Verfahren gegen den Anwalt von Christina Block

Der Anwalt der Hamburger Steakhaus-Erbin Christina Block ist juristisch unter Beschuss. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Düsseldorfer Strafverteidiger Dr. Ingo Bott ein. Es geht um Titelmissbrauch.


Bis gestern hatte sich Bott auf seiner Homepage als Prof. Dr. Dr. Ingo Bott vorgestellt. Der Professoren- und ein Doktortitel sollen Bott aber „ehrenhalber“ (h.c.) verliehen worden sein – von peruanischen Universitäten. Nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht müssen Ehrentitel so mit Zusätzen gekennzeichnet sein, dass man sie als solche problemlos erkennen kann. Zum Beispiel mit dem bekannten h.c. für honoris causa. Auch der Erwerb der Titel im Ausland muss normalerweise aufgedeckt werden. Auf Botts Homepage fanden sich zwar Hinweise auf den Ursprung der Titel, aber wohl nur auf einer Unterseite. Der Juraprofessor Holm Putzke hatte öffentlich auf Botts Selbstdarstellung hingewiesen und den Verdacht auf eine Straftat geäußert. Die Staatsanwaltschaft Hamburg bejaht nun immerhin einen Anfangsverdacht.

Bott bezeichnet sich auf seiner Homepage nun nur noch als „Dr.“. Diesen einen Doktortitel hat er übrigens mit einer Dissertation zum Thema „Strafrecht in Extremlagen“ an der Universität Passau erworben. Juraprofessor Holm Putzke, der Bott anzeigte, unterrichtet ebenfalls an der Universität Passau.

Karikatur: wulkan

Wer ist der Verteidiger?

Staatsanwaltschaften wissen natürlich, wer der Anwalt des Beschuldigten ist. Aber dürfen oder gar müssen die Strafverfolger das auch Journalisten verraten, selbst wenn der betreffende Anwalt (noch) nicht zugestimmt hat? Mit genau dieser Frage hat sich jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschäftigt. Die Antwort ist ein klares nein.

Ein Journalist der Bild-Zeitung recherchierte wegen eines Mordfalls in München. Von der Staatsanwaltschaft wollte er wissen, wer den Verdächtigen verteidigt, erhielt aber keine Auskunft. Sein Antrag auf einstweilige Anordnung blieb erfolglos. Laut dem Münchner Gericht geht der gesetzliche Auskunftsanspruch nicht so weit wie vom Journalisten erhofft. Das Gericht verweist auf die anwaltliche Schweigepflicht. Diese verpflichte den Anwalt alles geheim zu halten, was er im konkreten Fall erfahre. Daraus wird auch das Recht des Anwalts hergeleitet, ohne eigene Zustimmung nicht kontaktiert zu werden. Das sei auch im Interesse des Mandanten. Überdies sei der presserechtliche Auskunftsanspruch auf Fakten gerichtet. Hier gehe es aber eher um die Möglichkeit des Journalisten, Kontakte zu knüpfen und darüber weitere Informationen zu erhalten.

In Hamburg wird die Sache übrigens anders gesehen. Das dortige Oberverwaltungsgericht hat die Staatsanwaltschaft zur Nennung des Anwalts verpflichtet, das Berichterstattungsinteresse der Medien gehe den Rechten des Anwalts vor. Der Bild-Reporter kann im Münchner Fall noch in der Hauptsache klagen (Aktenzeichen 7 CE 1263/25).

USA: Taxidienst soll für Axtmord haften

Ein Axtmord in Sacramento 2020 bringt den Fahrdienstvermittler und Uber-Konkurrenten Lyft vor Gericht – allerdings nicht, weil der Fahrer der Täter war, sondern ein Fahrgast. Die Familie des Opfers klagt, weil Lyft angeblich nicht genug getan hat, um den Vorfall zu verhindern.

