Auf der Suche nach Conni

Der Buchhandel, darüber ist wohl nicht zu diskutieren, erfährt in den letzten Jahren einen dramatischen Bedeutungsverlust.

Da ist zunächst das Internet, in dem sich Wissen leichter als jemals zuvor recherchieren lässt. Und zwar – jedenfalls bei Fachbüchern – mitunter auch gleich andere Quellen, die den gedruckten Inhalt ersetzen. Wikipedia ist nur das herausragende Beispiel.

Geht es wirklich nicht ohne Buch, ist es jedenfalls nicht mehr nötig, erst bei einer Fachkraft im stationären Handel vorzusprechen und darauf zu hoffen, dass sie in Geheimkatalogen genau das Richtige findet (was man dann regelmäßig erst nach dem Kauf prüfen kann). Die Verzeichnisse, in denen der Buchhändler nachschaut, sind längst ebenfalls online zugänglich.

Zudem bietet der Schwarm unzähliger Berufs- und Hobbyrezensenten im Internet selbst dem enzyklopädischen Wissen des hervorragend ausgebildeten Buchhändlers im Laden um die Ecke Paroli. Natürlich kann man heutzutage auch mal die Erfahrung machen, dass dass Personal sich wirklich gut mit der Spiegel-Bestseller-Liste auskennt. Jedenfalls mit den ersten zehn Plätzen. Was natürlich zumindest in den Fällen völlig reicht, wenn man auf die Schnelle ein Geburtstagsgeschenk benötigt.

Und dann ist da noch die wirtschaftliche Bedrohung durch die Online-Shops, vor allem Amazon. Dazu gehört auch die absehbare, allerdings selbst erarbeitete Dominanz von Amazon auf dem E-Book-Markt. Zweifellos alles sehr bedrohlich. Reden sollte man allerdings über die Art und Weise, mit der Teile des Buchhandels anscheinend in die Überlebensschlacht ziehen wollen.

Nun wurde bekannt, dass der Carlsen Verlag ein Buch seiner erfolgreichen “Conni”-Reihe ändert, weil es Gegenwind aus dem Buchhandel gibt. Im Band "Mein Leben, die Liebe und der ganze Rest” kriegt die Protagonistin von einer Freundin einen Amazon-Gutschein geschenkt, den sie online einlösen kann. Nach – offenbar nicht nur belanglosen – Protesten aus dem Buchhandel hat sich die Autorin nach Angaben ihres Verlages entschlossen, den Text in der nächsten Auflage zu ändern. Freiwillig, wie man betont. Conni kriegt in der Neuauflage nur noch einen “Geschenkgutschein”, von online oder gar Amazon ist nicht mehr die Rede.

Ich persönlich ging bisher davon aus, der Buchhandel beziehe sein Selbstverständnis zu einem guten Teil daraus, für Vielfalt und insbesondere Meinungsfreiheit zu stehen. Von einem g-u-t-e-n Buchhändler erwarte ich eigentlich, dass er mir alles besorgt, was nicht auf dem Index steht. Von ihm erwarte ich aber insbesondere nicht, dass er beleidigt Boykott ruft, wenn aus seiner subjektiven Sicht die Shoppingsitten der Jugend zu verderben drohen.

Neulich sollen Buchhändler sich übrigens auch mokiert haben, weil ein öffentlich-rechtliches Geldinstitut drei Amazon-Kindle verloste. Ich muss echt mal wieder in den Buchladen um die Ecke gehen und sondieren, wie schlimm die Lage wirklich ist. Vielleicht verkauft mir ein echter Freigeist ja doch noch ein Exemplar des absolut freiwillig und ohne jeden Druck zensierten “Conni”-Bandes, auch wenn ihn Buchhändler ab sofort kostenlos retournieren können. Vielleicht wird es ja mal wertvoll.

Bücher wegen ihres Inhalts einstampfen lassen. Liebe Buchhändler, ihr merkt es selbst.

Hoeneß und die 50.000-Euro-Grenze

Im Fall Uli Hoeneß wird viel spekuliert. Vor allem auch, weil so manches eher nicht zusammen zu passen scheint. So ist es eher ungewöhnlich, dass gegen jemanden, der eine strafbefreiende Selbstanzeige gemacht hat, noch ein Haftbefehl ergeht. Und dass dieser Haftbefehl dann auch noch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wird.

Um auch hier ein wenig zu spekulieren, nenne ich zwei Aspekte, auf denen die Zurückhaltung der Strafverfolger bei Hoeneß Selbstanzeige beruhen kann.

