Kein Vier-Augenprinzip für die Verkehrspolizei

Bei der Jagd nach Geschwindigkeitssündern gilt für die Polizei kein “Vier-Augen-Prinzip”. Das hat das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss deutlich gemacht. Ein Autofahrer kann demnach nicht rügen, dass bei einer Lasermessung nur ein Beamter das Messergebnis abgelesen und ins Protokoll eingetragen hat.

Lasermessungen gelten als anfällig; die Zahl der Fehlerquellen ist enorm. Das fängt bei der Frage an, ob überhaupt das angehaltene Auto anvisiert wurde. Und es hört längst nicht bei der Frage auf, was eigentlich ist, wenn der Messbeamte sich schlicht beim Ablesen vertut oder dem Autofahrer gar was Böses will und einen entsprechenden Aufschlag macht.

Ein Vier-Augen-Prinzip an der Messstelle wäre zwar kein Patentrezept, es könnte aber Bedienungsfehler und vor allem Willkür beherrschbarer machen. Dies gilt umso mehr, als der vermeintliche Temposünder ja noch nicht mal verlangen kann, dass ihm das Display mit der angezeigten Geschwindigkeit gezeigt wird. Bei einer Lasermessung ist der Betroffene in der Regel völlig den Angaben der Beamten ausgeliefert.

Selbst die fehlende vom “technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses” (O-Ton Gericht) führt aber nicht dazu, dass die Richter dem Bürger unter die Arme greifen. Sie verweisen lapidar darauf, auch beim Tempomessungen gelte der Grundsatz freier Beweiswürdigung.

Eine Vorgabe an die Polizei, Standards wie etwa in Wirtschaft, Forschung oder Medizin anzuwenden, komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich um eine “Beweisregel” für die Feststellung einer Tatsache ( = angezeigte Geschwindigkeit) handele. So was sei den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung fremd.

Man spürt bei den Ausführungen förmlich den Willen, sich nur ja nicht dem Kern des Problems zu nähern. Dass nämlich schlicht und einfach niemand kontrolliert und es sich auch später praktisch nicht feststellen lässt, ob ein Polizist Mist baut, und zwar entweder fahrlässig oder sogar vorsätzlich.

tl;dr

Autofahrer = Arschkarte

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2012, Aktenzeichen III 3 RBs 66/12 / via Heymanns Strafrecht Online Blog

Überlanges Verfahren: Klägerin kriegt Geld

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat erstmals von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, überlange Gerichtsverfahren zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg rügte eine Entscheidung, für die das Verwaltungsgericht Halle über zwei Jahre gebraucht hatte. Das sei unangemessen lang.

Eine Polizeibeamtin hatte gegen ihre Umsetzung in ein anderes Revierkommissariat geklagt. Der Prozess vor dem Verwaltungsgericht wurde erst nach über zwei Jahren beendet. Zu lange, urteilte nun das Oberverwaltungsgericht. Das Verfahren sei weder schwierig noch sonderlich komplex gewesen. Von einer angemessenen Verhandlungsdauer, wie sie das Gesetz vorschreibt, könne keine Rede mehr sein.

Die Polizeibeamtin erhält nun eine finanzielle Entschädigung. Voraussetzung ist stets, dass der Betroffene sich rechtzeitig beim Gericht über die schleppende Arbeitsweise beschwert. Wer die Verfahrensdauer nicht rügt, kann später auch keine Entschädigung verlangen.

Die Regelung selbst ist relativ neu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte beanstandet, dass die deutsche Justiz keine praktische Handhabe gegen zu langsame Gerichte bietet. Als Reaktion auf das Urteil wurde das Gesetz entsprechend ergänzt. Die Neuregelung ist seit Ende 2011 in Kraft.

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012, Aktenzeichen 7 KE 1/11

Mein Teil der Gelben Wand

Sehr nett war es am Freitag in Gelsenkirchen. Ich war bei den Schalker Ultras eingeladen und durfte im Vereinsheim berichten, was man so für Rechte im Umgang mit der Polizei hat.

