Welches Verhalten darf der Staat kriminalisieren?
Attac verliert Gemeinnützigkeit – rückwirkend
„Das ganze Gel, das man sich in die Haare schmieren muss, kostet auch einen Haufen Geld“
Die bayerische Justiz hat heute das Urteil gegen Uli Hoeneß veröffentlicht (Link).
Ein interessanter Zeitpunkt, denn erst Mitte der Woche hatte ein Strafrechtsprofessor berichtet,, wie er seit geraumer Zeit dem Urteil hinterherläuft – und immer wieder auf Widerstände stieß. Der Jurist vermutet einen versteckten Deal, zu dem möglicherweise auch gehört, das Urteil der Öffentlichkeit vorzuenthalten, in deren Namen es gesprochen wurde.
Wenn ja, ist dieser Versuch nunmehr gescheitert.
Aus einer Ermittlungsakte:
Die Beschlagnahme des E-Mail-Accounts verspricht keine Aussicht auf Erfolg, nachdem die Abrufe nach Auskunft der 1 & 1 Internet AG durch IMAP erfolgen, so dass davon auszugehen ist, dass die E-Mails heruntergeladen und vom Server gelöscht wurden und nicht mehr beschlagnahmt werden können.
Ich bin jetzt kein großer Techniker, aber ist es nicht gerade eine Eigenschaft von IMAP, dass dass die Mails eher auf dem Server bleiben als bei POP3?
Na ja, der Beschuldigte freut sich im Zweifel.
Die Mieter waren ausgezogen. Dem Vermieter schickten sie die Schlüssel per Post – und zwar per Einschreiben/Rückschein. Der Brief kam beim Vermieter auch an, aber ein Schlüssel war angeblich nicht. Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel musste jetzt entscheiden, wer die Kosten von knapp 70 Euro für den Ersatzschlüssel trägt.
Nach Auffassung des Gerichts müssen die Mieter belegen, dass nicht nur der Umschlag, sondern auch der Schlüssel durch die Post ausgehändigt worden ist. Eine Vermutung für den korrekten Ablauf gebe es jedenfalls nicht. Denn der Brief war auf dem Transportweg „nachverpackt“ worden, so ein Vermerk der Post.
In diesem Fall sollen die Mieter das Versandrisiko tragen, so das Gericht. . Immerhin hätten sie die Schlüssel ja auch persönlich übergeben können; man wohnte im selben Haus. Die Übersendung des Schlüssels per Einschreiben/Rückschein sei im übrigen auch keine sichere Transportmethode. Hierzu hätten die Mieter den Schlüssel als Wertpaket verschicken müssen (Link zum Urteil).
Wer Online-Videos anderer auf der eigenen Internetseite einbettet, verstößt nicht gegen das Urheberrecht. Das sogenannte Framing ist in der EU legal, entschied der Europäische Gerichtshof.
Der praktisch häufigste Fall sind Videos, die Urheber selbst auf große Plattformen wie Youtube eingestellt und damit öffentlich zugänglich gemacht haben. Vor Gericht ging es nun um die Frage, ob ein Dritter dieses Video auf der eigenen Webseite einbetten kann, so dass es sich direkt von dort aus betrachten lässt. Solche „Frames“ lassen sich etwa bei Youtube mit wenigen Klicks generieren.
Der Europäische Gerichtshof betont, eine unerlaubte „öffentliche Wiedergabe“ liege nur dann vor, wenn dem Video ein völlig neues Publikum erschlossen wird, an das die Rechteinhaber nicht gedacht haben. Das sei bei Online-Videos aber gerade nicht der Fall, denn diese richteten sich nun mal an alle Internetnutzer. Dass dem Betrachter möglicherweise die eigentliche Quelle des Videos nicht deutlich wird, spiele keine Rolle.
Der Beschluss erging auf Vorlage des deutschen Bundesgerichtshofs, der einen entsprechenden Streit zwischen Urheber und Nutzer eines Werbevideos zu entscheiden hat (Aktenzeichen C-348/13).
In meiner aktuellen ARAG-Kolumne erkläre ich den Ablauf einer Hausdurchsuchung und was man als Betroffener beachten sollte. Der Beitrag ist ein weiterer Teil der Artikelserie zum Thema Strafrecht.
Erlaubt ist bekanntlich, was nicht verboten ist. Im Falle des Rockerclubs „Bandidos“ erteilte jetzt das Landgericht Bochum den Behörden einen entsprechende Lehrstunde. Das Gericht sprach Rocker frei, die angeblich verbotenerweise ihre Rockerkutten mit der Aufschrift „Bandidos“ getragen haben sollen.
Tatsächlich war genau das den Rockern erlaubt, so das Gericht. Durch den Ortszusatz „Bochum“ beziehungsweise „Unna“ auf ihren Kutten hätten sich die Betroffenen klar zu ihren jeweiligen Ortsgruppen bekannt und so ausreichend von anderen Bandidos abgegrenzt. Die Bandidos aus Bochum und Unna sind nämlich nicht verboten, im Gegensatz etwa zu denen aus Aachen und Neumünster.
