht’s dann zwischen November 2018 und Februar 2019. Für diesen Zeitraum hat sich das Gericht jedenfalls nach freien Termine erkundigt.

Klares Urteil?

Die sogenannte Urteilsformel eines Strafurteils soll klar zum Ausdruck bringen, wegen welcher Straftaten jemand verurteilt wird. Jetzt lest euch das mal durch:

Der Angeklagte ist schuldig des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 5 Fällen, davon in 3 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellung kinderpornografischer Schriften, und der Herstellung kinderpornografischer Schriften in 3 Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit Herstellung kinderpornografischer Schriften und des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Herstellung kinderpornografischer Schriften in 2 Fällen und des Besitzes kinder- mit Besitz jugendpornografischer Schriften.

Immerhin hat das Gericht in die Urteilsbegründung eine Tabelle eingefügt. Darin werden die aufgezählten juristischen Tatbestände in Bezug gesetzt zu den konkreten Tatkomplexen. Ich bin dafür wirklich dankbar, so konnte ich einigermaßen schnell nachvollziehen, ob die Urteilsformel wirklich mit dem Inhalt des Urteils übereinstimmt.

Das tut sie. Wer aber möchte und sich dazu imstande sieht, kann ja ohne die Tabelle mal sagen, über wie viele Taten wir reden, welche Tatbestände miteinander in Tateinheit stehen, wo Tatmehrheit vorliegt und so weiter. Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion.

Vorfahrt gilt in jede Richtung

Hier in Düsseldorf stießen zwei Radfahrerinnen zusammen. Die eine bog aus einem Waldweg heraus auf den Radweg. Meine Mandantin befuhr genau diesen Radweg, allerdings auf der für sie linken Seite. Meine Mandantin fuhr also entgegengesetzt der Richtung, für die ihr Radweg eigentlich freigegeben ist.

Eine alltägliche Situation, wäre die Dame, die aus dem Waldweg gefahren ist, sich ihrer Sache nicht so übermäßig sicher. Sie bombardiert Polizei, Staatsanwaltschaft und die beteiligten Haftpflichtversicherungen mit Stellungnahmen dazu, wie übel ihr mitgespielt worden ist. Geradezu ein Skandal, dass eine junge Frau (meine Mandantin) entgegengesetzt der eigentlichen Fahrtrichtung radelt und böswillig einen Unfall verursacht. Das soll für meine Mandantin sehr teuer werden, zumindest nach den Vorstellungen der Frau. Mal abgesehen vom Jugendknast, in dem sie meine Mandantin wahrscheinlich gerne sehen würde.

Ich habe die Tiraden der Frau mit Staunen gelesen. Man braucht nämlich nicht lange juristische Datenbanken oder Google zu bemühen, um auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu stoßen, der die Frage mal grundsätzlich geklärt hat (Link). Aus dem Beschluss:

Ein Radfahrer auf der Vorfahrtstraße hat auch dann die Vorfahrt gegenüber den aus einer untergeordneten Straße kreuzenden oder einbiegenden Fahrzeugen, wenn er … den in seiner Fahrtrichtung … nicht freigegebenen linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt.

Zur Begründung heißt es zusammengefasst, Verkehrsregeln müssen klar und einfach sein. Ansonsten bricht Chaos aus. Das Chaos erwarte ich auch, wenn jemand dem mutmaßlichen Unfall“opfer“ mal erklärt, wieso ihr als völlig unschuldigen Menschen ein Strafbefehl ins Haus geschickt wird.

Nicht telefonieren darf nichts kosten

Mobilfunkanbieter dürfen bei einem monatlichen Paketpreis den Kunden nicht zusätzlich zur Kasse bitten, wenn dieser nicht telefoniert oder keine SMS schreibt. Genau diese „Nichtnutzungsgebühr“ von monatlich 4,95 Euro hatte die Firma mobilcom-debitel über Jahre verlangt, wenn Kunden mehr als drei Monate ihr Handy nicht nutzten. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein erklärte diese Praxis jetzt für rechtswidrig.