Der Täter, ein Fahrgast, soll das Opfer brutal mit einer Axt getötet haben. Allerdings erst nach der Fahrt. Jedoch hatte der Täter schon bei der Fahrt eine große Axt bei sich. Er soll auch gefährlich ausgesehen und sich ebenso verhalten haben. Der Fahrer habe dem Mann auch einen Zwischenstopp erlaubt, bei dem sich der Täter mit Spirituosen und weiteren Utensilien für die Tat ausrüstete. Nach der Ankunft erschlug der Mann eine dreifache Mutter.

Die Angehörigen des Opfers argumentieren, Lyft habe die Tat durch bessere Sicherheitsmaßnahmen verhindern können. Ein kalifornisches Gericht sieht eine mögliche Fahrlässigkeit auf Seiten der Firma, etwa durch unterlassene Schulungen. Das Gericht folgte deswegen dem Antrag von Lyft nicht, die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Vielmehr soll jetzt eine Beweisaufnahme folgen.

Beim Täter selbst dürfte nichts zu holen sein. Er wurde zu einer 40-jährigen Haftstrafe verurteilt.

Jetzt sind sie da, unsere neuen Frauen

„Transfrauen sind Frauen, und deswegen sehe ich da jetzt keinen weiteren Erörterungsbedarf.“ Wir erinnern uns gern an diesen Satz der früheren Familienministerin Lisa Paus, mit dem sie jede weitere Diskussion über ihr sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz abzuwürgen versuchte. Unter Assistenz des irgendwann ins woke Lager verirrten liberalen Justizministers Marco Buschmann sollte es der große Wurf werden: die Loslösung des biologischen Geschlechts von staatlicher Kontrolle; die Möglichkeit, mittels „Sprechakt“ das eigene Geschlecht zu ändern – und das sogar jährlich. Und jetzt sind sie da, unsere neuen Frauen: Rechtlich vollwertig, mit Schnauzbart, zweifellos noch vorhandenem Gemächt und einem aktiven Strafregister, weshalb die Justiz sie pflichtschuldig zum Strafantritt ins Frauengefängnis lädt. Ja, wer hätte das ahnen können?

Natürlich jeder, der mal einen Blick in das Gesetz wirft. Und vor allem jene aus dem weiten Regenbogenland, die es so vehement gefordert haben. Witzigerweise sind das genau die Personen, die nun in von der Bild abwärts Zeter, Mordio und Rechtsmissbrauch schreien, weil nun auch die „falschen“ Männer wenigstens zeitweise Frauen sein möchten. Dabei ist das Gesetz doch exakt so formuliert worden wie gewünscht: Die Bestimmung des sozialen und rechtlichen Geschlechts liegt seit Ende letzten Jahres allein bei der betroffenen Person. Es handelt sich um einen reinen Sprechakt – eine Erklärung vor dem Standesamt reicht aus, um den Geschlechtseintrag zu ändern.

Eine medizinische oder psychologische Begutachtung ist nicht erforderlich, und eine Plausibilitätskontrolle ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Es kommt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes gerade nicht darauf an, ob sich jemand tatsächlich zu einem anderen Geschlecht zählt oder ob die Änderung ernst gemeint ist. Um mögliche Diskriminierung zu verhindern, soll jeder Mensch selbst entscheiden können – und sein Äußeres darf schon mal gar keine Rolle spielen.

Besonders deutlich wird der Wille des Gesetzgebers am sogenannten Offenbarungsverbot. § 5 des Selbstbestimmungsgesetzes untersagt es audrücklich, die frühere geschlechtlichen Identität ohne Einwilligung des Betroffenen zu offenbaren. Dies unterstreicht das Grundanliegen des Gesetzes: Die selbsterklärte Änderung ist endgültig, sie darf nicht hinterfragt werden. Und wer einen per standesamtlicher Erklärung umgewandelten Mann weiter einen Mann nennt, zahlt Bußgeld. Bis zu 10.000 Euro können es sein.