Am Ende der angeregten Diskussion kriegte ich auch ein Geschenk:

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Dem Vernehmen nach handelt es sich bei dem Stoffstreifen um ein originales Fitzelchen aus der “Gelben Wand”. Das war ein fast 60 Meter breites Banner, welches das Dortmunder Fußballstadion bis ins Jahr 2006 schmückte. Dann verschwand es spurlos. Nachdem es zwischenzeitlich schon mal auf diversen Fanvideos zu sehen war, taucht das Banner, Echtheit unterstellt, nun klein portioniert als Andenken wieder auf.

Ich habe keine Ahnung, ob der Zeitpunkt mit dem sicheren Ablauf aller Verjährungsfristen zu tun hat. Aber passen tut’s schon.

Auch wenn ich fußballmäßig 100 % neutral bin, habe ich mich über das originelle Präsent gefreut. Mal sehen, wo es seinen Platz hier im Büro findet. Falls BVB-Fans zu Besprechungen kommen, bitte vorher Bescheid sagen. Der Kasten wird dann auf Wunsch gern verhüllt.

Doch keine Warteschlangen-Steuer in Köln

Vorhin konnte ich noch im Auto hören, wie der Leiter des Kölner Ordnungsamtes im Interview mit 1Live eine denkbar schlechte Figur machte. Er hatte allerdings auch eine undankbare Aufgabe, denn er sollte die neueste Steuer-Idee der Stadtverwaltung rechtfertigen. Diese plante ernsthaft, Warteschlangen vor Diskotheken, Geschäften, Kinos, Eisdielen und sogar Büdchen zu besteuern.

Der hörbar überforderte Beamte ließ sich sogar darauf ein, seelenruhig aus seinem neuen Tarifverzeichnis rauszusuchen, was künftig eine Zwei-Meter-Schlange vor einem Kiosk kostet (Moderator: “Ich habe alle Zeit der Welt”). So erfuhren wir immerhin, dass per Meter abgerechnet werden wird und schon eine ganze Stange Geld rumkommen kann.

Außendienstler, so kündigte der Beamte an, würden erst messen und dann Rechnungen schreiben, wenn sie auf Warteschlangen stoßen. Es stehe jedem ehrlichen Büdchenbesitzer aber auch frei, selbst einen Antrag auf nachträgliche Steuerzahlung einzureichen, sofern sich das Publikum bei ihm mal bis auf den Bürgersteig gestaut habe. Eine Verrechnung mit der Zeit, die man als Bürger auf Kölner Ämtern vertrödelt, sei nicht drin, beschied der Beamte auf Nachfrage des glucksenden Moderators. “Natürlich nicht.”

Das war schon witzig, aber sicher ist spätestens in diesem Augenblick die Notbremse gezogen worden. Oberbürgermeister Jürgen Rothers, berichtet nun der WDR, schaltete sich aus dem Urlaub ein und kippte höchstpersönlich die am Morgen bekanntgewordene Warteschlangen-Steuer. Diese hat jetzt womöglich die Chance, als Eintagessteuer in die Geschichte einzugehen.

Wenn das Navi zickt, gibt’s kein Geld

Wer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird, kann normalerweise die Fahrtkosten vom möglichen neuen Arbeitgeber verlangen. Auch wenn er die Stelle nicht bekommt. Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Bewerber zwar anreist, die Firma aber nicht findet. Dann bleibt er auf den Kosten sitzen.

Ein Bewerber hatte geklagt, obwohl er gar nicht zum Bewerbungsgespräch gekommen ist. Nach seinen Angaben war er zwar in die Stadt gefahren, in der die Firma sitzt. Dort habe er aber die Adresse nicht finden können – auch sein Navi habe versagt.

