Street View: Das „tote“ Mädchen am Straßenrand
Hinter der Gardine hervorgucken, aber nicht gesehen werden wollen
Die Bundeswehr ist in Afghanistan und auf Flickr
Exorbitante Gebühren: Telekom muss Kunden rechtzeitig warnen
Es ist ja doch immer erstaunlich, wo und wie der Servicegedanke bei Behörden Einzug hält. Bei der Polizei, die ja mitunter noch etwas spröde agiert, scheint sich nun auch etwas zu tun.
So erhält ein Mandant nach einer Hausdurchsuchung ein längliches Schreiben, in dem ihm eine erkennungsdienstliche Behandlung, also Fingerabdrücke, Fotos und Körpervermerssung, in Aussicht gestellt wird. Das Schreiben ist auch leicht verständlich – sofern man wie ich das Zusatzstudium Bürokratendeutsch absolviert hat.
Ich versuche eine Kurzfassung:
Der Brief ist eine Anhörung. Mein Mandant bekommt Gelegenheit, sich in den nächsten zwei Wochen zu der beabsichtigten Behandlung zu äußern. Erst dann wird die Polizei endgültig entscheiden, ob sie die Maßnahme anordnet. (Gegen diesen Bescheid kann dann Widerspruch eingelegt oder vielleicht sogar gleich geklagt werden.)
Doch zurück zum Thema, dem Bestreben nach mehr Bürgernähe. Am Ende des Schreibens folgender Absatz:
Mein Mandant hat den Brief trotzdem als Vorladung aufgefasst. Natürlich seine Schuld, ganz klar. Ich habe ihm erklärt, dass es sich gerade bei dem genannten Termin nur um einen freundlich gemeinten Bürgerservice handelt, der es ihm ermöglicht, mit einem guten Gefühl im Bauch seine eigenen Interessen in den Wind zu schießen.
Und dass er natürlich nicht hingehen soll.
Die Sache ist etwas kippelig. Vielleicht hat sich mein Mandant strafbar gemacht. Vielleicht auch nicht. Das könnte nur im Rahmen einer Hauptverhandlung geklärt werden. Mit Zeugen. Sachverständigen. Viel Zeit. Und noch mehr Kosten.
Das Gericht schlug vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Mein Mandant sollte dafür auf die Rückgabe seines sichergestellten Notebooks verzichten. Was bei einem neuen MacBook Pro natürlich schmerzlich ist. Ich schrieb deshalb folgendes ans Gericht:
Letztlich erlaube ich mir auch den Hinweis, dass das Notebook neu war und einen Anschaffungspreis von € 3.100,00 hatte. Es handelt sich also nicht um ein schlichtes Gerät aus dem Media Markt, dessen Verlust man ohne weiteres finanziell verkraften könnte.
Ich möchte deshalb folgenden Vorschlag unterbreiten: Mein Mandant verzichtet auf die Rückgabe der Festplatte seines Notebooks. Die Festplatte kann einfach ausgebaut werden. Die laut Anklage rechtswidrigen Programme befinden sich auf der Festplatte, so dass die fraglichen Programme auch nicht wieder in den Besitz meines Mandanten zurückgehen würden.
Staatsanwaltschaft und Gericht haben diesem Vorschlag jetzt zugestimmt. Ich hoffe mal stark, diese Entscheidung löst in der zuständigen Polizeidienststelle herbe Enttäuschung aus. In den Ermittlungsberichten blitzt nämlich durchaus Begeisterung über das Notebook auf. Es hätte das Abteilungsequipment sicher spürbar aufgewertet.
Ein Supermarkt im Karlsruher Hauptbahnhof interpretiert das deutsche Einwegpfandsystem auf eigensinnige Weise:
Anscheinend ist der Ladeninhaber der Meinung, die Rücknahme von Pfandflaschen sei ein Kaufvertrag (§ 433 BGB). Darüber könnte man sogar diskutieren. So wie es jedem Verbraucher freisteht, bei Amazon oder Karstadt zu kaufen (oder eben nicht), so will dieser Händler aber überdies den Rück“kauf“ leerer Pfandflaschen verweigern oder zumindest auf „haushaltsübliche Mengen“ begrenzen. Stichwort: Vertragsfreiheit.