Moblilcom-debitel muss 419.000 Euro an den Bundeshaushalt abführen. Das ist der Betrag, den die Firma nach Berechnung des Gerichts zu Unrecht von den Kunden kassiert hat. Mobilcom-debitel scheiterte mit dem Versuch, fiktive Kosten gegenzurechnen. Das hält das Gericht für unzulässig.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte die gesetzlich möglich „Gewinnabschöpfung“ angestoßen, weil mobilcom-debitel auch nach einer Abmahnung im Jahr 2011 die Gebühren 13 Monate weiter berechnete. Die Verbraucherzentrale betrachtet das Urteil als großen Erfolg. Unternehmen werde deutlich gemacht, dass erhebliche Rechtsverstöße sich nicht lohnen. Gleichwohl wäre es nach Auffassung der Verbraucherschützer besser, wenn das erstrittene Geld nicht in den Staatshaushalt, sondern an die betroffenen Kunden zurückfließt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützt deshalb eine EU-Initiative für einen „New Deal“ bei Verbraucherrechten. Dieser soll Verbandsklagen ermöglichen, mit denen eine Gewinnabschöpfung zu Gunsten der Geschädigten möglich wird.

Link zum Urteil

Ein Strafbefehl, zu dem man nicht nein sagen kann

Der polnische Führerschein meines Mandanten stammte nicht aus Polen. Sondern aus einer Fälscherwerkstatt in Mazedonien. Jedenfalls kamen jene Leute von dort, die meinem Mandanten erzählten, ihre Führerscheine sind so super, dass er durch jede Kontrolle kommt. Das sei doch 3.000 Euro wert.

Nun ja, bei so herausragender Dokumentenqualität muss der Mandant nächtens an einen besonderes qualifizierten Polizisten geraten sein. Nach drei Minuten hörte er nämlich schon den Tatvorwurf: Fahren ohne Fahrerlaubnis, Gebrauchmachen von einer gefälschten Urkunde.

Letztlich erging gegen den Mandanten ein Strafbefehl. Er wollte eigentlich Einspruch einlegen und es auf eine Verhandlung ankommen lassen. Irgendwie schien er immer noch unter dem Eindruck dessen zu stehen, was ihm die Fahrerlaubnisdealer erzählt haben. Absolut wasserdichte Sache und so.

Ich konnte dem Mandanten den Einspruch aber ausreden. Ein Detail war ihm nämlich nicht aufgefallen. Der Richter hat vergessen, die an sich fällige Sperre für die Neu- bzw. Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis anzuordnen (§ 69a StGB). Üblicherweise gibt es in solchen Fällen eine Sperre zwischen 9 und 12 Monaten, gerne auch mal etwas mehr. Doch genau die steht nicht im Strafbefehl. Der Einspruch wäre geradezu eine Sünde, denn dann würde der Strafbefehl erst mal verpuffen – und der Richter könnte nachbessern und die Sperre noch verhängen.

Es wird ohnehin für den Mandanten schwer, wenn er das Straßenverkehrsamt überzeugen möchte, ihm seine erste echte Fahrerlaubnis auszustellen. Dass das Gericht laut Urteil eine Sperre nicht für nötig hielt, kann da als Argument jedenfalls nicht schaden.

Ohne Kopie keine Unterschrift

Wenn Zeugen bei der Polizei oder gar vor dem Staatsanwalt aussagen sollen, gibt es mitunter gute Gründe, einen Anwalt mitzunehmen. Deshalb bin ich öfter auch als Zeugenbeistand tätig. Das ist mittlerweile eine gesetzlich geregelte Sache. Zumindest als Zeugenbeistand erschienene Rechtsanwälte kann man praktisch nicht mehr vor die Tür setzen, auch wenn der Zeuge sich aus Sicht der Vernehmungsbeamten natürlich dann leider weniger effektiv heißmangeln lässt.

Letzte Woche hatte ich wieder das Vergnügen. Die Vernehmung meines Mandanten war voll von Ärgernissen. Vor allem deswegen, weil er unter Berufung auf § 55 StPO inhaltlich nichts sagte. Erfolgreich, übrigens. Am Ende des fast dreistündigen Hickhacks, der sich immerhin in einem fünfseitigen Protokoll niederschlug, stand ein Ärgernis, über das ich gerne was sagen möchte.