Das Landesarbeitsgericht Mainz musste die Frage klären, ob dem Bewerber 61,80 Euro zustehen. Das ist nicht der Fall. In dem Urteil heißt es:

Es war Sache des Klägers, auf welche Weise er als Bewerber durch eine entsprechende Vorbereitung und Planung seiner Anreise nach C-Stadt sicherstellt, dass er rechtzeitig – ggf. durch Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers – zum Vorstellungstermin erscheinen kann.

Das Risiko, dass er trotz einer ihm übermittelten Anfahrtskizze und Einsatz seines Navigationsgeräts die Adresse der Beklagten nicht rechtzeitig findet, hat er selbst zu tragen.

Der Kostenerstattungsanspruch setzt nach Auffassung der Richter voraus, dass der vom Arbeitgeber gewünschte Erfolg eintritt. Das sei aber nur der Fall, wenn der Bewerber sich tatsächlich vorstelle. Die bloße Anfahrt sei für den Arbeitgeber schlicht wertlos.

Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 7. Februar 2012, Aktenzeichen 3 Sa 540/11

Keine Extra-Schirme für (Rand-)Gruppen

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat eine Gesetzeslücke ausgemacht. Er fordert, Spott und Hohn gegen Kirchen und ihre Gläubigen auch strafrechtlich zu ahnden. Er möchte also die Götteslästerung wieder ins Strafgesetzbuch schreiben. Dabei wurde einfache Blasphemie aus guten Gründen schon vor langer Zeit als Straftatbestand abgeschafft.

Die bischöflichen Forderungen fallen zeitlich zusammen mit dem Rechtsstreit, den der Papst gegen das Satiremagazin Titanic begonnen hat. Benedikt XVI. fühlte sich durch ein Cover der Zeitschrift verunglimpft und erwirkte eine einstweilige Verfügung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Hierbei geht es jedoch um die zivilrechtliche Seite. Über Knast für die Titanic-Redakteure wird da auf der Richterbank nicht nachgedacht. Das möchte Schick nun offensichtlich ändern.

Für den Bischof ist spaßige, kritische, vielleicht auch geschmacklose Auseinandersetzung mit Kirche und Glauben ein Angriff auf die Menschenwürde. Das ist juristisch eher halbgar – jedenfalls die Kirche kann sich als Institution schlecht auf die Menschenwürde berufen.

Aber unabhängig von solchen Grundsatzfragen scheint der Bischof kein Gespür dafür zu haben, dass wir in einem Staat leben, in dem die Meinungsfreiheit nicht nur bei Schönwetter gilt und dass es für einzelne gesellschaftliche (Rand-)Gruppen keinen Anspruch gibt, dass ihnen extra Regenschirme aufgestellt werden. Das kennt man sonst nur aus anderen Ländern, mit denen Deutschland lieber nicht in einen Topf geworfen werden will.

Überdies haben die Religionen längst eine Sonderstellung. Nach § 166 Strafgesetzbuch ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen auch heute strafbar. Voraussetzung ist allerdings, dass die Äußerungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören.

Auf dieses Korrektiv zu verzichten, mag der feuchte Traum von katholischen Oberen sein, die ihren alten Allmachtsansprüchen nachtrauern – für einen freiheitlichen Rechtsstaat sind solche Forderungen jedoch inakzeptabel. Das gilt gerade im Umgang mit Kirchen, die noch lange daran arbeiten müssen, um ihren Ruf auch nur einigermaßen wieder herzustellen. Ich erinnere – abgesehen von der ohnehin unrühmlichen Rolle der katholischen Kirche in jeder Phase ihrer Existenz – nur an den jahrzehntelang vertuschten massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern  durch Priester und Kirchenmitarbeiter.

Daneben gibt es auch noch weitere Sonderparagrafen, welche die Kirchen besonders schützen. Strafbar sind die Störung der Religionsausübung und die Störung einer Bestattungsfeier. Wie man unschwer sehen kann, könnte das “Gastspiel” einer Band wie Pussy Riot in einer deutschen Kirche durchaus auch für unsere Staatsanwälte interessant sein. Schon das wäre vielleicht eher Anlass, mal über eine Abschaffung dieser Tatbestände nachzudenken. Gleiches gilt für den Fall des Bloggers Jörg Kantel, der wegen seiner Zustandsbeschreibung der katholischen Kirche als "Kinderficker-Sekte” angeklagt wurde.

