Überwachung made in USA: Pro Mensch eine Festplatte
Auch Gefangene sollen online gehen – ein bisschen
„Gebt mir meine weißen Mäuse zurück“
Handybesitzer dokumentiert prügelnde Polizisten
Wer kinderpornografische Texte besitzt oder einem engen Kreis von Dritten zugänglich macht, begeht keine Straftat. Das hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung klargestellt. Das Gericht sprach einen Mann frei, der einem Bekannten einen Text zugeschickt hatte, in dem er detailliert sexuelle Handlungen an einem Kind schildert.
Der Bundesgerichtshof stellt sich damit gegen Juristen, die der Meinung sind, dass auch Texte “ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben” können, wie es das Gesetz ausdrücklich fordert.
Das ist nach Auffassung der Richter gerade nicht der Fall. Zwar könnten auch Texte einen gewissen Realitätsbezug haben, insbesondere wenn sie auf ein tatsächliches Geschehen Bezug nehmen. Tatsächlich hatte der Angeklagte einen Kindesmissbrauch geschildert, den er wohl tatsächlich begangen hat.
Allerdings entnimmt der Bundesgerichtshof der Gesetzesgeschichte, ein “tatsächliches Geschehen” meine, dass der Missbrauch durch Videofilm, Film oder Foto dokumentiert wird. Romane, Zeichnungen und Zeichentrickfilme seien dagegen von vornherein nicht gemeint gewesen. Deren Besitz trage nämlich nicht dazu bei, dass Kinder als “Darsteller” bei pornografischen Aufnahmen missbraucht werden.
Auch mit dem Tatbestand des “wirklichkeitsnahen” Geschehens sei nicht beabsichtigt gewesen, Texte zu kriminalisieren. Die Vorschrift sei lediglich so gefasst worden, um Beweisschwierigkeiten bei Kinderpornografie auszuräumen, die möglicherweise virtuell entstanden ist.
Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, es sei keine klare Abgrenzung möglich, wann ein Text ein Geschehen “wirklichkeitsnah” wiedergibt. Es bedürfe eines “rechtlich kaum fassbaren Gesamteindrucks”, der objektiv wohl kaum zu erzielen ist.
Damit müssen Strafverfolger künftig keine Texte mehr studieren um festzustellen, ob diese Kinderpornografie enthalten. Denn selbst wenn das der Fall ist, fehlt es laut Bundesgerichtshof jedenfalls an einem "tatsächlichen” oder “wirklichkeitsnahen” Geschehen.
Die Einschränkung gilt allerdings nur für den Besitz oder die Besitzverschaffung an (einzelne) Dritte, also die Weitergabe in einem überschaubaren Kreis. Die Verbreitung von kinderpornografischen Texten bleibt weiter strafbar, wenn dies über Tauschbörsen oder Internetforen geschieht.
Erhebliche praktische Bedeutung kann die Entscheidung auch für den Bereich der Jugendpornografie haben. Da die Vorschriften ähnlich formuliert sind, werden Texte, die sexuelle Handlungen oder gar den Missbrauch 14- bis 17-jähriger schildern, künftig ebenfalls nicht verfolgt werden können (Beschluss vom 19. März 2013, Aktenzeichen 1 StR 8/13).
Nach dem harten Urteil ist oft vor dem Anwaltswechsel. Ist ja auch klar, wenn die Sache aus Sicht des Mandanten in die Hose gegangen ist. Allerdings überrascht es mich immer wieder, auf welch wackeliger Basis Angeklagte mitunter die Leistungen ihres bisherigen Verteidigers beurteilen – sie kennen nämlich nicht mal die Ermittlungs- und Gerichtsakte.
