Volkszählung: Der Portotrick

Die Fragebögen für die Volkszählung flattern derzeit den Auserwählten ins Haus. Während für den normalen Zensus (Stichprobe) Erhebungsbeauftragte unterwegs sind, werden alle Grundstücks- und Wohnungseigentümer lediglich angeschrieben. Sie sollen auch ausschließlich schriftlich antworten. Aber auch den sonstigen Befragten steht es frei, schriftlich zu antworten. Große Verunsicherung, aber auch Ärger herrschen darüber, wer das Porto für die Rücksendung der Fragebögen übernehmen muss.

Das Gesetz selbst drückt sich verschwurbelt aus.

Die Antwort ist, soweit in einer Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, für den Empfänger kosten- und portofrei zu erteilen.

Empfänger im Sinne des Gesetzes ist nicht, wie man annehmen könnte, der Befragte. Sondern die Behörde. Das bedeutet: Grundsätzlich muss also der Befragte = Bürger das Porto zahlen. Bei der Dicke der Antwortbögen und der Größe der Umschläge müsste also jeder Teilnehmer am Zensus mindestens 1,45 Euro in Porto investieren.

So weit die Theorie. Die Praxis sieht für die Befragten viel erfreulicher aus. Die Behörden haben die vorgedruckten Antwortbögen nämlich postalisch korrekt als “ANTWORT” gestaltet.

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Dies bedeutet nach den Bedingungen der Deutschen Post, dass diese verpflichtet ist, auch unfrankierte Antworten an ihre Kunden, hier die Statistikämter, auszuliefern. Diese wiederum müssen die unfrankierten Sendungen annehmen und anstelle des Absenders das normale Porto an die Post zahlen.

Die Methode wurde wahrscheinlich gewählt, um das normalerweise fällige Zusatzporto bei unfrankierten Sendungen zu vermeiden, die nicht als “Antwort” gekennzeichnet sind. Ansonsten wäre es den Behörden ja nur möglich gewesen, die Annahme unfrankierter Sendungen zu verweigern. Mit der Folge, dass den Bürgern die unfrankierten Antwortbögen wieder zurückgeschickt werden. Offenbar wollte man es vermeiden, dann hinter diesen Fragebögen herzulaufen.

Andererseits sehe ich nicht, wer den Bürger davon abhalten können sollte, von der kostenlosen Antwortmöglichkeit im Sinne der Postbedingungen Gebrauch zu machen. Diese Gestaltung haben die Behörden freiwillig und in Kenntnis der Tatsache gewählt, dass der Absender einer postalisch korrekt deklarierten “Antwort” eben auch unfrankiert antworten darf.

Den Statistikämtern ist auch bewusst, dass sie gegen unfrankierte Sendungen nichts machen können. “Die Lücke ist bekannt, wird aber natürlich nicht kommuniziert”, sagte mir heute der Mitarbeiter einer Behörde, der namentlich nicht genannt werden will.

Bei Eingang der Antworten werde schon gar nicht nachgehalten, welcher Bürger kein Porto auf den Umschlag geklebt hat. Dafür gebe es kein Personal. Außerdem würde eine Portoverweigerer-Datei mit den strengen Datenschutzvorschriften für den Zensus kollidieren.

Den Ämtern sei es schon wegen des immensen Verwaltungsaufwandes nicht möglich, portoscheuen Bürgern Rechnungen zu schicken. Bereits die Kosten für die erste Mahnung wären weitaus höher als der Preis einer Briefmarke, die man vom Bürger vielleicht zurückverlangen könnte.

“Außerdem”, so der Beamte, “ist ja ohnehin damit zu rechnen, dass wir bei dieser Sachlage gegen Nachforderungen gerichtete Klagen vor den Verwaltungsgerichten verlieren.”