Zum einen ist es möglich, dass Hoeneß die Karten nicht vollständig auf den Tisch gelegt hat. Die Strafverfolger haben seine Angaben sicher überprüft. Womöglich sind sie auf Ungereimtheiten gestoßen und hegen einen weitergehenden Verdacht gegen die Fußballikone. Bevor sich die Diskussion auf das von Hoeneß selbst eingeräumte Schwarzgeldkonto reduzierte, war ja schon von weit höheren Beträgen die Rede.

Ein anderer Aspekt ist, dass strafbefreiende Selbstanzeigen nur noch bis zu einer finanziellen Obergrenze möglich sind. Überschreitet der Schaden einer Tat 50.000 Euro, kann von Gesetzes wegen keine Strafbefreiung eintreten. Die Bundesregierung hat diese Einschränkung erst 2011 ins Gesetz eingefügt. Steuersünden ab solchen Dimensionen sollten nicht mehr “einfach so” erledigt werden können.

Natürlich kann man lange darüber diskkutieren, was nun eine “Tat” im Sinne des Gesetzes ist. Bei den Dimensionen, die bislang bekannt sind, könnte die 50.000-Euro-Grenze aber auf jeden Fall gerissen sein. Was beim Ex-Postchef damals noch leidlich geklappt hat, ist heute zumindest nicht mehr denkbar. Bei Hinterziehungssumen über 50.000 Euro müssen sich also die Gerichte mit den möglichen Verfehlungen beschäftigen – und im Regelfall darüber urteilen.

Es gibt zwar noch die Möglichkeit, dass auch bei Straftaten mit einem Schaden von über 50.000 Euro von der Verfolgung abgesehen wird. Das setzt aber voraus, dass der Steuerschuldner zusätzlich zu den ohnehin fälligen Zahlungen einen weiteren Aufschlag von 5 % der hinterzogenen Steuer zahlt. So lange das aber nicht geschehen ist, steht ein erheblicher Tatverdacht im Raum. Wodurch der Haftbefehl sich dann eigentlich ganz gut erklären würde.

Spezialist contra Fachanwalt

Seit etlichen Jahren gibt es den Titel “Fachanwalt für Familienrecht”. Auch auf anderen Rechtsgebieten können sich Anwälte spezialisieren. Insgesamt gibt es 20 Fachanwaltstitel, vom Agrarrecht bis zum Verwaltungsrecht. Welchen Platz haben daneben Bezeichnungen wie “Spezialist für Familienrecht”, mit denen sich Anwälte mitunter schmücken? Keinen, meint das Oberlandesgericht Karlsruhe. Das Gericht verbot es einem Anwalt, sich als “Spezialist für … “ auszugeben.

Der Anwalt machte geltend, er sei seit 30 Jahren als Familienrechtler tätig. Durchschnittlich bearbeite er 130 familienrechtliche Mandate pro Jahr. Deshalb dürfe er sich durchaus Spezialist für dieses Rechtsgebiet nennen, schon wegen seiner riesigen praktischen Erfahrung. Außerdem sei der Begriff “Spezialist” nur eine Selbsteinschätzung. Das sei eventuellen Mandanten auch klar.

Diese Einschätzung teilt das Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch nicht. Der durchschnittliche Verbraucher könne eben nicht klar zwischen Fachanwalt und Spezialist unterscheiden. Er werde deshalb möglicherweise irregeführt, weil er die Bezeichnung “Spezialist” für mindestens ebenso wertig halte wie den Fachanwaltstitel. Fachanwälte müssten aber eine umfassende theoretische Ausbildung (mindestens 120 Stunden) machen, sich jährlich fortbilden und praktische Kenntnisse nachweisen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. März 2013, Aktenzeichen  4 U 120/12).

Geprüfter Mehrfachstecker

Die “Prüfung ortsveränderlicher Betriebsmittel” ist etwas, um das kein Unternehmen herumkommt. Vermutlich ernähren die dahinter stehenden Vorschriften ein ganzes Heer von Elektrikern, die sich den ganzen Tag Stecker anschauen. Nach den Arbeitsschutzvorschriften muss in Firmen und Behörden nämlich jedes Teil überprüft werden, das einen Stecker hat. Vom Computer über die Bürokaffeemaschine bis zum simplen Mehrfachstecker muss jedes Elektroteil regelmäßig gecheckt werden. Auch für Gerichtssäle gilt natürlich keine Ausnahme.