Kaum einer kauft sich ein Smartphone oder gar ein Auto, ohne vorher ein paar Prospekte oder Tests zu lesen. Aber wenn eine Verurteilung im Raum steht, sind Mandanten mitunter überraschend genügsam. So suchte mich vor kurzem ein Mann auf, der zwei Jahre Haft kassiert hatte, wenn auch zur Bewährung. Er wollte eine “zweite Meinung” zu der Frage hören, ob eine Berufung aussichtsreich ist.
Das ist, wie gesagt, nicht ungewöhnlich. Zum Spiel gehört auch, dass der Betroffene seine bisherigen Anwälte erst mal nicht grundlos verschrecken will, indem er einen weiteren Verteidiger ins Boot nimmt. Deshalb läuft es dann meist auf eine diskrete Beratung hinaus. Die endet bei mir durchaus auch so, dass ich dem Mandanten nahelege, bei seinem bisherigen Verteidiger zu bleiben. Weil der nach meiner Meinung gut gearbeitet hat.
Das mit der Diskretion geht allerdings nur, wenn der Mandant über die Ermittlungsakte verfügt. Ansonsten muss ich die Akte nämlich beim Gericht anfordern. Das betreffende Schreiben sieht dann natürlich auch der bisherige Verteidiger. Manche nehmen das gleich persönlich, was dann meist auf dem Rücken des Mandanten abgeladen wird.
Ich fragte den Mandanten also nach einer Kopie der Ermittlungsakte. “Die kenne ich nicht”, sagte er. “Sollte ich?” Es stellte sich heraus, dass ihm sein Verteidiger bislang zwar in längeren Besprechungen einiges erzählt hat. Die Gerichtsakte hatte er jedoch nicht aus der Hand gegeben. Und der Mandant hat sich nicht zu fragen getraut, ob er eine Kopie kriegen kann.
Daneben bin ich auch schon Anwälten begegnet, die ihren Auftraggebern die Akte offensiv verweigern. Sie dürften die Unterlagen nicht rausgeben, heißt es dann. Die Begründungen sind unterschiedlich. Aber alle stehen sie nicht auf dem Boden der Rechtslage.
Die ist nämlich eindeutig, und zwar von der Strafprozessordnung bis hinunter zum Standesrecht. Ein Verteidiger darf seinem Mandanten alle Unterlagen geben, die er von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht erhalten hat. Der Anwalt hat nicht das Recht, seinem Mandanten irgendwelche Papiere vorzuenthalten, die er in seinem Auftrag erhalten hat.
In ganz wenigen Fällen untersagt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Weitergabe an den Mandanten, zum Beispiel weil möglicherweise Dritte gefährdet werden. Aber das kommt wirklich nur ganz selten vor. Auch hier muss man sich als Anwalt dann fragen, ob so ein Verbot gerechtfertigt ist. Das ist eine Frage des Einzelfalls.
Es ist also schon grenzwertig, wenn Anwälte ihren Mandanten die Ermittlungsakte nicht von sich aus anbieten. Wenn der Mandant das dann ablehnt, weil er die Kopierkosten scheut oder Unterlagen nicht zu Hause haben will, ist das natürlich seine Entscheidung.
Was allerdings gar nicht geht, ist die Vorenthaltung der Akte unter fadenscheinigen Gründen. Auch wenn einem als Anwalt vielleicht daran gelegen ist, eventuelle Deutungshoheit durch einen Wissensvorsprung zu erhalten, rechtfertigt das keine Irreführung des Mandanten.
Im erwähnten Fall muss nun der Auftraggeber entscheiden, wie er an die Ermittlungakte kommt. Ich bin gespannt, wie der betreffende Kollege reagiert. Nicht dass er sich am Ende noch des Mandats beraubt, bloß weil er wie eine Glucke auf den Papieren sitzenbleibt.
Ich persönlich wundere mich ja immer über diesen Düsseldorfer Radarwagen, in dem ein friedlich schlafender Beamter sitzt. Zumindest erweckt er – und das nicht nur bei mir – diesen Eindruck. Bei Gelegenheit muss ich mal ein Beweisfoto schießen. Getraut habe ich mich bisher nicht, aber ich kann mir ja am stellvertretenden Utechter Bürgermeister Johannes Ellmann ein Vorbild nehmen.