Das Gesetz ist da, und es muss angewandt werden. Dass ausgerechnet nun jene, die es lautstark forderten, doch wieder nicht damit zufrieden sind und nach Korrekturen rufen, belegt die Richtigkeit der vorgebrachten Bedenken. Nun sind zwar Paus und Buschmann nicht mehr da, dafür aber der Erörterungsbedarf. Die Diskussion verspricht peinlich zu werden.

„Immun-Smoothie“ als Mogelpackung entlarvt

Der Drogeriemarkt dm verkauft einen zuckerhaltigen Obst-Quetschie als „Immun Smoothie für Kinder“. Das hat für Ärger gesorgt – und zwar zu Recht, wie das Landgericht Karlsruhe nun entschieden hat. Der Drogeriemarkt hatte seinen Smoothie mit Sprüchen wie „Dein Immunsystem freut sich“ beworben, was bei Verbrauchern unzweifelhaft den Eindruck erwecken konnte, das Getränk habe eine besondere positive Wirkung auf die Gesundheit. Die Verbraucherorganisation Foodwatch sah darin irreführende Werbung und zog vor Gericht.

Die Werbeaussagen von dm sind unzulässig, weil sie wissenschaftlich nicht haltbar sind, so das Gericht. Konkret ging es um die Vorgaben der Health-Claims-Verordnung (EG Nr. 1924/2006), die regelt, welche gesundheitsbezogenen Aussagen in der Werbung erlaubt sind. Dm hatte behauptet, der Smoothie unterstütze das Immunsystem durch Inhaltsstoffe wie Vitamin C und Zink. Aber das Gericht stellt klar: Solche Aussagen müssen durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein – und daran mangelte es hier. Der Smoothie enthielt zwar die genannten Stoffe, aber die konkrete Wirkung bleibt unbelegt.

Außerdem bemängelt das Gericht, die Werbung erwecke den Eindruck eines Gesundheits-Boosters, was laut Gesetz ebenfalls nur mit klaren Beweisen erlaubt ist. Foodwatch feiert das Urteil als Sieg für den Verbraucherschutz (Aktenzeichen 14 O 132/23).

Kind erhält 1 Million Euro Schmerzensgeld

Das Landgericht Göttingen hat ein Rekordurteil gefällt: Eine Million Euro Schmerzensgeld für ein Mädchen, das bei seiner Geburt 2016 schwerste Gesundheitsschäden erlitten hat.

Die Arzthaftungskammer des Gerichts stellt fest, dass dem Krankenhauspersonal mehrere grobe Fehler unterliefen. Weder die Hebamme noch der Arzt leiteten einen dringend notwendigen Notkaiserschnitt ein, obwohl der schlechte Zustand des Babys hätte erkannt werden müssen. Nach der Geburt wurde das Neugeborene nicht ausreichend überwacht, bekam zu wenig Sauerstoff, und der spezialisierte Notdienst der Universitätsmedizin Göttingen wurde nicht rechtzeitig gerufen.

Die Folgen sind dramatisch: Das Mädchen leidet an schwersten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, kann weder sprechen noch selbstständig essen und braucht rund um die Uhr Betreuung. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 12 O 85/21).

Kein Pali-Tuch in KZ-Gedenkstätte

Die Gedenkstätte Buchenwald darf Besuchern mit einer Kufiya – dem sogenannten Palästinensertuch – den Zutritt verweigern. Das hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht entschieden.

Eine Frau wollte mit dem Tuch die Gedenkstätte besuchen, wurde aber aufgrund der Hausordnung, die politische Symbole verbietet, abgewiesen. Ihr Eilantrag scheiterte bereits in erster Instanz, nun ist die Sache endgültig vom Tisch.