Laut Gericht kommt es auf den Gesamteindruck an, den ein Betrachter haben muss. Außerdem dürfe das Vereinsrecht nicht dazu genutzt werden, um die Aktivitäten legaler Vereine unverhältnismäßig einzuschränken (Aktenzeichen Az. II-6 KLs 4/14).
Die Lufthansa muss es nicht hinnehmen, dass Teilnehmer ihres Miles & More – Programms Prämien verkaufen oder versteigern. Die Lufthansa beschränkt die – überdies nur unentgeltliche – Weitergabe zu Recht auf nahestehende Personen, entschied der Bundesgerichtshof.
Ein Vielflieger hatte eine ganze Menge Prämienmeilen gegen zwei Transantlantik-Flugtickets eingetauscht. Die Tickets ließ er auf einen Dritten ausstellen. Die Lufthansa ging davon aus, dass er die Tickets verkauft hatte und kündigte das Bonusprogramm fristlos. Dagegen wehrte sich der Kunde vor Gericht.
Vor dem Bundesgerichtshof unterlag er jetzt in letzter Instanz. Bei einem Kundenbindungsprogramm steht es nach Auffassung der Richter dem Anbieter frei, die Weitergabe von Prämien einzuschränken. Das Verbot des Weiterverkaufs sei in den Bedingungen klar geregelt, deshalb dürfe die Lufthansa sich auch darauf berufen. Wer dagegen verstoße, riskiere den Rausschmiss bei Miles & More.
Vielflieger dürfen im Ergebnis Prämien also nur verschenken. Weitere Einschränkung: Der Beschenkte muss mit dem Vielflieger in einer persönlichen Beziehung stehen (Aktenzeichen X ZR 79/13).
Verbraucher können Bearbeitungsgebühren für Kredite auch heute noch bis ins Jahr 2004 zurückfordern. Der Bundesgerichtshof stellte heute in mehreren Urteilen klar, dass Rückforderungsansprüche auch noch bis zu zehn Jahre nach Vertragsschluss geltend gemacht werden können.
Dass Bearbeitungsgebühren in Verbraucherkreditverträgen unzulässig waren, steht nach diversen Gerichtsurteilen mittlerweile fest. Zahlreiche Banken begegneten Rückforderungen deshalb mit dem Argument, die dreijährige Verjährungsfrist sei abgelaufen.
Allerdings begann die Verjährung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch für ältere Verträge erst im Jahre 2011. Grund dafür sei, dass Verbraucher erst nach den Präzedenzurteilen die komplizierte Rechtslage richtig einschätzen konnten. Deshalb greife allenfalls die weitere Frist, nach der auch unbekannte oder falsch eingeschätzte Forderungen spätestens nach zehn Jahren verjähren. Dies hat nun zur Folge, dass Bearbeitungsgebühren für alle Verträge noch geltend gemacht werden können, die ab 2004 geschlossen wurden.
Die Stiftung Warentest schätzt, dass Bankkunden für den Zeitraum seit 2004 noch bis zu 13 Milliarden Euro zurückverlangen können. Allerdings ist jetzt Eile geboten, denn die nun festgelegte Verjährung läuft am 31. Dezember 2014 ab. Bis dahin müssen die Forderungen gerichtlich geltend gemacht werden, sofern die Bank nicht freiwillig auf die Einrede der Verjährung verzichtet (Aktenzeichen XI ZR 348/13).
Nachdem er zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einfahren musste, schrieb der Angeklagte einen Brief an die zuständige Beamtin der Staatsanwaltschaft. Darin hieß es unter anderem:
Im Übrigen wollte ich noch mitteilen, dass bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist, aber ich gehe von einer baldigen Reparatur aus…
Diese nette Formulierung brachte dem Angeklagten eine Verurteilung wegen Beleidigung ein. 30 Tagessätze sollte er als Geldstrafe zahlen.
Allerdings war dies dem Oberlandesgericht Bamberg jetzt sogar noch zu milde. Bei dem Angeklagten, der diverse Male vorbestraft ist, komme eigentlich nur eine Freiheitsstrafe in Betracht. Deshalb muss sich nun eine andere Strafkammer erneut mit der Duschlampe beschäftigen (Aktenzeichen 3 Ss 94/14).
Ein interessantes Urteil für alle, die gern am Steuer ihres Autos mit dem Handy telefonieren, SMS oder Whats-App-Nachrichten checken. Das ist auch mitten im Straßenverkehr erlaubt, etwa vor einer roten Ampel.
Voraussetzung ist nur, dass der Motor ausgeschaltet ist und das Fahrzeug steht – auch durch eine moderne Start-Stopp-Automatik. Jedenfalls gibt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm genau hierfür grünes Licht.
Ein 22-jähriger Dortmunder sollte 40 Euro Bußgeld zahlen und einen Punkt in Flensburg kassieren, weil er verbotswidrig am Steuer telefoniert haben soll. Er wehrte sich allerdings mit dem Argument, dass die ECO-Start-Stopp-Funktion seines Daimlers den Motor ausstellt, wenn er an einer Ampel wartet. Er habe nur in dem Zeitraum telefoniert, in dem der Motor ausgeschaltet war.