Der Umstand nämlich, dass Zeugen zwar regelmäßig das erstellte Protokoll lesen und unterschreiben sollen. So emsig wie auf eine Unterschrift gedrungen wird, so ungern wird dem Zeugen aber eine Kopie der Niederschrift zugestanden. „Eine Kopie der Aussage? Da haben Sie keinen Anspruch drauf.“ Die Staatsanwältin freute sich sichtlich, mir das um die Ohren hauen zu können.

Das ist juristisch richtig. Es steht nirgends, dass dem Zeugen eine Kopie des Protokolls zusteht. Es steht aber auch nirgends, dass ihm keine Kopie ausgehändigt werden darf. Ich sage dazu immer, dass niemand im Möbelhaus einen Schrank bestellt, ohne sich eine Kopie des Vertrages geben zu lassen. Aber bei einer Aussage, für deren Wahrheitsgehalt man als Zeuge möglicherweise mit einer Gefängnisstrafe „bürgt“, soll man auf eine Quittung verzichten?

Die Staatsanwältin blieb hart und genoss ihren kleinen Triumph. Als sie den Kuli rüberschnippte, damit mein Mandant – oder vielleicht besser ich – nicht länger nervt, schob ich den Kugelschreiber dezent zurück. Es begann dann eine Diskussion darüber, ob ein Zeuge das Vernehmungsprotokoll unterschreiben muss. Die Staatsanwältin, die offensichtlich selten mit Leuten zu tun hat, die ihre Rechte kennen, behauptete zunächst ersteres. Dann sah sie es ein: Nirgends steht im Gesetz, dass ein Zeuge seine Aussage unterschreiben muss. Es war an mir zu sagen: „Da haben Sie also keinen Anspruch drauf.“

Tja, wir trennten uns dann so. Mein Mandant ohne Kopie der Aussage. Die Staatsanwältin ohne Unterschrift auf ihrem tollen Protokoll. Logischerweise wertet eine fehlende Unterschrift so ein Dokument nicht unbedingt auf. Ich persönlich hätte dem Zeugen lieber seine Kopie gegeben, wenn ich dafür eine Unterschrift kriege.

Also merken, wenn ihr mal das Vergnügen habt als Zeuge befragt zu werden: Ohne Kopie des Protokolls gibt’s keine Unterschrift. Auch wenn euer Gesprächspartner tobt – ihr seid im Recht.

Alltagsgeschäfte

Holt ein Rechtsanwalt seine Post bei einer Postfiliale in der Fußgängerzone, handelt es sich nicht um Lieferverkehr im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Der Anwalt war mit seinem Mercedes bei der Postfiliale in der Fußgängerzone vorgefahren, um dort sein Postfach für die Post seiner Anwaltskanzlei zu leeren. Gegen das Bußgeld von 30 Euro hatte er sich mit Hinweis auf das Schild „Lieferverkehr frei“ gewehrt.

Das OLG Köln bestätigte die Auffassung des Amtsgericht Leverkusens, das Holen von Anwaltspost sei kein „Lieferverkehr“. Schon nach dem Wortsinn sei unter Lieferverkehr in erster Linie der Transport von Waren und Gegenständen von und zum Kunden gemeint.

Fußgängerzonen dienten dem Schutz der Fußgänger, die Gelegenheit haben sollen, sich dort unbehindert und unbelästigt von Kraftfahrzeugen aufzuhalten, ohne dass sie dabei erschreckt, gefährdet oder überrascht werden. Deshalb seien nur eng begrenzte Ausnahmen vom Verbot des motorisierten Straßenverkehrs zuzulassen.

Es sei nicht Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift, Geschäftsleute, Handwerker oder Freiberufler bei der Vornahme von Allerweltsgeschäften zu privilegieren, wie sie ja sogar auch bei Privatpersonen anfallen. Dies sei beim Holen der Anwaltspost der Fall (Aktenzeichen III-1 RBs 113/18).