Das Gericht stellt klar: Die Besucherin wollte – auch nach eigenen Angaben – mit der Kufiya eine politische Botschaft gegen die nach ihrer Ansicht verwerfliche pro-israelische Haltung der Gedenkstätte senden. Das könne das Sicherheitsgefühl jüdischer und andersdenkender Besucher beeinträchtigen – gerade in Buchenwald, wo Tausende Juden ermordet wurden.
Das Hausrecht der Stiftung und ihr Auftrag, die Erinnerung an die NS-Opfer zu wahren, wiegt laut den Richtern schwerer als die Meinungsfreiheit der Klägerin (Aktenzeichen 3 EO 362/25).

Hilfe oder Totalkontrolle – Bewährungsbeschluss am Limit

Das Urteil in einer Strafsache war fair. Ich hätte gerne sofort auf Rechtsmittel verzichtet, wäre da nicht der Bewährungsbeschluss gewesen. Meinem Mandanten gibt die Strafkammer folgende Weisung mit auf den Weg:

Der Angeklagte hat von der Kammer beauftragten Amtsträgern der Gerichts-/Bewährungshilfe und von der Polizei auf Verlangen Einblick in die von ihm genutzten Datenträger zu gewähren.

Übersetzt bedeutet das: Während der Bewährungszeit, also in den nächsten drei Jahren, können Computer, Tablets, Mobiltelefon, Tablets, Datenspeicher etc. meines Mandanten kontrolliert werden. Ohne Vorankündigung. Jederzeit. Nicht nur durch den Bewährungshelfer. Sondern auch von der Polizei. Ich habe das starke Gefühl, diese Anordnung geht zu weit. Hier einige Gründe:

Das Gericht kann die Bewährung mit sogenannten Weisungen verknüpfen. Diese sollen dem Betroffenen Hilfe geben, um keine weiteren Straftaten zu begehen. Grundsätzlich macht eine gewissen Kontrolle in dem Fall schon Sinn, das will ich gar nicht abstreiten. Es handelt sich um von meinem Mandanten eingestandene Delikte, die „übers Internet“ begangen wurden. Eine gewisse Wiederholungsgefahr kann man da schon sehen, und dieser Gefahr kann natürlich auch mit einer Weisung begegnet werden. Die Grenze bei Weisungen in Bewährungsbeschlüssen ist allerdings in § 56c StGB recht klar formuliert:

Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

Für eine Unzumutbarkeit in diesem Sinn spricht schon, dass es sich um eine Art ständiger Überwachung handelt, jedenfalls aber um die Möglichkeit einer ständigen Überwachung. Dieser Kontrolldruck sitzt natürlich im Kopf des Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht sagt aber in mehreren Entscheidungen, dass der Druck durch Weisungen nicht die Resozialisierung gefährden darf, weil sonst die Mittel selbst den Zweck vereiteln. Das ist hier doch der Fall.

Es kommt auch hinzu, dass die Kontrollen weder nach Zeit noch nach Häufigkeit begrenzt sind. Außerdem verstehe ich auf Anhieb nicht, wieso ausgerechnet auch noch die Polizei quasi unbegrenzte Kontrollmöglichkeiten erhalten soll. Es ist doch gerade die Aufgabe der besonders geschulten Bewährungshelfer, den Betroffenen auf seinem Weg zu unterstützen. Von der Polizei vorgenommene Kontrollen wären faktisch Hausdurchsuchungen ohne Anfangsverdacht, also von der Eingriffsintensität etwas ganz anderes als ein Besuch vom Bewährungshelfer.

Insgesamt meine ich, dass das Gericht hier nicht mehr die vom Gesetz vorgesehene „Hilfe“ leistet, sondern sehr einseitig auf Kontrolle setzt und zwar mit übermäßigem Druck. Ich konnte auf die Schnelle in Urteilsdatenbanken keinen so weitgehenden Bewährungsbeschluss finden. Möglicherweise kann das Oberlandesgericht auf meine Beschwerde hin ein klein wenig Rechtsgeschichte schreiben.