Der Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern hat vorgestern kurzerhand eine mobile Radarfalle blockiert, indem er seinen Land Rover vor dem Messgerät parkte. Damit wehrt sich Ellmann gegen eine Temporegelung in seiner Gemeinde, die ihm eher als “Abzocke” erscheint.
Der 2. Bürgermeister beklagt einen kaum noch zu durchschauenden Schilderwald, in dem plötzlich 50 statt 60 km/h gelten, was er für schlicht nicht nachvollziehbar hält. Außerdem stehe die – sehr gut getarnte – Radarfalle in einer Rechtskurve. Hier würden Auto- und Motorradfahrer durch den Blitz erschreckt und verlören möglicherweise die Kontrolle über ihr Fahrzeug.
Mit seinem Protest hatte Ellmann sogar Erfolg. Der Messbeamte forderte den stellvertretenden Bürgermeister zwar auf, das Schussfeld für seine Kamera freizumachen. Als das nichts half, holte er die Polizei. Doch die stellte sich erst mal auf Seiten des Bürgermeisters.
Die Polizisten schickten den Messbeamten zurück zum Landkreis Nordwestmecklenburg, der für Geschwindigkeitskontrollen und Verkehrsschilder zuständig ist. Er sollte dort schöne Grüße ausrichten – auch den Polizisten komme das Tempolimit unlogisch vor. Der Messbeamte musste seine Anlage also abbauen, da Ellmann erst dann sein Auto wegparken wollte.
Ob sich nun in Utecht was ändert oder ein weiterer Showdown bevorsteht, wird sich zeigen.
Bei den einen ist Containern schlichte Not, bei anderen auch politische Demonstration. Jedenfalls ist Selbstbedienung aus den Abfallbehältern der Lebensmittelmärkte gesellschaftliche Realität. Und zu dieser muss sich früher oder später auch die Justiz äußern.
Ist Containern strafbar oder nicht? Das Landgericht Aachen fällte nun zwar kein wegweisendes Urteil, aber die Richtung ist klar: Wer Lebensmittel aus dem Abfalleimer fischt, muss keinen sonderlich großen Ärger mit der Justiz fürchten.
Die Geschichte beginnt vor einem Rewe-Markt in Düren. Dort bedienen sich eine 21-Jährige und ein 28-Jähriger nachts am Abfallcontainer des Supermarktes. Eine Nachbarin hält das für einen Einbruchsversuch und ruft die Polizei. Diese stellt die Personalien der Verdächtigen fest.
Dass es im Anschluss überhaupt zu einem Prozess kam, dürfte der Rewe-Markt mitverschuldet haben. Dessen Leiter stellte nämlich Strafantrag. Ohne solch einen Antrag wäre jedenfalls schon mal eine Straftat außen vor geblieben: der denkbare Hausfriedensbruch.
Ohne dass der Inhaber des Hausrechts nämlich ausdrücklich eine Strafverfolgung wünscht, kann die Justiz einen Hausfriedensbruch nicht ahnden. Interessanterweise nahm der Rewe-Markt den Strafantrag erst kurz vor der Berufungsverhandlung zurück und löste so eine “Sperre” für die Strafverfolger aus. Das Amtsgericht Düren hatte die Containerer noch zu Geldstrafen, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, verurteilt.
Der Strafantrag hat Rewe offensichtlich Publicity beschert. Ob diese allerdings gewünscht war, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat das Unternehmen noch in letzter Sekunde die Kurve gekriegt. In den Hauptverwaltungen der deutschen Lebensmittelkonzerne wird das sicher Nachhall finden. Wahrscheinlich wird man sich mit Strafanträgen gegen Containerer künftig eher zurückhalten, schon wegen der angesprochenen politischen Dimension.