Polizist, unzufrieden

Das Ermittlungsverfahren drehte sich um Körperverletzung. Angebliche Körperverletzung, möchte ich als Anwalt eines der Beschuldigten sagen.

Der zuständige Polizeibeamte legte viel Herzblut in die Ermittlungen. Er befragte Zeugen, beschlagnahmte den Fahrtenschreiber eines Lkw und malte mehrere Landschafts- und Bewegungsskizzen, wobei diese allerdings wenig mit dem Tatort oder den tatsächlichen Ereignissen zu tun hatten. Sondern mit dem, was sich der Polizist zusammenreimte.

Der Staatsanwalt sah es wohl ähnlich. Er fand einen eleganten Weg aus der Angelegenheit. Der Staatsanwalt entschied sich, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Dafür benötigte er die Zustimmung des Amtsgerichts. Also schrieb er ans Gericht und wies insbesondere darauf hin, dass mein Mandant und die anderen Beschuldigten nicht vorbestraft sind und die Folgen der möglichen Tat nicht so schwer wiegen, dass eine Verfolgung notwendig ist.

Das Verfahren wurde also eingestellt. So weit, so alltäglich. Weniger alltäglich finde ich, dass der Polizeibeamte danach noch mal einen Brief an den Staatsanwalt schrieb und gegen die Verfahrenseinstellung protestierte. Seine Ausführungen sind eher wirr. Vielleicht hätte er besser eine Nacht drüber geschlafen. Seine durchaus emotionalen Worte endeten mit folgendem Appell:

Unter diesen Gesamtumständen bitte ich die Staatsanwaltschaft ebenso höflich wie dringend, die Einstellung des Verfahrens zu überdenken.

Das Prinzip der Gewaltenteilung scheint bei dem Betreffenden noch nicht ganz angekommen zu sein. Ebenso wenig, dass die Polizei in dieser Konstellation auch formal kein wie auch immer geartetes Beschwerderecht hat. Aber aus dieser Geschichte jetzt bitte nicht zu viel schließen. Es dürfte ein Einzelfall sein, denn Vergleichbares habe ich noch nicht erlebt.

Tomaten auf den Augen

In einem Verfahren wegen Landfriedensbruchs wurde gegen etliche Beschuldigte ermittelt. Unter den besonders „aktiven“ Personen auf einem Video, das die Überwachungskamera eines nahegelegenen Lokals aufgenommen hat, ist ein gewisser Herr N.

Irgendwie hatte der zuständige Polizeibeamte, Kommissar J., aber Tomaten auf den Augen. Herr N. hat laut seiner Auswertung des Videos rein gar nichts gemacht, obwohl deutlich zu sehen ist, dass N. unter anderem einen Stuhl auf andere Gäste wirft – und trifft. Bei anderen Beteiligten ist die Beobachtungsgabe des Beamten besser ausgeprägt. Hier werden penibel alle Handlungen aufgeführt, die auf dem Video erkennbar sind.

Die Tomaten waren also nur kurz auf den Augen des Polizisten. Dumm nur, dass die Akte in der Zwischenzeit mal in einem anderen Kommissariat bearbeitet wurde, weil ein Auslandsbezug gegeben war. Dem dortigen Sachbearbeiter wurde offenbar etwas mulmig zumute, denn er fasste seine Erkenntnisse über die Arbeitsweise seines Kollegen J. so zusammen:

Der Beschuldigte N. war durch die aufnehmenden Beamten in das Ursprungsverfahren eingebracht. Der Sachbearbeiter, KHK J., ermittelte aber nicht gegen diese Person und entfernte die Personalien aus dem Vorgang. Der Beschuldigte N. wird nun von hier aus wieder als Beschuldigter in das Verfahren aufgenommen.

Konsequent wäre es dann wohl auch, mal zu hinterfragen, in welchem Verhältnis Kommissar J. zu Herrn N. steht. Und zu überlegen, ob man nicht mal ein Verfahren wegen Strafvereitelung einleitet. Das ist allerdings ist freilich nicht passiert, zumindest bislang nicht.