Freunde des Telefons

Strafverteidigung ist zu einem guten, wahrscheinlich sogar überwiegenden Teil Psychologie. Deshalb habe ich es mir angewöhnt, zu Beginn jeder Sache mit den Beteiligten auf der anderen Seite zu sprechen. Das heißt, ich rufe grundsätzlich Polizeibeamte und Staatsanwälte an. Die meisten Gespräche sind freundlich und informativ – immerhin wird man ja die nächste Zeit miteinander zu tun haben. Nur ganz selten zeigt sich ein Gegenüber als uninteressiert an allem, was nicht auf Papier steht. Aber auch das ist ja eine Information…

So ein Kontakt wirkt nach meinem Eindruck lange fort. Selbst wenn es zu Anfang eines Mandates – und damit regelmäßig vor Akteneinsicht – natürlich nicht allzu viele Details zu besprechen gibt, hat man erst mal eine persönliche Brücke gebaut, über die man später einfacher aufeinander zugehen kann, wenn es denn was zu diskutieren oder zu verhandeln gibt.

Ich habe heute einen Staatsanwalt beim Kaffee gefragt, wie viele Verteidiger es ähnlich halten wie ich. Unter den Fachanwälten für Strafrecht schätzt er die Quote der Telefonfreunde auf 70 %. Anwälte, die eher in anderen Rechtsgebieten tätig sind, meldeten sich dagegen kaum mal am Telefon. Höchstens jeder Fünfte raffe sich dazu auf.

Solche Anrufe von Anwälten nutzen geübte Strafverfolger übrigens auch gerne mal aus. Heute riet mir ein Polizist, mein Mandant solle doch noch heute nachmittag vorbeikommen und reinen Tisch machen. Natürlich ohne vorherige Akteneinsicht. Andere Anwälte machten das auch so, und es sei nie zum Schaden der Mandanten, sagte der Polizist. Er war ein bisschen angesäuert, als ich standhaft ablehnte, meinen Mandanten allein auf Geständnistour zu ihm zu schicken und / oder auf Akteneinsicht zu verzichten.

Auch so ein Gespräch ist letztlich sinnvoll. Man weiß nicht nur, mit wem man es zu tun hat. Sondern man wird auch daran erinnert, dass selbst die ältesten Taschenspielertricks in Ermittlerkreisen nicht aus der Mode kommen.

Oberpingel

Über einen Freispruch freut sich jeder Verteidiger. Aber der juristische Erfolg hat auch Schattenseiten. Er führt in die Klauen von Kostenbeamten, welche die Anwaltsrechnung überprüfen, für die der Staat aufzukommen hat. Unter diesen Staatsdienern gibt es eine stattliche Quote ausgemachter Oberpingel.

So mancher Rechtspfleger blättert etwa mit Vorliebe gemütlich in der Akte und prüft, ob auch jede vom Anwalt angemeldete Kopie erstattungsfähig ist. Da werden dann gern bei Akten mit etlichen hundert Seiten drei, fünf oder acht Kopien moniert. Macht eine theoretische Ersparnis von ein, zwei Euro. Die für dieses glorreiche Ergebnis aufgewendete und vom Steuerzahler bezahlte Arbeitszeit des Beamten dürfte bei einem Faktor 30 aufwärts liegen.

Womit natürlich noch nicht gesagt ist, dass die Kürzung zu recht erfolgt. Sofern man sich als Anwalt nicht geschlagen gibt, bleiben Rechtsmittel, über die am Ende gestandene Richter brüten – und oft dem Anwalt in der Sache auch noch zustimmen. Außer Spesen ist dann rein gar nichts gewesen. 

Anderes Beispiel: Der Rechtspfleger teilte mit Hinweis auf den Google Routenplaner mit, die einfache Strecke von meinem Büro zum Gericht betrage nicht 89 Kilometer. Sondern 87. Für die Abweichung gab es sogar eine Erklärung. Zum Gericht gelangt man gleichermaßen gut über zwei Autobahnabfahrten. Der eine Weg durch die City ist allerdings einen Tick länger, wird aber vom Navi meines Autos als die “günstigste Strecke” angesehen. Ich habe auf die 60 Cent verzichtet und nehme seitdem immer gleich die Streckenangaben von Google. Wenigstens ist an dieser Front nun Ruhe. Anderes ertragen die Nerven auf Dauer nicht.