Etwas komplizierter ist es mit dem Diebstahl. Es ist juristisch umstritten, ob die Selbstbedienung aus einem Abfallcontainer tatsächlich ein Diebstahl ist. Immerhin will sich der Supermarkt seiner Waren ja entledigen. Das kann man als Aufgabe des Eigentums interpretieren, muss es aber nicht. (Allerdings hätte die Polizei bundesweit sehr viel zu tun, ginge sie auf dieser juristischen Grundlage gegen Sperrmüllsammler vor.)
Geht man von einem Diebstahl beim Containern aus, hindert der fehlende Strafantrag allerdings die Verfolgung nicht unbedingt. Liegt der Wert der Sachen über 50 Euro, kann die Staatsanwaltschaft stets die Tat von sich aus verfolgen; eines Strafantrags bedarf es dann nicht.
Aber selbst bei geringwertigen Sachen – Wert bis etwa 50 Euro – kann die Staatsanwaltschaft auch ohne einen Strafantrag vorgehen. Es hängt stets von ihrem Ermessen ab, ob sie ein “besonderes öffentliches Interesse” bejaht. Tut sie dies, spielt ein eventuell nicht gestellter Strafantrag gar keine Rolle mehr.
Vor dem Landgericht Aachen zeigte die Staatsanwaltschaft immerhin Augenmaß. Auf Vorschlag des Richters erklärten die Strafverfolger und Rewe, dass sie auf eine Verfolgung keinen Wert legen. Und die Containerer bestanden – auch das ein kluger Schachzug – nicht auf einem Urteil, sondern erklärten sich mit einer Einstellung einverstanden.
Manchmal ist es vielleicht auch wirklich besser, Präzedenzurteile zu vermeiden. Mit dem jetzigen Ergebnis können alle Seiten leben. Ohnehin ist die Strafjustiz ein denkbar ungeeigneter Ort, um die Fragen zu beantworten, die politisch motiviertes Containern aufwirft.
Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Diese vermeintliche Wahrheit greift zu kurz – wenn es um unsere (Grund-)Rechte geht. Überwachung und Kontrolle wirken nämlich nicht nur, wenn jemand tatsächlich als “Verdächtiger” ermittelt wird.
Schon die realistische Befürchtung, wegen etwas auffallen zu können, beschneidet die Rechte des einzelnen spürbar. Wer befürchten muss, wegen eines Verhaltens in ein behördliches Raster zu geraten, wird dieses Verhalten künftig tunlich unterlassen – obwohl genau dieses Verhalten gegen gar kein Gesetz verstößt.
Das ist der sogenannte “Chilling Effect”, den wir spätestens seit der Vorratsdatenspeicherung kennen (und den auch das Bundesverfassungsgericht ernst nimmt). Wenn ich zum Beispiel – und sei es auch noch so entfernt – damit rechnen kann, dass ein Gespräch mit einem Bekannten Komplikationen auslösen kann, weil dieser “Youssuf” heißt, dann rufe ich ihn halt im Zweifel nicht mehr an. Auch wenn Youssuf der liebste Mensch der Welt ist. Aber was weiß ich von seinem in England lebenden Cousin?
Einschüchterung durch Kontrolle – dieser kalte Hauch weht auch durch einen Beschluss, welchen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erlassen hat. Darin erklären es die Richter für zulässig, dass die Polizei die Personalien von Menschen aufnimmt, die rein gar nichts verbrochen haben. Außer, dass sie erlaubterweise Polizisten im Einsatz fotografiert haben, etwa bei Demonstrationen.
Ausgangspunkt war eine Initiative, die sich dagegen wehrt, dass die Polizei in vielen Städten ständig Demonstrationen filmt – obwohl dies häufig rechtswidrig geschieht. Die Betroffenen filmten daraufhin schlicht zurück, was bei der Polizei erwartungsgemäß schlecht ankam. Die Beamten nahmen deshalb die Personalien der Fotografin und eines Begleiters auf.
