Die Ausnahme von der Ausnahme der Ausnahme

Seit einiger Zeit gilt ja ein weiter gefasstes Handyverbot am Steuer. Tatsächlich geht der neue § 23 StVO weit über das ursprüngliche Handyverbot hinaus. Mittlerweile sind auch Navigationsgeräte, Tablets (die Vorschrift nennt sie liebevoll „Flachrechner“), Audioplayer und eigentlich so gut wie alles mit Elektronik drin am Steuer verboten, wenn es ablenken kann. Wobei man die Geräte witzigerweise nicht mal mehr in die Hand nehmen muss – eine zu lange „Blickzuwendung“ reicht bereits aus.

Die unglaublich verkorkste Fassung der Vorschrift wird die Gerichte sicher noch ausdauernd beschäftigen. Interessant ist zum Beispiel, dass das Verbot ausdrücklich nicht gilt, „wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist“. Allerdings gilt der Motor, obwohl er ausgeschaltet ist, nicht als ausgeschaltet, wenn er durch eine Start-Stopp-Automatik abgeschaltet wurde. Oder wenn der Antrieb eines E-Autos „ruht“. Ja, das muss man vielleicht zwei Mal lesen, um es trotzdem nicht zu verstehen.

Das Kammergericht Berlin musste sich jetzt mit der Frage beschäftigen, ob der Fahrer eines Autos, der den Motor manuell ausgeschaltet hat, möglicherweise doch kein Handy benutzen darf. Auf diese Idee kam das Amtsgericht in der ersten Instanz, weil es sagte, die Gefährdung bei einem im Verkehr manuell abgeschaltete Motor sei ja wohl genau so hoch wie bei einem Motor, den die Start-Stopp-Automatik abgeschaltet hat. Insofern seien die Fälle gleich zu behandeln.

Diese Sicht der Dinge geht dem Kammergericht aber zu weit, und zwar zu Recht. Denn immerhin ist das Gesetz ja so formuliert, dass die Wirkung der Start-Stopp-Automatik eine Ausnahme von der Ausnahme ist. Wenn man davon noch eine Ausnahme zulassen würde, wäre man ja letztlich in der Situation, dass nur noch Ausnahmen gelten und der Regelfall (manuell ausgeschalteter Motor berechtigt zur Handynutzung) praktisch nicht mehr existiert. Das wäre dann aber eine Auslegung, welche die Vorschrift selbst ad absurdum führt. Die Richter am Kammergericht sprechen deshalb von einer „Lücke im Gesetz, die nicht geschlossen werden kann“.

Im Falle eines Falles muss man also glaubhaft darlegen können, dass der Motor nicht nur stand, sondern dass man ihn auch wirklich selbst ausgeschaltet hat, so ganz ohne Einwirkung jeder Automatik. Dann gibt’s noch eine Chance (Aktenzeichen 3 Ws (B) 217/18).

RA Detlef Burhoff bloggt zum gleichen Thema