Dem scharfen Auge eines Rechtsanwalts ist es nun nicht entgangen, dass die offiziellen Mehrfachstecker, an denen Verfahrensbeteiligte ihre Notebooks einstöpseln können, nicht korrekt geprüft sind. Jedenfalls vermisste er an dem Mehrfachstecker das offizielle Prüfsiegel, welches die Betriebssicherheit des “ortsveränderlichen Betriebsmittels” dokumentiert.

Offenbar sorgte sich der Anwalt tatsächlich um die Sicherheit im Saal oder wenigstens das Wohlergehen seines Notebooks. Denn er rügte in der Gerichtsverhandlung hochoffiziös, der Justiz-Mehrfachstecker, den zu nutzen man ihn ansinne, entspreche nicht den Vorschriften. Der Kollege hatte auch die passende, extrem beeindruckende Normenkette parat. Die umfasste Paragrafen aus dem Arbeitsschutzgesetz und den berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriten .

Maßgeblich, so wissen wir jetzt, ist insbesondere die “BGV A3”. Die Vorschrift definiert ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel als solche, "die während des Betriebs bewegt werden oder die leicht von einem Platz zum anderen gebracht werden können, während sie an den Versorgungsstromkreis angeschlossen wurden." Diese Geräte müssen regelmäßig technisch überprüft werden und ein Siegel erhalten.

Das Gericht reagierte darauf ganz und gar nicht ungehalten. Jedenfalls ließ sich niemand auf der Richterbank was anmerken. Vielmehr wurde für die Mittagspause der Haustechniker angefordert. Der überprüfte – ich war wie alle anderen essen – offenbar alle Mehrfachstecker und verzierte sie mit hübschen Aufklebern.

Darunter war auch der Stecker, den ich vorsorglich immer in der Notebooktasche habe. Den Stecker hatte ich nämlich am Morgen auch an unserem Anwaltstisch eingestöpselt, weil es sonst immer Gerangel um die wenigen offiziellen Steckdosen gibt. Ich besitze jetzt also auch in meinem Arbeitswerkzeug einen Stecker, den ich guten Gewissens mit ins Gericht nehmen kann. Dafür vielen Dank.

Allerdings hoffe ich nicht, dass die Aufschrift “Saal 128”, die der Techniker gleich neben dem Prüfsiegel anbrachte, mich eines Tages als Dieb dastehen lässt.

Warum darf ich mein E-Book nicht verkaufen?

Der Gedanke kam sicher schon vielen E-Book-Lesern. Warum kann ich das für gutes Geld erworbene Werk nicht nach der Lektüre weiter verkaufen – bei gebrauchten Büchern ist das ja auch zulässig. Die Antwort liegt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter. Diese schließen die Weitergabe oder gar den Verkauf ausdrücklich aus. Ob das rechtmäßig ist, musste jetzt das Landgericht Bielefeld entscheiden.

Die Verbraucherzentralen hatten gegen einen E-Book-Anbieter geklagt, in dessen Geschäftsbedingungen folgendes stand:

Im Rahmen dieses Angebotes erwirbt der Kunde das einfache, nicht übertragbare Recht, die angebotenen Titel zum ausschließlich persönlichen Gebrauch gemäß Urheberrechtsgesetz … zu nutzen. Es ist nicht gestattet, die Downloads für …  Dritte zu kopieren, … sie weiterzuverkaufen oder für kommerzielle Zwecke zu nutzen.

Die Verbraucherschützer monieren, dass solche Bedingungen den E-Book-Käufer über Gebühr benachteiligen. Sie berufen sich insbesondere auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Das Gericht hat vor einiger Zeit entschieden, Softwarehersteller dürften den Gebrauchtverkauf ihrer Produkte nicht einfach ausschließen. Das gelte unabhängig davon, ob die Software auf einem Datenträger ist oder heruntergeladen wurde.

An sich ist die Parallele zwischen Software und E-Book offenkundig. Das Landgericht Bielefeld kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Allerdings argumentieren die Richter auf recht fragwürdiger Basis. Sie betonen etwa, ein Kunde wolle E-Books in erster Linie lesen und nutzen, diese aber nicht verkaufen.

Auch die anderen Erwägungen sind eher zielorientiert. So meint das Landgericht Bielefeld, bei einem zulässigen Weiterverkauf von E-Books würde der Anbieter, also in der Regel ein Verlag, nicht mehr am Erlös profitieren. Allerdings könnte man mit diesem Einwand jeden Gebrauchtmarkt strangulieren.

Außerdem zeigen sich die Richter skeptisch, dass E-Book-Käufer tatsächlich ihre eigene Kopie des Werkes löschen, wenn sie es weiterverkaufen. Darin kommt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Verbraucher zum Ausdruck. So hätte auch der Europäische Gerichtshof argumentieren können, als er sich mit gebrauchter Software beschäftigte. Hat er aber nicht.