Der Bischof hat eine eiskalte Abfuhr verdient.

Bericht bei stern.de

Eine verdammte Notwendigkeit

Die Polizei hat heute das Occupy-Camp in Düsseldorf geräumt. Die Räumung blieb friedlich, weil sich beide Seiten redlich darum bemühten. Die Polizei war ohnehin nur ausführendes Organ. Die Stadt Düsseldorf hat auf Räumung bestanden.

Interessant finde ich die Begründung, warum Occupy in Düsseldorf den Platz in Sichtweite der Börse und der Bundesbank räumen musste. Die Ordnungsverfügung argumentiert vorwiegend bauaufsichtsrechtlich. Sie steht damit quasi in Frankfurter Tradition. Dort hatten die Behörden die Auflösung des Camps unter Hinweis auf ihre Grünflächensatzung gefordert.

“Rasen betreten verboten.” Auch wenn formell alles wahrscheinlich superkorrekt ist, halte ich es schon für bemerkenswert, welche Antwort hier auf vorwiegend junge und friedliche Menschen gegeben wird, die ihre Sorgen öffentlich ausdrücken. Auch wenn ihre Wortwahl mitunter forsch erscheinen mag, ist die geäußerte Kritik am Wirtschafts- und insbesondere dem Bankensystem alles andere als Esoterik. Dass es jedenfalls so nicht weitergehen kann, hören wir mittlerweile in jedem zweiten Tagesthemen-Kommentar.

Die Occupy-Leute können also schon mal nicht einfach als Spinner abgetan werden. Ich habe in Düsseldorf auch nichts davon gehört, dass jemand sich über sie beschwert hätte. Mit Ausnahme der Banker und Broker in der Nachbarschaft.

Aber selbst wenn wir es mit Durchgeknallten im klassischen Sinn zu tun hätten – reichen nicht schon 10 Prozent Nachvollziehbarkeit bei einem Anliegen, es ernst zu nehmen? Und mal darüber nachzudenken, ob das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit es mit etwas gutem Willen vielleicht möglich machen könnten, nicht die Bauordnung des Landes NRW und die allgemeine Gefahrenabwehrklausel in Stellung zu bringen. Weil es möglicherweise eine verdammte Notwendigkeit ist, dass die Dinge, die bei uns (und in Europa und in der Welt) schwelen, auch öffentlich wahrnehmbar thematisiert werden. 

Auf den Punkt bringt es ein Bild von der heutigen Räumung. Behelmte Polizisten tragen einen Demonstranten aus dem Camp, der ein Schild im Mund hält. Aufschrift “Free Pussy Riot”.

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Quelle

Ich kann über die Ironie zwar lachen, aber nur trocken.

Überzogene Individualität

Ein Bewerber für den Polizeidienst darf nicht vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden, weil er an beiden Armen vom Schulterbereich bis zu den Unterarmen tätowiert ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Aachen heute entschieden.

Das Landesamt für die Polizeiausbildung in Selm hatte den Bewerber abgewiesen.Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, deutlich sichtbare Tätowierungen seien mit der Neutralität eines Polizeibeamten nicht in Einklang zu bringen. Nach einem Erlass des Innenministeriums aus dem Jahre 1995 stellten Tätowierungen, die beim Tragen der Sommeruniform zu sehen seien, einen Eignungsmangel dar.

Das Verwaltungsgericht Aachen meint, dem Antragsteller dürfe nicht bereits die Gelegenheit genommen werden, das Testverfahren für die am 1. September 2012 beginnende Polizeiausbildung zu durchlaufen. Die ablehnende Entscheidung des Landesamtes mache nicht deutlich, welche konkreten Eignungsmängel dem Antragsteller vorgehalten würden.