Karikatur: wulkan

17 Monate Gerichtsverfahren sind (manchmal) zu lang

Schimmel, Mäuse, verdorbenes Essen: Lebensmittelkontrolleure stießen in einer hessischen Catering-Firma auf zahlreiche Missstände. Darauf dürfen die Behörden auch öffentlich hinweisen. Aber ist das auch noch 17 Monate nach der Kontrolle zulässig? So lange wartete das Amt nämlich mit der Warnung, weil die Firma gegen die Veröffentlichung klagte. Der Fall ging bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Lebensmittelaufsicht hatte wegen der Klage die Veröffentlichung zurückgestellt. Allerdings sieht das Gesetz vor, dass die Warnungen „unverzüglich“ erfolgen müssen. Die Frage war nun, ob die Prozessdauer mitgerechnet wird oder nicht. Dabei geht das Verfassungsgericht natürlich davon aus, dass Gerichtsverfahren einige Zeit dauern. Aber dass bis zum Urteil in der 2. Instanz in so einer Sache, wo das Tempo sogar im Gesetz steht, 17 Monate vergehen, hält das Gericht nicht mehr für vertretbar. Das Gesetz verlange eine schnelle Veröffentlichung, damit Verbraucher aktuell informiert sind und Unternehmen motiviert werden, sich an die Regeln zu halten. Nach 17 Monaten sage so eine Warnung aber nichts mehr über den aktuellen Zustand des Betriebs. Die Meldung erscheine dann eher wie eine nachträgliche Bestrafung für die Firma, die letztlich nur das Ansehen und den Umsatz des Betriebs schädigt. Eine Rolle spielte natürlich auch, dass die betroffene Firma die Gerichtsverfahren selbst nicht verzögert hat.

Die Warnungen selbst sind bis heute nicht veröffentlicht worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte nämlich eine einstweilige Anordnung erlassen und die Bekanntmachung untersagt, offenbar weil die Frage von grundsätzlicher Bedeutung erschien. Die Richter in Karlsruhe ließen sich dann auch selbst Zeit – ziemlich genau ein Jahr dauerte es bis zu ihrer Entscheidung. Der Prozess ist aber noch nicht nicht zu Ende. Die Sache wurde zu erneuter Entscheidung zurückverwiesen (Aktenzeichen 1 BvR 1949/24).

Lehrerin ist über 15 Jahre krank, will aber nicht zum Amtsarzt

Eine Lehrerin in Nordrhein-Westfalen hat seit 2009 keinen Klassenraum mehr von innen gesehen. Sie ist mittlerweile mehr als 15 Jahre krankgeschrieben, und die Landesverwaltung hat das anscheinend nicht sonderlich gestört. Erst im April 2025 ordnete der Dienstherr nun eine amtsärztliche Untersuchung an, um eine mögliche Rückkehr der Lehrerin in den Dienst zu prüfen. Doch die Betroffene fand das weniger gut, sie zog vor Gericht.

Nach so langer Zeit sei ihr eine Untersuchung nicht mehr zumutbar, argumentierte die Beamtin. Das Oberverwaltungsgericht Münster sieht dies jedoch anders. Unabhängig von der Frage, wieso die Frau überhaupt 15 Jahre ohne Überprüfung als dienstunfähig galt, verwirke der Dienstherr durch bloße Untätigkeit keine Rechte. Vielmehr sei es heute umso wichtiger zu prüfen, ob die Frau jemals wieder unterrichten kann. Auch die Untersuchung bei einem Psychiater hält das Gericht für zulässig. Die Beamtin habe selbst Atteste eines Zentrums für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt. Somit sei es kein unzulässiger Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht, die Untersuchung auch auf psychische Fragen zu erstrecken (Aktenzeichen 6 B 724/25).

Die Demokratie lässt sich nicht retten, indem man sie abschafft

In Ludwigshafen am Rhein hat der Wahlausschuss, ein Gremium lokaler Politiker, den AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul von der Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen. Begründung: Zweifel an seiner Verfassungstreue. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat diese Entscheidung gestern bestätigt und Pauls Eilantrag abgelehnt. Die Frage lautet: Was ist das Demokratieprinzip noch wert, wenn Kandidaten vorher nach politischer Opportunität ausgesiebt wurden?