Es ist also zumindest fraglich, ob höhere Instanzen die Rechtslage ebenso bewerten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kann jedenfalls in Berufung gehen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat das Urteil begrüßt. Die Buchhändler befürchten nach eigenen Angaben, dass bei einer Freigabe des E-Book-Weiterverkaufs der “Primärmarkt” zusammenbricht.

Lesenswerte Urteilsanalyse bei Rechtsanwalt Sebastian Dosch

Link zum Urteil

Terrordatei muss nachgebessert werden

Der Bundestag hat bei Errichtung der Antiterrordatei den Boden des Grundgesetzes teilweise verlassen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die sogenannten Verbunddateien für die Terrorbekämpfung in einem heute verkündeten Urteil für rechtswidrig.

Allerdings beanstanden die Karlsruher Richter nur einzelne Regelungen. Grundsätzlich halten sie die staatliche Datensammlung bei der Bekämpfung des Terrorismus allerdings für zulässig. Deshalb geben sie dem Gesetzgeber die Möglichkeit, die Antiterrordatei bis Ende 2014 rechtmäßig zu gestalten. Bis dahin gelten die beanstandeten Regelungen weiter.

Gegen die Antiterrordatei, die 2006 eingerichtet wurde, hatte ein ehemaliger Richter geklagt. Derzeit sind nach offiziellen Angaben rund 16.000 Personen erfasst, von denen die wenigsten in Deutschland leben sollen. Die Datensammlung erfasst folgende Lebensumstände:

Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen

Waffenbesitz

Telekommunikations- und Internetdaten

Bankverbindungen und Schließfächer

Schul- und Berufsausbildung – Arbeitsstelle

Familienstand – Religionszugehörigkeit

Verlust von Ausweispapieren

Reisebewegungen und bekannte Aufenthalte an Orten mit terroristischem Hintergrund (bspw. Ausbildungslagern).

Auf die Datei haben 38 Sicherheitsbehörden in Deutschland Zugriff, und zwar sowohl Geheimdienste als auch die Polizei und Staatsanwaltschaften. Alle beteiligten Stellen liefern auch Informationen. An sich sind Geheimdienste und Polizei streng getrennt. Nach dem Vorbild der Antiterrordatei wurden mittlerweile auch andere Datensammlungen angelegt. Diese richten sich zum Beispiel gegen etwa gegen Visamissbrauch und Rechtsextremisten.

Die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts liegt noch nicht vor. Der Beschwerdeführer hatte im wesentlichen gerügt, dass die Datei die bisher praktizierte Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufhebt. Außerdem könnten auch unbescholtene Bürger in die Datei geraten, ohne je davon zu erfahren. Dies werde durch die schwammigen Regelungen des Gesetzes begünstigt.

Wikipedia-Eintrag “Antiterrordatei”

Vorratsdaten durch die Hintertür

Die Telekom wird die Internetflatrate abschaffen. Telekomkunden müssen also für mehr Bandbreite künftig extra zahlen. Oder mit einem lahmen Anschluss leben. Doch die Tarifänderungen werden womöglich auch gravierende Änderungen im Datenschutz mit sich bringen. Für Internetverbindungen droht faktisch eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.

Wenn die Telekom künftig teilweise Anschlüsse drosselt oder nach Verbrauch extra kassiert, wird sie hierfür Rechnungsdaten benötigen. “Um die Abrechnungsmodalitäten nachzuweisen, müssen Telekom und die nachfolgenden Marktteilnehmer laut Gesetz Abrechnungsdaten aufheben, falls jemand gegen die Rechnung Einspruch erheben will”, schreibt der Kölner Journalist Torsten Kleinz.

Das Gesetz lässt ausdrücklich zu, dass Provider Verbindungsdaten speichern dürfen, sofern sie diese für die Abrechnung benötigen. Mit Einführung der Flatrates hatten sich Kunden  erfolgreich gegen die Datenspeicherung vor Gericht gewehrt. Daraufhin reduzierten die meisten Internetanbieter die Speicherfristen deutlich, etwa im Fall der Telekom von damals 80 auf aktuell 7 Tage.

Eine Rückkehr zu verbrauchsabhängiger Abrechnung würde bedeuten, dass erheblich mehr Verbindungsdaten auf Vorrat lagern. Hierauf können Ermittlungsbehörden natürlich jederzeit zugreifen – auch ganz ohne gesetzliche Vorratsdatenspeicherung.