Beliebt war bislang auch der Streit um die Aktenversendungspauschale. Wir Anwälte müssen 12 Euro an die Justiz zahlen, wenn uns die Gerichtsakte zugesandt wird. Es war natürlich klar, dass emsige Kostenbeamte sich verwundert die Augen rieben, wenn nach einem Freispruch nicht glatte 12 Euro, sondern 14,28 Euro geltend gemacht wurden.

Der Mehrbetrag ist die Umsatzsteuer. Wer schon mal in eine Umsatzsteuerfibel hineingesehen hat, für den ist der Aufschlag auch nicht verwunderlich. Da der Anwalt die Aktenversendung selbst beantragt und dementprechend die Pauschale auch selbst zahlen muss, handelt es sich schlichtweg nicht um einen durchlaufenden Posten. Nur dieser wäre umsatzsteuerfrei.

Das hinderte Rechtspfleger aber nicht daran, landauf landab bei jeder dieser Pauschalen ein Fass aufzumachen und “durchlaufender Posten” zu schreien. Offensichtlich war es für manche Beamte schlichtweg unvorstellbar, dass jemand mehr erstattet bekommt, als er selbst eingezahlt hat. Hieran änderten auch etliche anderslautende Urteile übergeordneter Richter nichts, die bis auf wenige Ausreißer das System der Umsatzsteuer verstanden haben.

Nun zur guten Nachricht, wenn man Anwalt ist. Beziehungsweise der schlechten für Kostenbeamte. Der Bundesgerichtshof hat als letzte Instanz nun klipp und klar geurteilt, die Umsatzsteuer ist zu erstatten, weil Aktenversendungskosten für den Anwalt kein durchlaufender Posten sind (Urteil vom 6. April 2011).

Wenigstens ein Diskussionspunkt weniger – wenn sich das Urteil in einigen Monaten rumgesprochen hat.

Ebayer haften nicht für Kontomissbrauch

Fingierte Bestellungen, gefakte Auktionen: Der Missbrauch eines ebay-Kontos kann für Betroffene zum Albtraum werden. Doch ein ebay-Mitglied haftet gar nicht ohne weiteres für Schindluder, der mit seinem Account getrieben wird. Selbst die unsorgfältige Aufbewahrung der Logindaten begründet noch keine Schadensersatzpflicht. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden.

Darum ging es: Auf dem ebay-Konto der Beklagten war im März 2008 eine komplette Gaststätteneinrichtung angeboten worden. Startpreis war ein Euro. Die Auktion wurde einem Tag nach dem Start beendet. Der damalige Höchstbietende, der mit 1.000 Euro im Rennen war, verlangte knapp 33.000 Euro Schadensersatz. Die Beklagte sagte, ihr Mann habe die Auktion ohne ihr Wissen gestartet.

Der Höchstbietende kommt nicht zu seinem Geld. Der Bundesgerichtshof sieht nämlich keinen Grund, von den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs abzuweichen. Danach wird jemand nur dann ohne eigenes Zutun Vertragspartner, wenn er wirksam vertreten wurde. Davon könne keine Rede sein, befanden die Richter. Selbst die Möglichkeit, dass die Logindaten nicht oder nur oberflächlich gesichert waren, begründe keine Haftung des “Vertretenen”, hier der Kontoinhaberin.

Der Kläger berief sich auch erfolglos auf die Geschäftsbedingungen von ebay. Diese sehen gerade vor, dass der Kontoinhaber für alle Aktivitäten haftet, die über seinen Account laufen. Die Klausel sei aber gar nicht anwendbar, befinden die Richter. Sie wirke nämlich nur zwischen ebay und der Kontoinhaberin, aber nicht zwischen dem tatsächlichen Anbieter und dem Höchstbietenden.

