Zwei Taten, zwei Urteile

Richter haben bei ihren Urteilen in der Regel einen weiten Beurteilungsspielraum. Das ergibt sich aus dem Gesetz. Das Gesetz sieht bei einem Allerweltselikt wie Diebstahl etwa folgenden Strafrahmen vor: Wer was klaut, wird „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bezahlt“.

Wie krass unterschiedlich die Strafzumessung durch Richter ausfallen kann, möchte ich beispielhaft an zwei Urteilen darstellen. Nachfolgend der wesentliche Inhalt der Urteile, wobei beide Entscheidungen nicht rechtskräftig sind und deshalb die Unschuldsvermutung gilt:

1. Die Mandantin hat sich einen einen Kredit erschwindelt. Der Kredit wurde bewilligt, weil die Mandantin die Gehaltsbescheinigung eines Hotels (knapp 2.600 Euro netto monatlich) vorlegte. Dort ist sie aber gar nicht beschäftigt. Die Bescheinigung ist gefälscht. Tatsächlich hat die Mandantin kein Einkommen. Der Kredit über 30.500,00 Euro wurde aus- und nicht zurückgezahlt. Das Geld hat die Mandantin ausgegeben für Anschaffungen, mit einem Teil hat sie ihre studierende Tochter finanziell unterstützt. Die Mandantin ist nicht vorbestraft.

2. Der Mandant arbeitete als Softwareexperte für ein Unternehmen. Mittels einiger EDV-Tricks hat er er es geschafft, insgesamt zehn unberechtigte Überweisungen auszuführen. Potenzieller Schaden: 11.000,00 Euro. Tatsächlich gingen aber nur Überweisungen in Höhe von 3.000,00 Euro raus; der Rest wurde rechtzeitig gestoppt. Er hat einige kleinere Vorstrafen.

Jetzt zum Strafmaß:

Die Mandantin, die sich den Kredit über 30.500,00 Euro erschlichen haben soll, erhält eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30,00 Euro.

Der Mandant, der die zehn Überweisungen gemacht haben soll, wobei 3.000,00 Euro tatsächlich abhanden gekommen sind, erhält eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, die wegen der Zwei-Jahres-Grenze nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Er müsste also für einen Schaden von 3.000,00 Euro ins Gefängnis, sollte das Urteil auch in der Berufung Bestand haben.

Man kann jetzt lange diskutieren, ob das Urteil gegen die Mandantin eher lasch ist. Oder ob das Urteil gegen den Mandanten übertrieben hart. Das will ich gar nicht machen. Sondern anhand der Beispiele wie eingangs erwähnt nur zeigen, welche Rolle für das Ergebnis eines Strafverfahrens der schlichte Umstand spielen kann, ob man sich nun vor Richter A oder Richter B verantworten muss.