Die Vorgaben eines 17 Jahre alten Erlasses dürften angesichts des gesellschaftlichen Wandels nicht ohne nähere Prüfung eine mangelnde Eignung begründen können. Ob in großflächigen Tätowierungen im sichtbaren Hautbereich tatsächlich eine "überzogene Individualität" zum Ausdruck komme, wie das Landesamt angenommen habe, müsse in einem Hauptsacheverfahren näher untersucht werden.

Ob der Antragsteller tatsächlich die Voraussetzungen für die spätere Übernahme in den Polizeidienst erfülle, kann nun im Auswahlverfahren festgestellt werden. Das Land hat die Möglichkeit, gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen.

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 31. Juli 2012, Aktenzeichen 1 L 277/12

Kontrolle: Polizei muss in Vorleistung gehen

Beim Verdacht auf Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ist eine Identitätsfeststellung durch Polizeibeamte nur zulässig, wenn dem Betroffenen vorher gesagt wird, was ihm zur Last gelegt wird. Die Polizei darf also nicht erst nach den Personalien fragen und den Betroffenen zunächst im Unklaren lassen. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm hervor.

Die Richters sprechen einen jungen Mann frei, dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen wurde. Bei einer nicht angemeldeten Demo hatte er sich dem Zugriff von Polizeibeamten entzogen, als diese seine Personalien wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz aufnehmen wollten. Um was es geht, hatten die Polizisten dem Mann vorher nicht gesagt.

Laut Oberlandesgericht Hamm gehört es zu den “wesentlichen Förmlichkeiten” einer Identitätsfeststellung, dass dem Betroffenen vorher gesagt wird, was ihm zur Last gelegt wird. Hiervon gebe es nur wenige Ausnahmen.

Dazu gehöre etwa eine Situation, in der kein Zweifel an dem konkreten Vorwurf bestehe. Das ist aber zum Beispiel bei Verkehrsdelikten, wenn man rausgewunken wird, fast nie der Fall. Denkbar ist auch, dass der Ermittlungserfolg gefährdet wird oder die Umstände eine Information unmöglich machen. Das sind aber Ausnahmesituationen.

Im entschiedenen Fall durfte sich der Betroffene also aus dem Griff des Polizeibeamten winden. Das half ihm letztlich allerdings wenig, weil er daraufhin auf den Boden geworfen und gefesselt wurde. Immerhin entgeht der Mann nun aber einer Vorstrafe.

Auch wenn es nicht auf eine körperliche Auseinandersetzung hinausläuft, kann man das Urteil im Alltag verwenden. Die Polizei muss erst mal Farbe bekennen, worum es eigentlich geht. Erst dann muss man seine Personalien angeben oder den Personalausweis zeigen. Das kann durchaus eine interessante Diskussion ergeben…

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2012, Aktenzeichen III-3 RVs 33/12

Back in time

In einer Bußgeldsache habe ich 24. Juli 1998 bei der Stadt Dortmund Akteneinsicht beantragt. Hierauf erhalte ich heute ein Schreiben, in dem folgendes steht:

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Sorry, ich meinte natürlich 2012.

Lex Google findet keine Freunde

Was am Freitag noch mit Fragezeichen versehen werden musste, ist jetzt belegt. Der aktuelle Entwurf für ein Leistungsschutzrecht mutiert zu einer Lex Google. Für die Übernahme von Presseerzeugnissen sollen nur Suchmaschinen zahlen. Blogger, Nutzer sozialer Netzwerke und Firmen werden nach den derzeitigen Plänen des Bundesjustizministeriums nicht mehr erfasst.

Deutlich wird dies am PDF der aktuellen Fassung, das seinen Weg zum Beispiel in diese Dropbox gefunden hat. Schon die Anmerkungen zum Entwurf sind eindeutig:

Jedoch  ist ein Schutz nur vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen geboten, da deren Geschäftsmodell in besonderer Weise darauf ausgerichtet ist, für die eigene Wertschöpfung auf die verlegerische Leistung zuzugreifen. Nicht erfasst werden deshalb andere Nutzer, wie z.B. Blogger, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Rechtsanwaltskanzleien oder private bzw. ehrenamtliche Nutzer.