Die Richter in Hamm weisen – zutreffend – auf den Wortlaut des Gesetzes hin. Dieser verbietet die Telefonnutzung am Steuer nur, so lange der Motor eingeschaltet ist. Auch der Sinn der Regelung erfordere keine Ausnahme. Das Verbot solle nämlich nur bewirken, dass der Fahrer während der Fahrt die Hände frei hat. Aber nicht, während er vor einer roten Ampel wartet.
Es mache auch keinen Unterschied, ob der Autofahrer den Motor von Hand ausstellt oder ob dies eine Start-Stopp-Automatik erledigt. Dementsprechend hob das Gericht die ursprüngliche Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund auf und sprach den Betroffenen frei.
Wichtig ist im Umkehrschluss allerdings, dass man etwa auch am Straßenrand oder auf einem (öffentlichen) Parkplatz nicht telefonieren darf, so lange der Motor angestellt ist. Vielleicht nicht ganz unwichtig – insbesondere in der kalten Jahreszeit (Aktenzeichen 1 RBs 1/14).
Seit Jahren schwelt Streit über die Frage, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind. Bejaht man dies, könnte das den Datenschutz erheblich verstärken. Der Bundesgerichtshof will das Problem nun vom Europäischen Gerichtshof geklärt wissen.
Ausgangspunkt ist eine Klage des schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piraten). Breyer wehrt sich, wie viele andere auch, dagegen, dass Internetprovider die IP-Adressen seines Internetanschlusses auch über den Nutzungszeitraum hinaus speichern. Obwohl die Daten bei einer Flatrate gerade nicht für die Abrechnung erforderlich sind. Die Daten stehen dann zum Beispiel Ermittlungsbehörden zur Verfügung.
Provider machen geltend, sie benötigten die Daten für die Wartung und Störungsbeseitigung. Der Bundesgerichtshof äußert zwar Zweifel daran, dass es sich um personenbezogene Daten handelt, da die IP-Adresse an sich noch nicht sagt, wer den Internetanschluss tatsächlich genutzt hat. Da man dies aber auch anders sehen kann, möchte er diese Frage vom Europäischen Gerichtshof klären lassen. Grundlage ist nämlich eine europaweite Datenschutzrichtlinie (Aktenzeichen VI ZR 135/13).
Mit einer großangelegten Razzia versucht die Polizei, der Betreiber der Streamingseite kinox.to habhaft zu werden. Im Kern geht es um die gleichen juristischen Fragen, wie sie sich auch schon bei der Vorgängerseite kino.to stellten. Dass gegen die Betreiber ermittelt und sogar per Haftbefehl gefahndet wird, ist keine Überraschung. Denn die Streamingseiten mit aktuellen Kinofilmen und Fernsehserien verletzen ganz eindeutig das Urheberrecht.
Eine andere Frage ist, ob auch die Nutzer ins Visier der Staatsanwaltschaften geraten können. Schon bei kino.to hatten die Ermittlungsbehörden öffentlich angedacht, Ermittlungsverfahren auch gegen Besucher der Streaming-Seiten einzuleiten. Dazu ist es allerdings – zumindest nach meiner Kenntnis – nicht gekommen. Aus gutem Grund, denn auch die Konsumenten „illegaler“ Streams von offenkundigen Piratenseiten sind keineswegs automatisch strafbar oder zumindest schadensersatzpflichtig (siehe etwa hier).
Mein Kollege Thomas Stadler hat bereits die Zeit gefunden, auch die aktuelle kinox.to-Affäre auf ihre Risiken für sparsame Filmfreunde und Serienjunkies abzuklopfen, und zwar fundiert wie immer. Hier geht es zu seinem Beitrag.
Die Bundesrepublik Deutschland muss einem Mann Schmerzensgeld zahlen, weil er von deutschen Polizeibeamte zu Straftaten verführt worden ist.
Der bis dahin unbescholtene Mann hatte gegenüber verdeckt ermittelnden Beamten mehrfach erklärt, dass er an sich nichts mit Drogenhandel zu tun haben will. Erst auf hartnäckiges Drängen erklärte er sich bereit, einen Drogendeal zu machen. Hierfür wurde er im Jahr 2008 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt das Vorgehen der Polizei. Die Beamten hätten die zulässige Grenze verdeckter Ermittlungen weit überschritten, als sie aktiv die Skrupel des Mannes zerstreuten und ihn zu den Straftaten motivierten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt ausdrücklich fest, die so gewonnenen Beweise hätten nicht gegen den Betroffenen verwendet werden dürfen. Das deutsche Strafgericht hatte das noch anders gesehen und lediglich einen Strafrabatt gewährt.
Der Betroffene erhält nun 8.000 Euro Schmerzensgeld und 8.500 Euro für seine Verfahrenskosten (Aktenzeichen 54648/09).