„No work no money nothing for everybody“

Vielleicht war es etwas naiv, dass ich Mitte Februar noch den Restpreis für meinen Osterurlaub bezahlt habe. Denn der Urlaub findet natürlich nicht statt, der Veranstalter (in meinem Fall die TUI) hat die Reise von sich aus storniert.

Nun bin ich durchaus ein wohltätiger Mensch. Aber nur aus freien Stücken. Diese Rolle lasse ich mir jedoch nicht aufzwingen. Weder von einem Reisekonzern. Noch von der Bundesregierung. Deshalb gehöre ich zu denen, die sich gegen die auf den Weg gebrachte „Gutscheinlösung“ wehren und keine Lust darauf haben, ihren Vertragspartnern Zwangskredite zu gewähren.

Ich weiß, das finden manche unsolidarisch. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht. Zum Glück habe ich Telefonnummern von einigen dieser wirklich furchtbar netten Leute, die in dem Ferienclub arbeiten, in dem ich die Ostertage verbringen wollte. „Sind alle sofort rausgeflogen, kriegen keinen Cent“, schreibt mir einer vom Fitnessteam. „No work no money nothing for everybody“, schreibt ein Mitarbeiter des Gastroteams. Ich habe keinen Grund zur Annahme, dass es ihren Kollegen vor Ort besser geht.

Tja, so viel zu dem Gedanken, dass man mit seiner Finanzspritze doch furchtbar netten Leuten und deren Familien in einem fremden Land unter die Arme greift, welche ein treusorgender Reisekonzern natürlich nie und nimmer im Regen stehen lassen möchte.

Dabei, das muss ich sagen, wollte die TUI mein Geld zunächst noch nicht einmal behalten. Nach dem Storno schrieb ich eine Mail und erhielt folgende Antwort: „Da Ihr Vorgang bereits storniert wurde, wird Ihnen auch Ihr Geld zurückerstattet. Im Regelfall dauert das 14 Tage…“

Wir Juristen nennen das ein Anerkenntnis. Aber auch ansonsten ist die Rechtslage eindeutig. § 651h BGB regelt für Pauschalreisen ganz klar, dass ein Storno des Veranstalters diesen zur Erstattung des Reisepreises verpflichtet – selbst bei „höherer Gewalt“. Die Rückzahlung erfolgte nicht, so dass ich direkt mal einen Mahnbescheid beantragte. Zwischenzeitlich war die Gutscheinlösung auf der politischen Tagesordnung. Und siehe da, welche Überraschung: Die TUI legt Widerspruch ein und widerspricht dem Anspruch insgesamt. Wofür der Konzern übrigens keine 14 Tage brauchte, sondern nicht mal 24 Stunden.

Gut, nun ist das Rennen also eröffnet. Ich habe gleich mal die Gerichtskosten für das streitige Verfahren eingezahlt und den Anspruch auch schriftlich begründet. Jetzt kommt es halt etwas darauf an, wie schnell das Amtsgericht das Verfahren bearbeitet. Und ob die Gutscheinlösung, so sie denn kommt, tatsächlich so gestrickt wird, dass selbst rechtshängige Ansprüche ausgehebelt werden. Was juristisch natürlich noch viel heikler wäre, so dass ich mir jedenfalls das eher nicht vorstellen kann.

Fazit: Wenn ihr noch was unternehmen wollt, macht es schnell. Der Zivilrechtsanwalt eures Vertrauens hat derzeit sicher auch nichts gegen etwas Arbeit einzuwenden.

Was Gerichte zu Corona sagen

Zu den Corona-Maßnahmen der Landesregierungen gibt es nun Entscheidungen von Verwaltungsgerichten. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz. Hierbei prüfen die Gerichte nur summarisch, ob die angefochtene Regelung vermutlich rechtmäßig ist. Hier einige Entscheidungen in Kurzfassung:

– Die Sächsische Corona-Verordnung ist wohl rechtmäßig, auch was die strengen Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit auf das „Umfeld des Wohnbereichs“ betrifft. Das Gericht stellt aber klar, dass hierunter ein Radius von 10 bis 15 Kilometern rund um die eigene Wohnung gemeint sein dürfte (Aktenzeichen 3 B 111/20).