Facebook darf weiter anonyme Konten sperren

Facebook darf vorerst weiter die Konten von Nutzern sperren, die nicht ihre Klarnamen angeben. Das Unabhängige Landeszentrums für Datenschutz (ULD) hatte von Facebook gefordert, auch solche Konten zu tolerieren. Gegen die Bescheide hat Facebook geklagt. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig bestätigte nun, dass Facebook zunächst weiter Konten schließen darf, wenn der Nutzer seinen echten Namen verschweigt.

Das ULD hatte unter Verweis auf das deutsche Datenschutz- und Telemedienrecht Facebook USA und Facebook Irland aufgegeben, Nutzern die Angabe eines Pseudonyms zu ermöglichen und Konten in diesen Fällen zu entsperren. Das Verwaltungsgericht hatte den Eilanträgen von Facebook hiergegen stattgegeben, weil deutsches Recht nach der Europäischen Datenschutzrichtlinie und dem Bundesdatenschutzgesetz auf die Verarbeitung der Facebook-Nutzerdaten nicht anwendbar sei. Vielmehr gelte ausschließlich irisches Datenschutzrecht, weil sich Facebooks Server und Firmensitz in Irland befinden.

Nach Auffassung der Richter orientiert sich die datenschutzrechtliche Verantwortung am Ort des Firmensitzes. Dementsprechend sei irisches Datenschutzrecht anwendbar. Das ULD habe in dem Verfahren aber nicht darlegen können, dass auch nach irischem Recht anonyme Konten möglich sein müssen.

Dass Facebook für die Vermarktung seines Angebots eine deutsche Tochterfirma betreibt, spiele keine Rolle. Dieses Unternehmen sei nur für Anzeigenakquise und Marketing zuständig (Beschlüsse vom 22. April 2013, Aktenzeichen 4 MB 10/13 und 11/13).

Gefährliche Verteidiger

Nachdem sich das Oberlandesgericht München im noch nicht mal begonnenen NSU-Prozess schon mit der Platzvergabe an die Auslandspresse vergriffen hat, droht schon eine weitere Eskalation. Der Vorsitzende des Strafsenats hat angeordnet, dass die Verteidiger von Beate Zschäpe vor jeder Verhandlung körperlich durchsucht werden. Andere Verfahrensbeteiligte, etwa Justizbedienstete, Staatsanwälte und selbstverständlich auch die Richter, sind davon ausgenommen.

Der Gerichtsvorsitzende Manfred Götzl begründet die besonderen Körperkontrollen mit der Gefahr, die Anwälte könnten Waffen oder Sprengstoff in den Gerichtssaal schmuggeln. Wieso Götzl ausgerechnet so eine Gefahr bei den Verteidigern herleitet, geht aus seiner Anordnung nicht hervor.

Die Anwälte sehen darin eine “offene Diskriminierung” und werden sicher alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich gegen das Prozedere zu wehren. Völlig zu Recht, denn eine Durchsuchung vor jedem Betreten des Verhandlungssaals greift tief in die Berufs- und Freiheitsrechte jedes Anwalts ein. Das gilt umso mehr, als es offenbar nicht ausreichen soll, wenn die Verteidiger durch einen Metalldetektor gehen. Sie sollen offenbar abgetastet werden oder sich gar ausziehen müssen. Das wäre ganz einfach entwürdigend.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht einen konkreten Verdacht gegen die Verteidiger hegt. Das würde mich schon deshalb wundern, weil es sich um Juristen handelt, die in Gerichtssälen bisher nicht durch unseriöses Handeln aufgefallen sind. Auch der Anwaltskollege Detlef Burhoff, in seinem ersten Leben Richter am Oberlandesgericht Hamm, kennt die Betroffenen zum Teil persönlich und teilt meine Einschätzung.

Wenn das Gericht aber nur eine theoretische Gefahr dafür sieht, dass Anwälte sich als Waffenschmuggler betätigen, ist die Anordnung gegenüber den Verteidigern überzogen. Auch andere Prozessbeteiligte, die nicht kontrolliert werden, könnten ebenso gut Waffen schmuggeln. Was ist etwa mit der Möglichkeit, dass Dritte einen Gerichtsmitarbeiter oder einen Staatsanwalt zu so einer Aktion nötigen? Viel unwahrscheinlicher, als dass ein Rechtsanwalt sein Leben verpfuscht, ist das auch nicht.