Die genannten Gruppen würden, so betont der Entwurf weiter, durch das Leistungsschutzrecht nicht berührt. Das scheinen keine leeren Worte zu sein, denn auch im eigentlichen Gesetzestext spiegeln sich die Vorgaben wieder. Dort heißt es:

Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen,
soweit sie nicht durch die Anbieter von Suchmaschinen erfolgt.

Diese klaren Worte zerstreuen auch Bedenken, dass die verantwortlichen Beamten möglicherweise jede normale Webseite zu einer “Suchmaschine” deklarieren wollen. Findet sich doch heute kaum ein Blog und schon gar kein soziales Netzwerk, das ohne Suchfunktion auskommt.

Aber das wäre angesichts der Anmerkungen doch eine sehr gewagte Auslege. Somit meint man es im Justizministerium anscheinend ernst und beschränkt den Kreis der Zahlungspflichtigen auf echte Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo.

Damit dürfte sich die Hoffnung der Verlage, doch noch nennenswert mit dem Leistungsschutzrecht Kasse zu machen, zerschlagen. Die potentiellen Rechnungsempfänger sind nur noch eine sehr überschaubare Gruppe. Und ausgerechnet auch noch eine, die sich Streit und Prozesse leisten kann.

Zudem sitzen Google & Co. am längeren Hebel. Sie können theoretisch deutsche Presseerzeugnisse mit ein paar Mausklicks aus ihrem Index verbannen. Eine Maßnahme, welche die Verleger extrem scheuen dürften. Denn bei vielen Publikationen sollen mittlerweile zwischen 30 und 50 Prozent des gesamten Traffics über Suchmaschinen kommen. Ein Wegfall dieser Besucher würde die Reichweiten der Seiten extrem drücken, was wiederum sinkende Werbeeinnahmen bedeutet.

Die Zahlen erklären auch die Zurückhaltung vieler Verlage, die angeblichen Texteklauer unter den Suchmaschinen von sich aus zu boykottieren. Durch einen simplen Eintrag auf der eigenen Webseite lässt sich Google nämlich aussperren – dafür braucht man kein Leistungsschutzrecht. Die Crawler des Unternehmens respektieren solche “Zutritt verboten”-Signale.

Dagegen hat Google bereits einmal gezeigt, dass man sich ungern von Verlegern an die Kandare nehmen lässt. In Belgien klagten Verlage gegen Google News und bekamen vor Gericht recht. Allerdings interpretierte Google das Urteil so, dass jede Indexierung von Verlagsinhalten unzulässig ist. Google entfernte alle Links auf belgische Presseprodukte – auch in der normalen Suche. Im Anschluss daran war das Wehklagen groß. Irgendwie hat man sich in Belgien wohl wieder vertragen, Zeitungen sind jedenfalls wieder im Index. Dass die Suchmaschine aber nun Geld an die Verlage zahlt, ist noch nirgends berichtet worden.  

Die aktuellen Pläne aus Berlin stoßen demgemäß auf wenig Begeisterung bei der Verlegerlobby. In dieser Fassung sei das Gesetz schlicht inakzeptabel, twitterte Springer-Lobbyist Christoph Keese. Seine Kritiker ließen es sich daraufhin nicht nehmen, Keese nun euphorisch in den Reihen der vehementen Gegner eines Leistungsschutzrechts zu begrüßen.

Ob die Lex Google den Verlegern wirtschaftlich etwas bringt, ist nur die eine Frage. Die andere lautet, ob die Regelung überhaupt so zulässig ist. Bruno Kramm, Urheberrechtsexperte der Piratenpartei, sieht laut Zeit ein sogenanntes Einzelfallgesetz. Solche Regelungen untersagt die Verfassung.