– Einzelhandelsgeschäfte in NRW müssen weiter geschlossen bleiben, wenn sie die Bevölkerung nicht mit „Grundbedarf“ versorgen. Das Oberverwaltungsgericht sieht im Infektionsschutzgesetz derzeit eine ausreichende Rechtsgrundlage. Es weist den Antrag einer Firma zurück, die „Haushaltswaren und Geschenkartikel im Tiefpreissegment“ verkauft (Aktenzeichen 13 B 398/20.NE).

– Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen betrachtet Beschwerden gegen die Corona-Verordnungen derzeit als unzulässig. Die Antragsteller müssten den normalen Rechtsweg einhalten, das heißt sich gegen konkrete Einzelanordnungen wehren oder ein Normenkontrollverfahren einleiten. Dafür seien zunächst die Verwaltungsgerichte zuständig (Aktenzeichen 32/20.VB-1, 33/20.VB-2).

– Die Besuchseinschränkungen in Berliner Pflegewohnheimen sind voraussichtlich durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weist einen Eilantrag zurück (Aktenzeichen 11 S 14/20).

– Das Verwaltungsgericht Aachen erlaubt einem Weinhändler, sein Geschäft weiter offen zu lassen. Die Stadt Aachen meinte, die Verkaufserlaubnis für Lebensmittel zur Sicherstellung des „Grundbedarfs“ müsse einschränkend ausgelegt werden. Nach Auffassung des Gerichts ist Wein aber ein Lebensmittel (7 L 259/20).

– Ein Fliesenmarkt in Bremen muss geschlossen bleiben. Der Antragsteller hatte geltend gemacht, ein Fliesenmarkt sei ein Unterfall des Baumarktes. Baumärkte dürfen offen bleiben. Laut dem Gericht zeichnet sich ein Baumarkt aber durch eine breitere Palette an Produkten aus, die Kunden für unaufschiebbare Reparaturen benötigen. Fliesenverlegung sei dagegen nicht unaufschiebbar (Aktenzeichen 5 V 604/20).

– Das Oberverwaltungsgericht Hamburg untersagt eine Versammlung auf der Freifläche des St. Pauli Fischmarktes. Die Veranstaltung sollte die Situation in griechischen Flüchtlingslagern thematisieren (Aktenzeichen 3 E 1568/20). Das Verwaltungsgericht Schleswig untersagt eine Versammlung in der Lübecker Innenstadt (3 B 30/20). Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) verbietet eine Demonstration von zwei Personen (Aktenzeichen 4 L 333/20.NW).

– Die Berliner Corona-Verordnung verletzt nicht die Berufsfreiheit eines Rechtsanwalts, so das Verwaltungsgericht Berlin. Der Jurist hatte sich dagegen gewehrt, dass Anwälte nur noch in dringenden Fällen aufgesucht werden dürfen und dass Betroffene bei einer Kontrolle dann wohl auch erklären müssen, warum sie zum Anwalt gehen (Aktenzeichen 14 L 31.20).

– Das Anreiseverbot zu Nebenwohnsitzen in Nordfriesland ist rechtlich nicht zu beanstanden, so das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 3 MB 8/20, 3 MB 11/20).

Lehrer möchte nicht aufs Klassenfoto

Wenn sich ein Lehrer für ein offizielles Klassenfoto mit zur Schülergruppe stellt, muss er sich auch die Veröffentlichung des Bildes in einem Schuljahrbuch gefallen lassen. Ein Lehrer in Rheinland-Pfalz hatte gegen das Bild geklagt, weil er sein Persönlichkeitsrecht verletzt sah.