Zunächst einmal ist der Wahlausschuss selbst hochproblematisch. Er setzt sich ausschließlich aus Politikern zusammen – Vertretern etablierter Parteien, die direkt oder indirekt Konkurrenz zu Paul darstellen. Hier entscheidet die Konkurrenz über ihre eigene Konkurrenz, was einen eklatanten Interessenkonflikt darstellt. So argumentiert etwa der Cicero-Magazin, dass der Ausschluss Pauls eine neue Phase im „Kampf für ‚unsere Demokratie'“ markiert, in der der Verfassungsschutz instrumentalisiert wird, um politische Gegner zu diskreditieren. Interne Dokumente, aus denen Cicero zitiert, deuten sogar darauf hin, dass die amtierende Oberbürgermeisterin aktiv beim Verfassungsschutz nach belastendem Material gefragt hat. Denunziation als Teil des demokratischen Prozesses. Wem dabei nicht unwohl wird, dem ist fast nicht zu helfen.

Noch kritischer ist die Rolle des Verwaltungsgerichts. Es hat Pauls Eilantrag abgewiesen mit der Begründung, dass eine Prüfung der Verfassungstreue so kurz vor der Wahl nicht machbar sei. Das Gericht stützt sich dabei rein auf die „Bedenken“ des Wahlausschusses und des Verfassungsschutzes, ohne konkrete Beweise zu fordern oder die Vorwürfe substanziell zu überprüfen. Dabei ist die vom Verfassungsschutz gelieferte Auftragsarbeit nicht mehr als die Zusammenstellung über das, was man zu Paul im Internet finden kann. Das Papier erhebt noch nicht mal den Anspruch auf Vollständigkeit. Das Verwaltungsgericht hätte an dieser Stelle problemlos einhaken und das Spektakel mit der Klarstellung beenden können, dass allenfalls Fakten zählen, die in ihrer Gesamtschau zwingend sind.

Stattdessen erlaubt das Verwaltungsgericht die Aufhebung des Demokratieprinzips und die Einschränkung des passiven Wahlrechts auf bloße, einseitige und eingestandermaßen unvollständige Vermutungen hin. Es priorisiert administrative Hürden und „Zweifel“ zu Lasten des Wählerwillens. Man muss es leider offen sagen: Solche Entscheidungen erinnern an autoritäre Praktiken in anderen Ländern, bei denen der Staat – oder besser: seine politischen Akteure – die Opposition vorab eliminiert und sich noch nicht einmal dafür schämt. In Ludwigshafen zeigt sich, was vom Prinzip der Volkssouveränität übrig zu bleiben droht, wenn der Ausschluss unliebsamer Kandidaten Schule macht.

Wir riskieren mittlerweile sehenden Auges, dass Wahlen zu einer Farce werden, in der nur „genehme“ Kandidaten antreten dürfen. Die Wähler verdienen mehr Respekt – und eine echte Wahl. Und für alle, die mittlerweile an jeder Ecke die „Faschisten“ sehen: Die Demokratie lässt sich nicht dadurch retten, dass man sie abschafft.

Jura in Leipzig ab sofort gendergerecht

Nach jahrelanger Diskussion sind die Würfelinnen gefallen: Jurastudenten studieren künftig nicht mehr an der Ju­ris­ten­fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Leip­zig, so der althergebrachte Name. Der Fachbereich nennt sich künftig Ju­ris­ti­sche Fa­kul­tät.

Der Hauptgrund für die Änderung ist der Wunsch der Universitätsführung nach einer geschlechtsneutralen Formulierung. Statt „Juristen“, was wohl als das generische Maskulinum anzusehen ist, weil Frauen unstreitig an der Fakultät studieren dürfen und seit Jahren sogar die Männer überwiegen, orientiert sich der neue Name laut offizieller Mitteilung am „fachlichen Kern“: dem Recht.