Es wird sicher spannend, ob und wie das Bundesverfassungsgericht diese Marschrichtung korrigiert, auch wenn es in der Vergangenheit durchaus, wenn auch in anderer Konstellation, liberal mit solchen Anordnungen umging. Sollte derartiges in so einer krassen Form akzeptiert werden, wäre das ein fatales Signal an andere Gerichte. Strafverteidiger könnten dann offen gedemütigt und diskriminiert werden. Das wäre für mich gegebenenfalls ein Grund, bei so was in dieser Rolle nicht mehr mitzuspielen.

Nachtrag: Ich habe den Text wegen eines sachlichen Fehlers nachträglich geändert.

Telekom schafft die Internetflatrate ab

Die Telekom schafft die Internetflatrate ab. Wer ab dem 2. Mai einen DSL-Vertrag bei der Telekom bucht, muss mit Volumenbegrenzungen leben. Ab bestimmten Datenmengen wird die Leitung laut Telekom auf 384 KBit/s gedrosselt. Normales Surfen ist mit so einer Geschwindigkeit eine Qual.

Die neuen Volumentarife orientieren sich an der Geschwindigkeit des Anschlusses. Die Telekom hat folgende Staffelung bekanntgegeben:

Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 16 Mbit/s: 75 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Mbit/s: 200 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s: 300 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 200 Mbit/s: 400 GB

Wenn sie mit voller Geschwindigkeit mehr Daten verbrauchen wollen, sollen Kunden künftig gesondert in die Tasche greifen. Was die Telekom für höhere Datenvolumen berechnet, will das Unternehmen erst später mitteilen.

Gleichzeitig verabschiedet sich die Telekom auch offiziell vom Grundsatz der Netzneutralität. So wird das hauseigene Internetfernsehen nicht auf das Datenvolumen angerechnet und stets mit voller Leistung zur Verfügung gestellt.

Gleiches gilt auch für die Hotspots, welche die Telekom über Kundenanschlüsse zur Verfügung stellt (WLAN TO GO). Öffnet ein Kunde seinen Hotspot für andere Nutzer, kann es nach einer Drosselung künftig passieren, dass die Gäste viel schneller surfen als ihr Gastgeber.

Bei Diensten wie Youtube oder Videoplattformen zieht sich die Telekom auf den Standpunkt zurück, sie schulde nur ein Angebot nach dem “Best-Effort”-Prinzip, das heißt die Übertragung könne nur so schnell sein, wie es die Kapazität des Netzes hergebe.

In ihrer Mitteilung erweckt die Telekom den Eindruck, es seien nicht allzu viele Nutzer von den Volumengrenzen betroffen. Der Durchschnittsverbrauch eines Internetanschlusses liege bei 15 bis 20 Gigabyte im Monat. Somit klingt die neue Anfangsgrenz von 75 GB nach einem beträchtlichen Puffer. So viel Spielraum ist das aber gar nicht, insbesondere für den Fall, dass der Kunde HD-Filme online von legalen unabhängigen Plattformen bezieht. Ein HD-Film ist nämlich etwa 10 GB groß.

Nutzer im heise forum haben auch bereits ausgerechnet, wie lange ein Tekom-Kunde künftig unter Volllast über seinen Anschluss surfen kann:

DSL 16.000: ca. 10,4 Stunden bzw. 1,4% der Länge eines Monats
VDSL 50: ca. 8.9 Stunden bzw. 1,24% der Länge eines Monats
VDSL 100: ca. 6.7 Stunden bzw. 0.93% der Länge eines Monats
VDSL 200: ca. 4.4 Stunden bzw. 0.61% der Länge eines Monats

Die Telekom beteuert, die Einschränkungen würden voraussichtlich erst 2016 technisch umgesetzt. Außerdem komme es darauf an, wie sich die Auslastung der Netze entwickle. Allerdings gelten die neuen Tarife ab dem 2. Mai für alle Neuverträge. Der Telekom steht es also frei, die neuen Obergrenzen auch früher durchzusetzen.

Reisepass: Fingerabdruckpflicht bleibt fraglich

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen die Fingerabdruckpflicht im biometrischen Reisepass aus formalen Gründen zurückgewiesen hat, kämpfen Betroffene nach wie vor juristisch weiter.

Ein Kläger hat nun einen Zwischenerfolg errungen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht ließ seine Berufung gegen ein Urteil zu, in dem die erste Instanz keine Probleme mit der Fingerabdruckpflicht hatte (Beschluss vom 11. April 2013, Aktenzeichen 3 A 778/11).