Ein Schuljahrbuch ist jedoch ein Zeugnis für das Zeitgeschehen, meint das Verwaltungsgericht Koblenz. Auch für Ereignisse mit regionaler oder lokaler Bedeutung bestehe ein Informationsinteresse. Ein Schuljahrbuch erfülle dieses Interesse. Das Persönlichkeitsrecht des Lehrers trete in diesem Zusammenhang zurück, zumal er im dienstlichen Bereich und noch dazu in keiner Weise unvorteilhaft abgelichtet worden sei. Seine Zustimmung zu der Veröffentlichung habe er zumindest schlüssig erteilt, da Klassenfotos an der Schule schon früher in Schuljahrbücher eingestellt wurden. Daran ändere es auch nichts, dass der Lehrer nach eigenen Angaben von einer Kollegin für das Foto überredet wurde.

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat die Entscheidung erster Instanz nun bestätigt (Aktenzeichen 5 K 101/19.KO).

Staatlich verordneter Zwangskredit

Habt ihr schon für eine Reise bezahlt, die jetzt wegen der Corona-Krise nicht stattindet? Oder für ein Flugticket? Oder für eine Konzertkarte? Dann wird es euch freuen, dass der Gesetzgeber euren – an sich glasklaren – Rückerstattungsanspruch auf das Geld voraussichtlich kurzfristig außer Kraft setzen wird. Das Bundeskabinett hat jedenfalls heute beschlossen, dass euch die Anbieter auf einen Gutschein verweisen können.

Mit anderen Worten: Der Kunde schaut erst mal in die Röhre und gibt dem Unternehmen einen Zwangskredit. Überdies wird er gezwungen, bis zum Ende der Einlösungsfrist für den Gutschein – die Rede ist von Ende 2021 – erneut bei dem betreffenden Anbeiter zu buchen. Zu deutlich höheren Preisen und inhaltlich komplett veränderten bzw. deutlich eingeschränkten Angeboten? Das ist wohl zu befürchten.

Auch wenn gerade die Touristik- und Veranstaltungsbranche nun in eine deutliche Schieflage gerät, ist die Frage erlaubt, wieso nun die Kunden für eine Zwischensanierung zuständig sein sollen. Natürlich ist es jedem unbenommen, sich mit einem Gutschein zufrieden zu geben, wenn er glaubt, das betreffende Unternehmen habe die Unterstützung verdient.

Ein Zwangskredit, wie er jetzt geplant ist, stellt aber nicht nur den Grundgedanken des Zivilrechts, wonach es Geld nur gegen Leistung gibt, auf den Kopf. Vielmehr wird auch verkannt, dass ein großer Teil der Kunden ihre vergebliche Zahlung sicher nun gut selbst brauchen könnte. Wenn Kurzarbeit angesagt ist oder gar die Entlassung droht, wenn Geschäftsinhaber keine Umsätze mehr machen können, sollen diese Leute jetzt so selbstlos sein, mit ihrem Kapital Firmen oder gar Konzerne wie die Lufthansa oder dem Reiseriesen TUI das Pleiterisiko abzunehmen – für nullkommanull Gegenleistung? Den Kunden so etwas rückwirkend aufzubürden, ist nicht nur dreist, sondern wird auch das Vertrauen ins geltende Recht weiter erodieren lassen.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Bundestag wenigstens eine vernünftige Lösung für das Insolvenzrisiko einfallen lässt. Ansonsten bleibt den Kunden dann womöglich nur zuzusehen, wie nun leider jetzt schon marode Firmen erst mal so lange weitermachen, bis der Zwangskredit aufgebraucht ist, etwa für stattliche Boni, Abfindungen, verdeckte Gewinnausschüttungen und gut strukturierte Ausverkäufe. Lehmann, Thomas Cook & Co. lassen grüßen.

Nachtrag: Zu dem Thema äußert sich auch der Verbraucherzentrale Bundesverband