Das alles soll uns wahrscheinlich sagen, § 6 Abs. 8 Verpackungsverordnung, der eine Rücknahmepflicht regelt, ist nur zur allgemeinen Belustigung erlassen worden.
Die als Quelle kaufmännisch-juristischer Inspiration genannte Webseite ist derzeit übrigens leer.
(Danke an Jonas Breyer für das Foto und die Anregungen für diesen Beitrag)
Die Kieler Polizei steckt im Datenstau. Für 150 Polizeibeamte gibt es gerade mal zwei Internetzugänge. Wie die Beamten mit dem Mofa über die Datenautobahn schlurren und bei der Auswertung von Beweisvideos an der Technik scheitern, berichtet NDR Extra Drei.
Lese gerade in einer Akte, dass ein Richter den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft nicht abnicken wollte. Ihm erschien die Strafe zu lasch – wegen einer Vorstrafe des Beschuldigten. Die Vorstrafe ist freilich aus dem Jahr 1995. Sie müsste eigentlich längst gelöscht sein, denn es handelte sich nicht um eine große Sache. Seitdem gab es auch keine neuen Einträge, welche die Löschung des Falles sperren könnten. Trotzdem taucht die Vorstrafe noch im Registerauszug vom Juli 2010 auf.
Außerdem, das erstaunt sogar mich, steht das Ermittlungsverfahren nach über 15 Jahren sogar noch im Polizeicomputer. Die Beamten hatten schon bei der Anzeige in den Computer geguckt und festgehalten, der der Beschuldigte sei vorbelastet. Den Computereintrag haben sie der Einfachheit halber gleich in den Text kopiert. Samt Eintragungsdatum, und das liegt wirklich im Jahr 1995.
Langsam wird meinem Mandanten klar, wieso er bei Verkehrskontrollen immer etwas rüde behandelt wird.
Ich darf nun nicht nur verteidigen, sondern auch dafür sorgen, dass die Einträge gelöscht werden. Was bei der Behäbigkeit mancher Polizeibehörden mit dem Datenschutz mitunter bedeuten kann, dass man bis vors Verwaltungsgericht ziehen darf.
Die Internet-„Sheriffs“ bekennen sich zu ihrer juristischen Verantwortung. Wegen der ungerechtfertigten Löschungsaufforderungen an die Videoplattform Vimeo hat die OpSec Security GmbH aus München gegenüber Mario Sixtus und Alexander Lehmann heute Unterlassungserklärungen abgegeben.
Das Unternehmen verpflichtet sich darin, die Urheberrechte von Sixtus am „Elektrischen Reporter“ und von Lehmann am Film „Du bist Terrrorist“ nicht mehr zu verletzen. Zu den nun untersagten Handlungen zählen insbesondere Erklärungen gegenüber Videoplattformen, in denen die OpSec Security GmbH angebliche Urheberrechtsverstöße meldet (Take-down-Notices), die gar nicht vorliegen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet sich die OpSec Security GmbH zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Außerdem trägt die OpSec Security GmbH die Anwaltskosten.
Im Vorfeld hat sich die OpSec Security GmbH bei Mario Sixtus und Alexander Lehmann bereits für die Löschungsaufforderungen entschuldigt. OpSec Security und GVU versicherten übereinstimmend, der „Fehler“ liege alleine im Verantwortungsbereich der OpSec Security GmbH.
Die GVU macht außerdem geltend, sie sei zwar in das Projekt eingebunden gewesen. Allerdings habe sie in den konkreten Fällen die OpSec Security nicht beauftragt und auch nicht autorisiert, die Löschung der Filme bei der Videoplattform Vimeo im Namen der GVU zu verlangen. Nach dieser Erklärung hatten wir auch die OpSec Security GmbH abgemahnt.