Nun ist es juristisch mittlerweile klar, dass Polizisten sich im Einsatz filmen lassen müssen. Es gibt keine speziellen Fotografierverbote gegenüber Beamten. Ganz im Gegenteil. Polizisten im Dienst treten als Mitarbeiter des Staates auf, sie repräsentieren die öffentliche Gewalt, und ihr Handeln unterliegt einer entsprechend strengeren Kontrolle – auch durch die Kameras von Menschen, die sich nicht auf die Pressefreiheit berufen können.
Gleichwohl ist es im Regelfall nicht erlaubt, Porträts von Polizisten im Einsatz zu veröffentlichen, diese etwa ins Internet zu stellen. Das untersagen entsprechende Regelungen des Kunsturheberrechtsgesetzes. Im Grundsatz ist das nachvollziehbar – auch Beamte geben ihre Persönlichkeitsrechte nicht an der Spindtüre ab.
Die Richter am OVG Lüneburg halten die Feststellung der Personalien von Menschen, die Polizisten fotografieren, für zulässig. Es bestehe nämlich die Möglichkeit, dass Nahaufnahmen von Beamten veröffentlicht werden. Schon diese “Gefahr” reiche aus, damit die Beamten sich den Ausweis zeigen lassen und die Daten notieren dürfen.
Darin liegt das Gericht aber falsch. Rechtsanwalt Thomas Stadler hat bereits begründet, warum es durchaus Situationen geben kann, in denen die Veröffentlichung solcher Bilder zulässig ist.
Davon unabhängig finde ich es bemerkenswert, wie wenig das Oberverwaltungsgericht Lüneburg auf die Rechte des einzelnen gibt. Für die Richter ist es lediglich eine “vorgeschaltete” und damit völlig harmlose Maßnahme, wenn ein Bürger gegen seinen Willen seine Identität festhalten ( = speichern) lassen muss, obwohl er gar nichts Verbotenes getan hat.
Es wäre schon sinnvoll, wenn sich das Gericht auch mal über den eingangs erwähnten Chilling Effect Gedanken machen würde. So harmlos kommt es nämlich beim Bürger nicht an, wenn er sich erfassen lassen muss für ein Verhalten, an dem grundsätzlich erst mal nichts auszusetzen ist. Der eine oder andere wird herzlich gern darauf verzichten, künftig eben dieses Recht in Anspruch zu nehmen, auf Demonstrationen zurück zu filmen, wenn er allein deswegen in einer Datenbank landen kann.
Aber womöglich ist es ja genau das, was die Richter letztlich wollen. Daraus wiederum kann man als Bürger dann auch seine Schlüsse ziehen – derzeit (hoffentlich) noch ohne Erfassung (Beschluss vom 19. Juni 2013, Aktenzeichen 11 LA 1/13).
Wenn die Polizei bei einer Straftat gar nicht oder nur schlampig ermittelt, darf dies nicht zu Lasten des Opfers gehen. Mit dieser Begründung verpflichtet das Sozialgericht Düsseldorf das Land NRW, dem mutmaßlichen Opfer eines tätlichen Angriffs eine Rente zu zahlen.
Der Mann hatte angegeben, er sei morgens in einem Kölner Bordell mit einem Baseballschläger attackiert worden, vermutlich von einem Türsteher. Tatsächlich musste er auf die Intensivstation, dort wurden schwere Schädelverletzungen festgestellt, unter anderem ein Basisbruch. Ein Zeuge bestätigte den Vorfall und beschrieb auch den möglichen Täter.
Die Polizei blieb aber merkwürdig untätig. Zwar besuchte ein Kriminalkommissar das Opfer im Krankenhaus, dann tat sich aber erst mal gar nichts. Grund dafür soll eine Anweisung des zuständigen Kriminalkommissariats gewesen sein, den Fall “nicht sofort zu bearbeiten”.