Letzteres klingt etwas nebulös. Wie der Bundesgerichtshof genau argumentiert, wird man wohl erst der schriftlichen Urteilsbegründung entnehmen können. Diese liegt, anders als eine Pressemitteilung, aber noch nicht vor.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Mai 2011, Aktenzeichen VIII ZR 289/09

Nominiert

Bis heute war alles geheim, aber heute mittag hat das Grimme Institut in Düsseldorf bekanntgegeben, wer für den Grimme Online Award 2011 nominiert ist. Das law blog ist unter den 25 Kandidaten, welche die Vorstellungsrunde überlebt haben und nun in den Recall kommen.

Das law blog geht in der der Kategorie Information ins Rennen. Ich freue mich, fast alle “Konkurrenten” persönlich zu kennen und zu schätzen. Das verspricht jedenfalls eine schöne Preisverleihung am 22. Juni in Köln – unabhängig davon, wem die Jury am Ende den Grimme Preis in der Kategorie Information zuerkennt.

Außerdem gibt es noch den Publikumspreis. Für diesen Award kann jeder, der möchte, online abstimmen.

Gericht schaut sich Videos nicht an

Wenn ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter heimlich per Video überwacht, dürfen die Aufnahmen nicht als Beweis verwertet werden. Mit dieser Begründung weigerte sich das Arbeitsgericht Düsseldorf, Aufnahmen eines Brauhauses anzusehen. Mit den Bildern wollte der Arbeitgeber belegen, dass ein Mitarbeiter falsch abgerechnet hat.

Nicht jeder pauschale Verdacht auf Unterschlagung von Getränken durch in einem Brauhaus beschäftigte Arbeitnehmer rechtfertigt eine heimliche Videoüberwachung durch den Arbeitgeber, entschieden die Richter. Erst dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund tatsächlicher, nachprüfbarer Anhaltspunkte seinen Verdacht auf bestimmte Personen sowie eine bestimmte Tat konkretisieren kann, kommt nach umfassender Interessenabwägung eine heimliche Überwachung des Arbeitsplatzes in Betracht.

Diese engen Voraussetzungen konnte das Arbeitsgericht nicht bejahen. Die Videos blieben somit außen vor, und der Arbeitgeber konnte seine Vorwürfe nicht beweisen. Der Arbeitnehmer behält zunächst seinen Arbeitsplatz.

Arbeitsgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 11 Ca 7326/10

“Jetzt hat er sein Pulver verschossen”

Falls der nach einer spektakulären Flucht gefasste Friedrichshafener Taximörder Andrej W. Langeweile hat, kann er ja mal über Zivilprozesse nachdenken. Zum Beispiel gegen seinen Anwalt, den Pflichtverteidiger Klaus F. aus Konstanz.

W.s Anwalt hat sich gegenüber der Schwäbischen Zeitung geäußert. Zitat:

Dass Andrej W. erneut ein solcher Coup gelingt, hält der Anwalt für ausgeschlossen. Die Therapieaussichten seien extrem schlecht. „Er hat so viele Schädigungen und Traumata, dass er eigentlich nicht heilbar ist“, sagt F., und eine Heilung sei Voraussetzung dafür, dass er überhaupt in einen normalen Vollzug kommt. Für den Anwalt ist klar: „Jetzt hat er sein Pulver verschossen.“ Er werde wohl für immer in der geschlossenen Psychiatrie bleiben, das heiße: kein Kontakt nach außen, kein Fernsehen, nur eine Stunde Hofgang am Tag.

Ein Verteidiger, auch der vom Staat bezahlte, hat nur eine simple Aufgabe: Er muss die Interessen seines Mandanten wahren. Den eigenen Klienten öffentlich als geschädigt, traumatisiert und unheilbar darzustellen, gehört nicht dazu. Noch weniger die Aussage, es gebe sowieso keine Chance für den Betroffenen, dieser habe sein Pulver verschossen. Und zwischen den Zeilen quasi eigene, private Befriedigung darüber zu äußern, dass der Betroffene mit “harten” Bedingungen rechnen muss, ist unprofessionell und deutlich mehr als grenzwertig.

Selbst ein Strafverfolger oder Richter, der sich so äußert, müsste sich Fragen nach seiner Unbefangenheit gefallen lassen. Vom Verteidiger hätte ich solche Äußerungen aber für unmöglich gehalten. Bis heute.