Die Richter am Sächsischen Oberverwaltungsgericht führen in ihrer Zulassungsentscheidung aus, dass sehr wohl Bedenken gegen die Fingerabdruckpflicht in Reisepässen bestehen. So habe der Kläger plausibel dargelegt, dass die angestrebte “Sicherheit” durch die neuen Reisepässe fraglich sei. Missbrauch, insbesondere durch das Hacken der RFID-Chips oder simplen Datenklau bei ausländischen Behörden, sei denkbar. Deshalb sei zweifelhaft, ob die Reisepässe tatsächlich so sicher sind wie behauptet.

Bringe der neue Reisepass aber keinen Sicherheitsgewinn, seien die damit verbundenen Grundrechtseingriffe womöglich nicht vertretbar. Immerhin, so hat auch das Verfassungsgericht geurteilt, schränke die Fingerabdruckpflicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erheblich ein. Auf europäischer Ebene tangiere der neue Reisepass  das Grundrecht auf Privatsphäre ein, welches einen effektiven Schutz persönlicher Daten gebiete.

Dem Kläger, einem Wirtschaftsinformatiker aus Radebeul, teilt das Gericht außerdem mit, dass das Verfahren möglicherweise bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetz wird. Beim Europäischen Gerichtshof liegt seit geraumer Zeit eine Vorlage des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das ebenfalls Zweifel an der Fingerabdruckpflicht hat.

Verloren zwischen Postfach und Postnummer

Das sollen lauter Zufälle sein? Oder steckt nicht doch ein Geflecht schlapper Pflichterfüllungen dahinter? Das fragt ein Kunde aus dem Düsseldorfer Norden erstens sich, zweitens die Elektronikfirma Medion in Essen und, wie kann es anders auch sein, unsere Deutsche Post. Es wird, nach aller Erfahrung, kein Einzelfall sein.

Der Kunde hatte ein simples Kabel bei Medion bestellt. Die bemühten ihre Datenbank und schickten das Kabel, obwohl ihnen die neue Kunden-Anschrift bekannt war, an die alte. Die Post forschte nicht weiter, beförderte das Kabel zurück an Medion. Die Firma bat um Nachsicht, brachte es noch mal auf den Weg, nun korrekt ans geschäftliche Postfach des Kunden in der Postfiliale Kaiserswerth adressiert. Doch die Post muckte.

Sie notierte: „Die Sendung wurde fehlgeleitet und konnte nicht zugestellt werden.” Die Begründung dafür ließ sie offen. Auf Nachfrage des Kunden zuckte in der Postzweigstelle Kaiserswerth ein netter Mitarbeiter mit den Schultern. Auch bei Medion zeigte sich leichte Nervosität.

Zum dritten Mal wurde das Kabel auf den Weg gebracht. Die Firme verspricht einen „erstklassigen Service“ für alle ihre Produkte. O ja! Hat sie denn nicht mit der Sturheit der Deutschen Post gerechnet. Die stellte lapidar fest: „Rücksendung eingeleitet“. Denn: „Der Empfänger ist unbekannt“. Der Kunde schrie auf, fasste sich an den Kopf und rief die Post an.

Dort ließ ihn eine Dame streng wissen: „Wir stellen keine Pakete an ein Postfach zu!“ Auch nicht, wenn in der Filiale der Post eine Tür weiter Mitarbeiter Kunden bedienen. Das sei einfach so. Punktum. Und die Firma Medion, die wisse das auch. Warum die also ein – nicht sonderlich dickes – Kabel per Paket an ein Postfach schicke, das sei schleierhaft. Der Kunde, inzwischen ein bisschen zermürbt, blieb tapfer.

Er schaute sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Post an. Und siehe da. Der Kunde, einerseits, hatte wie vereinbart der Post seine private Hausanschrift offenbart. Und an die, dazu hat sich die Post anderseits verpflichtet, werden dann größere Sendungen, ausdrücklich auch „Pakete“ zugestellt. Diese juristische Betrachtung ließ der Kunde aber erst mal beiseite.

Weil die Postfiliale Kaiserswerth telefonisch für die Kundschaft nicht erreichbar ist, machte er sich auf den Weg dorthin. „Ob das Paket nicht vielleicht doch…“, fragte er. Der nette Mitarbeiter versuchte per Telefon (doch, doch da stehen tatsächlich mehrere funktionierende Apparate) einen Rat einzuholen, bekam aber keine Verbindung zu seiner Zentrale und tat, was er in solchen Fällen tut. Er zuckte mit den Schultern.

Neben ihm, auf dem Tresen, entdeckte der Kunde einen Prospekt der Deutschen Post. „Ab sofort Pakete in Ihrer Wunschfiliale abholen“, so wird es versprochen. Und: „Lassen Sie Ihre Pakete direkt in eine Filiale Ihrer Wahl schicken, um sie dort abzuholen“.