Die Entpersönlichung soll also irgendwie inklusiver wirken und den aktuellen Sprachgebrauch widerspiegeln – wer auch immer den ermittelt. Dekanin Katharina Beckemper, die erste Frau an der Spitze der fast 600 Jahre alten Institution, betont, der neue Name verbinde historische Tradition mit moderner Gleichstellung. Auch die Gleichstellungsbeauftragte Carolin Heinzel sieht die Umbenennung als „überfälliges Signal“, mahnt aber, dass echte Gleichstellung mehr braucht als nur Worte.

Die Umbenennung ist übrigens demokratisch vorbildlich vorbereitet worden. So gab es 2021 eine offizielle Umfrage zur Namensänderung. Bei dieser stimmten 42 % der Fakultätsangehörigen für die Namensänderung. Eine klare Minderheit von 58 % war dagegen

Sohn des Generalstaatsanwalts wird Staatsanwalt – trotz mauer Noten

In Schleswig-Holstein sorgt eine Personalie für Wirbel: Der Sohn des Generalstaatsanwalts Ralf Peter Anders wurde trotz fehlender Prädikatsexamina in den höheren Justizdienst des Landes aufgenommen. Das führt zu Diskussionen, nicht nur in Fachkreisen.

Normalerweise braucht man in Schleswig-Holstein für eine Stelle als Staatsanwalt oder Richter mindestens neun Punkte in beiden juristischen Staatsexamina, also ein sogenanntes Doppelprädikat. Das steht so zumindest auf der Website des Landes. Doch der Sohn des seit 2024 amtierenden Generalstaatsanwalts wurde zum 1. August eingestellt – mit nur 7,01 Punkten im ersten und 7,1 Punkten im zweiten Examen. Zusammen macht das knapp über 14 Punkte, was deutlich unter den üblichen Anforderungen liegt. Das Justizministerium bestätigte die Einstellung, schwieg aber zu den Noten mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte. Aus der Staatsanwaltschaft kam Kritik, berichtet beck-online: Anonyme Stimmen werfen dem Ministerium „vorauseilenden Gehorsam“ vor und fragen, ob Bewerber ohne prominente Familienverbindung überhaupt eine Chance auf ein Vorstellungsgespräch gehabt hätten.

Das Justizministerium wiegelt ab. Prädikatsexamina seien nicht das einzige Kriterium. Laut Pressesprecher Christian Kohl spielen auch berufliche Vorerfahrungen, Zusatzqualifikationen wie eine Promotion oder gute Stationszeugnisse eine Rolle. Die Examensnoten seien nur ein Ausgangspunkt, die Summe der Punkte kein festes Kriterium. Das klingt nach einer flexiblen Auslegung. Es macht aber die Angaben auf der Webseite des Landes reichlich verwirrend, die weiter von mindestens neun Punkten sprechen. Offenbar wurde im Fall des Generalstaatsanwalt-Sohnes von dieser Prädikatsregel abgewichen, vermutlich – oder aus Sicht der Verantwortlichen hoffentlich – wegen solch überwältigender Zusatzqualifikationen. Genauere Angaben dazu gibt es aber nicht.

beck-online hat beim Ministerium die zurückliegende Einstellungspraxis abgefragt. Von 2016 wurden demnach bis heute 414 Personen in den höheren Justizdienst aufgenommen, darunter viele ohne Doppelprädikat. 271 hatten im ersten Examen mindestens neun Punkte, 224 im zweiten. 142 bzw. 189 Personen wurden mit „befriedigend“ eingestellt. Für den Zeitraum Juli 2024 bis Juli 2025 gibt das Ministerium an, dass keine der 27 Neueinstellungen eine Gesamtpunktzahl von 14 Punkten oder weniger hatten.