Ungefähr drei Tage später rief dann immerhin mal ein Polizist in dem Bordell an. Dort bestätigte man ihm, einen “Vorfall” habe es nicht gegeben. Tagelang tat sich nichts, und auch danach blockte die Polizei jede Ermittlung ab – obwohl ein Staatsanwalt mehr Aktivität verlangt hatte.
Die Beamten bemühten sich nicht, mögliche Videoaufnahmen des Vorfalls zu bekommen. Sie suchten auch nicht nach dem Taxifahrer, der das Opfer ins Krankenhaus gebracht haben soll. Ebenso wenig kamen sie auf den Gedanken oder setzten ihn jedenfalls nicht um, die Türsteher des Etablissements zu befragen oder nach anderen Zeugen zu forschen.
Für das Sozialgericht ist das Verhalten der Polizei schlicht nicht nachvollziehbar. Es habe konkrete Hinweise auf eine schwere Gewalttat, möglicherweise sogar auf eine versuchte Tötung gegeben. Dennoch sei der Vorfall als nicht dringend eingestuft worden – obwohl die Polizei zu der fraglichen Zeit noch nicht mal durch andere Einsätze gebunden gewesen sei. Bei so einem Verdacht müsse die Polizei sofort an den Tatort fahren und ermitteln.
Tatsächlich hat die Polizei sogar in der Folgezeit schlicht nicht weiter ermittelt. So kritisiert das Sozialgericht, selbst die Handlungsaufforderungen durch die Staatsanwaltschaft seien ignoriert worden; konkret ist nach Auffassung des Sozialgerichts rein gar nichts passiert.
Für den Betroffenen hat das alles nicht nur die unangenehme Folge, dass der mögliche Täter bis heute unbekannt ist. Die Rentenbehörde verweigerte ihm auch eine Opferentschädigung in Form einer Rente. Und zwar mit der lapidaren Begründung, er habe den Angriff ja nicht nachweisen können.
Das geht nach Auffassung des Sozialgerichts jedoch nicht. Wenn die Polizei – aus welchen Gründen auch immer – so krass versage, verbleibe die Beweislast für eine Straftat nicht beim Opfer. Vielmehr müsse bei so schlampigen Ermittlungen dem Betroffenen geglaubt werden. Er habe wegen seiner Verletzung ja auch selbst kaum eine Möglichkeit gehabt, eventuelle Beweise zu sichern (Urteil vom 13. Juni 2013, Aktenzeichen S 35 VG 21/10).
An die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Der Kündigende muss nicht unbedingt den exakten Zeitpunkt angeben, an dem das Arbeitsverhältnis nach seiner Auffassung endet.
Mit dieser Begründung wies das Bundesarbeitsgericht nun die Klage einer Frau ab, die lange Jahre in einem Unternehmen beschäftigt war. Der Insolvenzverwalter hatte ihr gekündigt, und zwar “zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Danach erläuterte der Insolvenzverwalter etwas umständlich, die an sich geltende Kündigungsfrist verkürze sich wegen der gesetzlichen Sonderregeln in Pleitefällen auf höchstens drei Monate, wobei er offenließ, ob es auch weniger als drei Monate sein könnten. Einen konkreten Endtermin nannte er überhaupt nicht.
Die Mitarbeiterin wollte die Kündigung so nicht akzeptieren, da die Erklärung zu unbestimmt sei. Während die Vorinstanzen der Frau noch recht gaben, wollte das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an eine Kündigung nicht überspannen. Es genüge, so die Richter, dass der Arbeitnehmer den Endzeitpunkt seines Arbeitsverhältnisses “unschwer” ermitteln kann – auch wenn er dafür in Gesetze oder Tarifverträge schauen muss.
