Lockdown für die einen, Regelbetrieb für die anderen

In Berlin diskutieren gerade die Verantwortlichen aus Bund und Ländern über das neue Lockdown-Szenario. Favorisiert ist wohl folgende Lösung: Freizeitangebote werden abgeschafft, Kontakte massiv beschränkt – und selbst im privaten Bereich könnte es massive Kontrollen geben. Ich will das Wort Hausdurchsuchung durchs Ordnungsamt eigentlich gar nicht in den Mund nehmen.

Im Gegensatz dazu steht aber eine ganz neue Prämisse von fast unerhörter Liberalität: Schulen und Kitas sollen unter allen Umständen geöffnet bleiben. Des einen Leid ist also des anderen Regelbetrieb. Hat sich eigentlich jemand mal Gedanken darüber gemacht, was wohl die Richter zu dieser „Güterabwägung“ sagen werden? Zum Beispiel wenn ab Montag ein Gastwirt mit wasserdichtem Hygienekonzept gegen die Komplettschließung klagen wird, dem das Ordnungsamt trotz funktionierender Kontaktenachverfolgung nicht mal ein Infektionsgeschehen nachweisen kann, das aus seinem Betrieb den Anfang nahm?

Ich vermute nicht, denn die bisherige Richtung in den Gerichtsurteilen lässt sich so zusammenfassen: Maßnahmen müssen geeignet sein. Und sie dürfen nicht ungerecht sein. Wer Friseuren also die Arbeit erlaubt, kann sie Masseuren kaum verbieten. Was im Kleinen gilt, dürfte im Großen aber auch gelten. Mit der Folge, dass man dem ungestörten Schul- und Kitabetrieb und die dadurch unvermeidlichen Risiken kaum dadurch erkaufen kann, dass anderen doppelte und dreifache Opfer auferlegt werden – bis zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung.

Kann diese Prioritätensetzung ohne jeden Versuch eines Interessenausgleichs Bestand haben? Mir schwant da Unheil, das möglicherweise der eine oder andere gar nicht kommen sieht.