Der schleswig-holsteinische Richter Dirk Meisterjahn kritisiert auf Instagram öffentlich, dass die irreführenden Angaben auf der Landeswebsite Bewerber benachteiligen. Wer sich auf die offiziellen Infos verlässt, könnte denken, mit weniger als Doppelprädikat habe man keine Chance – und sich gar nicht erst bewerben. Es bleibt bis zum Beleg des Gegenteils zumindest der Eindruck, dass familiäre Verbindungen möglicherweise mehr zählen als Noten.

Die Sache ist sicherlich noch nicht ausgestanden.

Hinweis: Der ursprüngliche Artikel wird hiermit wegen eines inhaltlichen Fehlers leicht geändert neu veröffentlicht. Vielen Dank an das schleswig-holsteinische Justizministerium für die Aufklärung.

Karikatur: wulkan

US-Regierung: Meinungsfreiheit ist in Deutschland gefährdet

Der aktuelle Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums wirft Deutschland vor, bei der Meinungsfreiheit nicht immer sauber zu arbeiten. Konkret genannt werden Fälle, in denen Beleidigungen oder kritische Posts in sozialen Medien strafrechtlich verfolgt wurden – etwa das Meme gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das einem Journalisten eine Bewährungsstrafe einbrachte. Der jährliche Bericht mit dem Titel „2024 Country Reports on Human Rights Practices“ sieht eine potenzielle Gefahr für die freie Meinungsäußerung, weil solche Verfahren abschreckend wirken.

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt, aber es gibt Grenzen, etwa bei Beleidigung oder Volksverhetzung. Das US-Außenministerium kritisiert, dass die Durchsetzung dieser Gesetze mitunter zu weit geht und die Meinungsfreiheit einschränkt. Besonders die Verfolgung von Online-Äußerungen steht im Fokus.
US-Außenminister Marco Rubio fordert Deutschland auf, sensibler zu agieren und die Balance zwischen Schutz vor Beleidigungen und freier Meinungsäußerung besser zu wahren. Ähnlich hat sich auch schon der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance geäußert. Auch Frankreich und Großbritannien kommen in dem Bericht nicht gut weg. Der Bericht attestiert Deutschland erstmals ausdrücklich „erhebliche Menschenrechtsprobleme“.

Hakenkreuz-Politiker wird nicht bestraft

Bis vor kurzem war Daniel Born Vizepräsident des Landtags in Baden-Württemberg. Dann wurde der Politiker dabei erwischt, wie er bei einer geheimen Abstimmung neben den Namen eines AfD-Kandidaten ein Hakenkreuz auf den Stimmzettel malte. Nun steht fest: Der SPD-Politiker wird für sein Verhalten nicht bestraft. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Tatverdacht und stellt das Strafverfahren ein.

Ich habe den Fall schon nach Bekanntwerden juristisch bewertet und Folgendes geschrieben:

Allerdings verlangt § 86a StGB als Tathandlung ein „Verbreiten“. Der Besitz eines Hakenkreuzes, zum Beispiel in einem Buch, ist nicht strafbar. Selbst zum Beispiel ein Besucher in der eigenen Wohnung das Hakenkreuz im Buch betrachtet. Verbreiten setzt vielmehr voraus, dass der Inhalt an einen „größeren, für den Täter nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis“ gelangt oder gelangen soll. Die Zahl Landtagsmitarbeiter oder Abgeordneten, die Stimmzettel auszählen, dürfte doch eher überschaubar sein. Das wird für ein Verbreiten eher nicht reichen. Somit bleibt nur eine weitere Möglichkeit: dass der Täter eine Weitergabe durch die betreffenden Personen wünscht oder sogar ausdrücklich anstößt. Auf so viel Zuspruch konnte der Politiker aber sicherlich nicht vertrauen.

Auch die Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass das vom Gesetz geforderte Verbreiten nicht vorliegt, weil das in Frage kommende Publikum – also die Stimmzähler – sicherlich kein größerer Personenkreis ist. Born will sein Landtagsmandat übrigens behalten. Es gab zuletzt auch Stimmen aus seiner ehemaligen Fraktion, dass jeder eine zweite Chance verdient.