Deshalb die Frage:

Geht es für einen Anwalt eigentlich noch geringschätziger, noch pflichtvergessener?

Und ja, es gibt eine Alternative es zur öffentlichen Demontage des eigenen Mandanten. Klappe halten.

It’s as simple as that.

Böse Leuchtzeichen

“Die Lichthupe fällt als Anzeige der Überholabsicht auf der selben Spur nun mal unter Nötigung.”

So heißt es in einem Leserkommentar zum Beitrag “Selbstgedrehte Videos kosten Führerschein”. Auch Polizeibeamte nehmen mitunter Strafanzeigen genau mit diesem Inhalt auf: Der Böse hinter mir auf der Autobahn hat mich angeblinkt; das war glasklar eine Nötigung.

Das – nachvollziehbare – Empfinden und die Rechtslage decken sich aber nicht. Die Lichthupe ist eben nicht nur ein Warnsignal oder eine Möglichkeit, Hausfassaden auf der Suche nach der richtigen Hausnummer anzuleuchten. Das bestimmt der auch bei Juristen nicht sonderlich bekannte § 5 Straßenverkehrsordnung:

Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden.

Den Vordermann kurz anzublinken ist somit zulässig. Gerichte halten stoßweises Blinken für erlaubt, sofern es sich nicht über mehr als einige Sekunden erstreckt. Sogar gegen kurzes Hupen ist nach dem Wortlaut der StVO grundsätzlich erlaubt – wenn man es sich denn traut. Voraussetzung ist aber, dass der Sicherheitsabstand zumindest leidlich eingehalten und kein entgegenkommendes Auto geblendet wird.

Wenn man das weiß, vielleicht fällt es vielleicht leichter, mal einen blinkenden Hintermann zu ertragen…

Privatsphäre ist ein Menschenrecht

Es ging um angebliche Sex-Partys des früheren Formel-1-Chefs Max Mosley. Die britische Zeitung News of the World berichtete im Jahre 2008 darüber exzessiv. Unter anderem erzählte sie den Inhalt eines mehrstündigen Videos, das Mosley bei sexuellen Aktivitäten zeigt. Die Weltpresse griff die Geschichte auf und der Ruf des Sportfunktionärs war dauerhaft beschädigt.

Was nun schon einige Zeit zurückliegt, hätte um ein Haar Auswirkungen auf die europäische Pressefreiheit gehabt. Mosley hat nämlich nicht nur in England, Deutschland und anderen Ländern erfolgreich gegen Medien geklagt, sondern sich auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt. Redaktionen, fordert er, müssten Privatleute vor der Veröffentlichung brisanter Informationen benachrichtigen. Damit sollen die Betroffenen die Möglichkeit bekommen, im Vorfeld gegen den geplanten Bericht zu klagen.

Das Ganze nennt sich “pre-notification requirement”. Ohne eine derartige Vorschrift, so Mosley, seien die Menschenrechte all jener verletzt, die sich Presseberichte über ihr Privatleben gefallen lassen müssen. Der einmal eingetretene Schaden sei auch nicht mit Schmerzensgeld zu reparieren. Seine Anwälte stützten die Klage auf Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Vorschrift schützt das Privat- und Familienleben.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bekundet in seiner heute veröffentlichten Entscheidung durchaus Sympathie für Mosleys Sicht der Dinge. Die Richter erkennen an, dass dem Briten schwerwiegendes Unrecht widerfahren ist. Im Ergebnis wollen sie sich jedoch nicht zu einem pre-notification requirement durchringen.

Es gebe eine schier unübersehbare Zahl von möglichen Anwendungsfällen. Darunter eben auch jene, in denen ein Interesse an sofortiger Berichterstattung – im Gegensatz zum Fall Mosley- durchaus bejaht werden könne. Letztlich entscheidend für das Gericht ist aber die Sorge um einen “chilling effect”. Eine Pflicht zur Vorabbenachrichtigung beeinträchtige die Presse womöglich so stark, dass sie ihrer Funktion in einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr nachkommen könne.