Auf der sicheren Seite ist man als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer auf jeden Fall, wenn man in die Kündigung den berechneten Endtermin reinschreibt oder ganz klar angibt, welche Kündigungsfrist maßgeblich ist (Urteil vom Urteil vom 20. Juni 2013, Aktenzeichen 6 AZR 805/11).
Die Polizei hat nach eigener Einschätzung eine rätselhafte Serie von Schüssen auf deutschen Autobahnen aufgeklärt. Ein Lkw-Fahrer soll seit Juli 2008 in mehr als 700 Fällen Autotransporte und andere Fahrzeuge beschossen haben.
Nach einer groß angelegten Fahndung wurde gestern ein 57-jähriger Mann an seinem Wohnort in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Der Berufskraftfahrer soll für eine Spedition gearbeitet haben und beim Zugriff der Polizei gerade zu einer Tour aufgebrochen sein.
Die Schüsse des Verdächtigen haben nicht nur Sachschäden verursacht. So wurde, vermutlich durch einen Querschläger, eine Pkw-Fahrerin getroffen und schwer verletzt. Zuletzt rüstete der Verdächtige auf Kaliber 9 mm auf. Das erhöhte laut den Fahndern die Verletzungsgefahr ganz enorm.
Ein öffentlicher Fahndungsauruf und die Gründung einer länderübergreifenden Einsatzgruppe könnten nun Erfolg gehabt haben. Soweit bislang bekannt, setzten die Beamten verdeckte Kennzeichenlesegeräte ein und überprüften Handydaten auf den möglichen Tatstrecken.
Hierbei dürften riesige Datenmengen angefallen sein, denn oft war nach Angaben der Polizei gar nicht mehr feststellbar, wo die Schüsse abgegeben wurden. Die Schäden wurden meist erst bemerkt, wenn die Autotransporter ihr Ziel erreichten. Ob Mautdaten verwendet wurden, ist eine weitere Frage. An sich ist das nämlich strikt verboten.
Das Amtsgericht Würzburg hat gegen den Verdächtigen Haftbefehl erlassen. Laut BKA sind bei ihm Waffen sichergestellt worden. Medien berichten außerdem, der 57-Jährige lege gerade ein Geständnis ab.
Die Polizei war da. Mein Mandant aber nicht zu Hause. Bei der Ehefrau hinterließ der Beamte die Bitte, mein Mandant möge sich melden. Das tat er auch. Per Mail. Er wolle sich nicht äußern, schrieb mein Mandant.
Er fügte hinzu, er möchte auf jeden Fall erst mal wissen, um was es eigentlich geht. Je nach Auskunft werde er dann entscheiden, ob er vielleicht doch was sagen will. Ins Blaue hinein wolle er jedenfalls keine Angaben machen.
Ins Detail gehen wollte aber wiederum der Polizist nicht. Er schrieb, der Fall sei eher kompliziert, aber der Mandant müsse sich nicht sorgen: “Sie kommen nur als Zeuge in Betracht.” Als Zeuge habe mein Mandant aber “gewissen Mitwirkungspflichten”. Diese Pflichten, so heißt es in der Mail, wolle er meinem Mandanten in einem persönlichen Termin erläutern.
Die Erläuterung wäre notgedrungen kurz ausgefallen, wenn die Polizei sich an die Spielregeln hält. Es gibt in Strafverfahren nämlich keine Mitwirkungspflichten von Zeugen gegenüber der Polizei – jedenfalls soweit es um Aussagen geht. Da ein Zeuge ohnehin nichts sagen muss, braucht er auch nicht auf einer Polizeiwache zu erscheinen. Und ebenso darf er einem Polizeibeamten, der zu ihm kommt, höflich die Tür vor der Nase schließen – auch wenn es in Krimis regelmäßig anders dargestellt wird. Von daher müsste die altbekannte Vorladung übrigens auch eher “Einladung” heißen.