Mehr noch: „Bei Ihrer nächsten Bestellung geben Sie anstelle Ihrer Straße und Hausnummer Ihre persönliche PostNummer sowie die Nummer der gewünschten Filiale an“. Wer jetzt den vernünftigen Vergleich zu einem Postfach zieht, liegt zwar mit dieser Vermutung sehr nahe an der Wahrheit. Aber irgendwie völlig schief. Es wird womöglich, wir ahnen es, ein reiner Zufall sein. (pbd)

Energieintensiver Anbau

Eine Stromrechnung in ungewöhnlicher Höhe muss ein Mann bezahlen, der sich in Gelsenkirchen eine Wohnung gemietet hatte. In die Wohnung zogen in erster Linie nur Marihuana-Pflanzen ein. Die Lampen der Plantage betrieb der Mann mit geklautem Strom – und muss jetzt teuer dafür bezahlen.

Nachdem die Zimmerplantage aufgeflogen war, schätzte der zuständige Energieversorger aus Essen den Schaden auf 50.000 Euro. Genau ließ sich der Stromverbrauch für die Lampen und Klimaanlagen nicht ermitteln, weil der Mieter den Stromzähler überbrückt hatte.

Deshalb machte das Energieunternehmen von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch, den Stromverbrauch zu schätzen. Und zwar für den gesamten Zeitraum von Juli 2007 bis August 2009, als die Polizei die Plantage entdeckte.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte mit der Schätzung kein Problem. Wer sich illegal am Stromnetz bediene, müsse nachweisen, dass die Schätzung unrichtig ist. Das ist dem Betroffenen aber nach Auffassung der Richter nicht gelungen.

Sie gingen davon aus, dass der Mann seit seinem Einzug im Jahr 2007 die Plantage betrieb. Sie gewährten ihm lediglich einen “Rabatt” auf zwei Monate nach seinem Einzug, weil er in dieser Zeit die Plantage eingerichtet habe.

Die Polizei und ein Sachverständiger bestätigten, dass die Hanfaufzucht tatsächlich ungefähr die berechnete Energiemenge benötigte.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 7. Dezember 2012, Aktenzeichen 19 U 69/11

Wo bleibt die Staatsanwältin?

Man kann Staatsanwaltschaften ja viel vorwerfen – aber pünktlich ist das Personal schon. Jedenfalls bei Gericht. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mit dem Gericht und anderen Beteiligten mal auf einen Staatsanwalt warten musste – die um ein paar Minuten verlängerte Kaffeepause vielleicht ausgenommen.

Aber irgendwann ist immer das erste Mal. Heute war es so weit. Richter, Schöffen, Protokollführer, Angeklagter, ich als Verteidiger. Alle da. Nur die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft nicht. Immerhin hatte der Protokollführer des Gerichts eine Liste der zum Dienst eingeteilten Strafverfolger. Er konnte also – nach Ablauf des akademischen Viertels – gleich mal bei der Behörde anrufen.

Witzigerweise war es die Staatsanwaltschaft, die den Prozess überhaupt wollte. Mein Mandant war in erster Instanz freigesprochen worden. Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Da könnte man natürlich fragen, ob nicht gleiches Recht für alle gelten sollte. Die Berufung eines Angeklagten verwirft das Gericht nämlich normalerweise, wenn er nicht pünktlich zum Termin erscheint und sich nicht ausreichend entschuldigt hat. Aber Gleichbehandlung gibt es in diesem Punkt nicht. Die Strafprozessordnung sieht nur vor, dass die Berufung eines säumigen Angeklagten verworfen werden kann. Im Falle des fehlenden Staatsanwalts ist das nicht möglich.

Nach einer dreiviertel Stunde stürmte die zuständige Staatsanwältin dann in den Gerichtssaal. Sie hatte sich, sagte sie, an der offiziellen Terminsliste ihrer Behörde orientiert. Dort war unser Termin eine Stunde später eingetragen. “Ich saß noch im Büro”, lachte sie. “Und dachte, dann arbeite ich vor dieser Sache noch gemütlich ein paar Akten weg.”

Immerhin: Nach der Beweisaufnahme hat die Staatsanwältin die Berufung zurückgenommen. Das hatte sicher direkt nichts mit ihrer Verspätung zu tun. Vielmehr war nach einigen Zeugenaussagen klar, dass der frühere Freispruch in Ordnung ging. Angesichts dieses erfreulichen Ergebnisses war das morgendliche Warten dann auch halb so schlimm.