Ein pre-notfication requirement wird es also nicht geben. Jedoch stellt der Gerichtshof an mehreren Stellen klar, dass sensationsheischende, nicht durch ein öffentliches Interesse legitimierte Veröffentlichungen privater und intimer Details durchaus die Menschenrechte beeinträchtigen können. Die Entscheidung dürfte also auf jeden Fall demnächst gern von deutschen Pressekammern zitiert werden, wenn sie Verlage zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilen.

(Internet-Law zum gleichen Thema)

Minimalbeschluss

Ich habe heute mal wieder gegen einen dürftigen Durchsuchungsbeschluss Beschwerde eingelegt:

Der Durchsuchungsbeschluss genügt nicht den minimalen Begründungsanforderungen:

a) Der Durchsuchungsbeschluss enthält keinerlei Angaben dazu, woraus sich der Tatverdacht ergeben soll. Mangels solcher Angaben ist nicht überprüfbar, woraus sich der für eine Durchsuchung zumindest erforderliche Anfangsverdacht für eine Straftat ergeben soll. Der Durchsuchungsbeschluss muss zumindest zusammenfassende Angaben darüber enthalten, auf welche Tatsachen oder tatsächliche Anhaltspunkte sich der Ermittlungsrichter bei seiner Bewertung des Tatverdachts bezieht. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil nach ständiger Rechtsprechung bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte einen Anfangsverdacht regelmäßig nicht rechtfertigen können.

b) Der Durchsuchungsbeschluss enthält keinerlei Angaben darüber, ob die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft worden ist. Bei derart schweren Grundrechtseingriffen ist es erforderlich, dass sich der Ermittlungsrichter zur Frage der Verhältnismäßigkeit äußert. Der vorliegende Durchsuchungsbeschluss lässt nicht erkennen, dass die Frage der Verhältnismäßigkeit überhaupt geprüft wurde.

Als Ursache wird es dann später wieder heißen, die Ermittlungsrichter seien halt überlastet. Wenn sie aber so arbeiten wie in diesem Fall (der kein Einzelfall ist), können wir eigentlich auch gut auf sie verzichten.

Selbstgedrehte Videos kosten Führerschein

Selbstgedrehte Raservideos kosten den Führerschein. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einem 25-Jährigen klargemacht. Der Mann hatte sich regelmäßig Sportwagen eines schwäbischen Herstellers geliehen und rasante Spritztouren unternommen, die er in selbstgedrehten Videos festhielt.

So filmte er unter anderem eine Fahrt mit 180 km/h durch die Innenstadt sowie rasante Wendemanöver und „Burnouts“ auf einer Einbahnstraße in der Nähe der Schalke-Arena. In weiteren Videos warfen die Fahrzeuginsassen Eier auf Passanten.

Rund 20 Videos stellte die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen wegen anderer Tatvorwürfe auf dem PC des Klägers sicher und leitete sie an die Fahrerlaubnisbehörde weiter. Die entzog dem Kläger wegen der fehlenden charakterlichen Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr die Fahrerlaubnis.

Zu Recht, wie die Kammer des Verwaltungsgerichts dem Kläger in einem Erörterungstermin verdeutlichte. Allein die gefilmten Fahrten entgegen der Fahrtrichtung nach den Wendemanövern in der Einbahnstraße hätten das Flensburger Punktekonto des Klägers um mindestens 40 Punkte bereichert. Die Richter wiesen insbesondere darauf hin, dass auch Fahrten, die inzwischen womöglich verjährt sind und damit nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnten, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen seien. In Verfahren dieser Art ist nämlich auf die – längeren – Tilgungsfristen für die Eintragung in das Verkehrszentralregister abzustellen.

Das Verwaltungsgericht empfohl dem Mann eine verkehrspsychologische Therapie. Um seine Chancen hierbei nicht zu verschlechtern, nahm der Betroffene die Klage zurück. Das Verwaltungsgericht muss ihm nun nicht alles auch noch schriftlich geben.