Für mich klingt das alles so, als sei man vielleicht doch nicht ganz sicher, ob mein Mandant was mit dem Vorfall zu tun hat. Die Hoffnung liegt wahrscheinlich darin, dass er sich selbst um Kopf und Kragen redet. Oder dass er im Eifer des Gefechts doch ausplaudert, wer der Bösewicht sein könnte. Sofern der Mandant es weiß. Was ich nicht weiß.
Na ja, ich habe mich jetzt für den Betroffenen mal bei der Polizei gemeldet. Soll der Beamte mir im Zweifel erklären, was es mit den ominösen “Mitwirkungspflichten” auf sich hat. Wenn er mich überzeugt, dass da was dran ist, werde ich natürlich Abbitte leisten und brav mit meinem Mandanten auf der Wache erscheinen.
Unser tägliches Juristendeutsch gib uns heute. Diesmal die Notiz eines Staatsanwalts:
Die Akte war zeitweise in Verstoß geraten und konnte nunmehr wieder aufgefunden werden.
Das law blog macht eine kleine Pause.
Ab dem 24. Juni, also in zwei Wochen, geht es weiter.
Für reichlich Freude bei deutschen PayPal-Kunden sorgte in den letzten Stunden eine E-Mail. PayPal teilte darin mit, der Kunde habe 500 Euro gewonnen. Auch wenn die Mail wohl echt ist, werden die Empfänger vergebens auf ihr Geld warten. Denn laut PayPal handelte es sich um einen technischen Fehler.
Dabei ist die Mail echt – so viel steht schon fest, denn PayPal hat den Versand mittlerweile eingeräumt. PayPal veranstaltet derzeit auch wirklich ein Gewinnspiel. Wer innerhalb des Aktionszeitraum via PayPal zahlt, nimmt automatisch an der Verlosung der Geldgewinne teil. Dennoch ist es laut PayPal für die Gewinnauszahlung noch viel zu früh. Denn laut der Firma hat die Auslosung noch gar nicht stattgefunden. Die (Massen-)Mail mit der frohen Botschaft sei versehentlich verschickt worden.
Auch wenn PayPals Mitteilung nachvollziehbar klingt und die Zahlungsverweigerung verständlich ist, ganz so einfach wird ein Rückzieher es für das Unternehmen möglicherweise nicht sein. Es gibt nämlich einen Paragrafen, der Gewinnzusagen für verbindlich erklärt und dem Empfänger einen klagbaren Anspruch auf das Geld gibt. Dabei kommt es an sich nur darauf an, ob der Adressat die Mitteilung ernst nehmen durfte. Und das ist bei der Mail durchaus der Fall.
Allerdings muss eine Firma nicht an die Gewinnzusage gebunden sein, wenn sie diese nachweislich gar nicht versenden wollte, etwa weil ein Mitarbeiter den falschen Verteiler angeklickt hat. Solche Fälle gibt es ja auch häufig, wenn Versandhäuser falsche Preise auszeichnen, Produktbilder oder –beschreibungen vertauschen. Das sind dann juristisch gesehen Irrtümer. Sie berechtigen das Unternehmen im Regelfall zumindest zur Anfechtung. Ist diese erfolgreich, löst sich vermeintliche Anspruch in Luft auf.
Ob und wie Paypal die Anfechtung erklärt, wird sich zeigen. Eine öffentliche Entschuldigung reicht jedenfalls nicht aus, vielmehr muss PayPal jeden betroffenen Kunden direkt anschreiben. Und zwar, so fordert es das Gesetz, “unverzüglich”. Was im vorliegenden Fall eine Frist von einer, maximal zwei Wochen bedeutet.
Wer es unbedingt möchte, kann natürlich auf jeden Fall den Gewinn einfordern und notfalls sogar klagen. Eine Rechtsschutzversicherung ist da allerdings hilfreich. Der Rechtsschutz muss nach diversen Gerichtsurteilen auch Kostenschutz für Klagen wegen Gewinnzusagen erteilen.