In einem Prozess gegen die GVU müssten Sixtus und Lehmann beweisen, dass die GVU doch Auftraggeber war und somit für die eingestandenen Fehler der OpSec Security GmbH mit haftet. Weder Sixtus noch Lehmann haben Einblick in die (Vertrags-)Beziehungen zwischen GVU und der OpSec Security GmbH. Somit dürfte es ihnen kaum möglich sein, den Nachweis zu führen.
Ich habe meinen Mandanten geraten, hier keinen weiteren Streit zu suchen. Dieser wäre weitgehend auf formaler Ebene auszutragen, nämlich auf dem Gebiet der Beweislast. So ein Rechtsstreit brächte ein enormes finanzielles Risiko mit sich.
Entscheidend ist, dass sich die OpSec Security GmbH als Ausführende der Löschungsaufforderungen zu ihrem Fehler und der daraus resultierenden juristischen Verantwortung bekennt. Sie wird hoffentlich ihre Arbeitsabläufe künftig so gestalten, dass sie nicht selbst zur Urheberrechtsverletzerin wird.
Niederlage für „THOR STEINAR“: Die Inhaber der umstrittenen Bekleidungsmarke können nicht untersagen, dass andere Anbieter Mode unter dem Label „Storch Heinar“ verkaufen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies eine Unterlassungsklage gegen die Hersteller von Storch Heinar zurück.
Das Gericht konnte bereits keine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Labeln erkennen. Storch Heinar verunglimpfe übedies nicht THOR STEINAR oder setze die Marke herab. Soweit Storch Heinar sich satirisch mit der „Konkurrenz“ auseinandersetze, sei dies von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Storch Heinar trägt meist einen übergroßen Wehrmachtshelm und Hitlerbart und macht sich – offensichtlich – über die von THOR STEINAR benutzte Symbolik lustig.
Die Produkte von THOR STEINAR stehen im Ruf, besonders gerne von Rechtsradikalen getraten zu werden.
(Landgericht Nürnberg-Fürth, Urt. vom 11.08.2010 – 3 O 5617/09)
GVU, Nachklapp. Netzpolitik.org schreibt so ziemlich alles, was sich auch gerade aufschreiben wollte. Das kann ich mir jetzt sparen und bitte um freundliche Kenntnisnahme.
Vielleicht noch der Hinweis, dass die Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung morgen endet.
Eine sogenannten Feststellungsklage ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Der Kläger muss ein rechtliches Interesse daran haben, dass ein Rechtsverhältnis (abstrakt) festgestellt wird.
Dieses rechtliche Interesse fehlt, wenn der Kläger direkt auf eine bestimmte Leistung klagen kann. Man darf also beispielsweise nicht beantragen festzustellen, dass ein Bauträger wegen Mängeln am Gebäude zum Schadensersatz verpflichtet ist, sofern sich die Höhe des Schadens bereits beziffern lässt. Beträgt der Schaden zum Beispiel sechstausend Euro, muss halt direkt auf diese sechstausend Euro geklagt werden.
Wie unschwer zu erahnen, sind Feststellungsklagen nicht sonderlich beliebt. Der zweite Prozess, in dem es um die Höhe des Schadens geht, ist nämlich schon absehbar. Deshalb prüfen Gerichte die Zulässigkeit solcher Klagen sehr genau. Etwas überdeutlich für meinen Geschmack bringt das Oberlandesgericht Celle seine Abneigung in einem Urteil zum Ausdruck, das jurabilis ausgegraben hat.
Darin heißt es:
Die angesprochene Problematik zusätzlicher Verfahren ist bisher lediglich deshalb nicht in das allgemeine Bewusstsein gedrungen, weil glücklicherweise Bauprozesse nicht als Feststellungsklage geführt werden und es in den letzten acht Jahren (länger ist noch kein Richter in diesem Senat) nicht einen einzigen Fall gegeben hat, in dem ein Bauprozess nicht im Wege der Leistungsklage ausgetragen worden ist.
Dabei darf man indessen die langfristig zu befürchtenden Auswirkungen nicht außer Betracht lassen, wenn derartige Verfahren als Feststellungsprozess zulässig sein sollten. Es gibt in Deutschland mehr als 110000 Anwälte, jährlich kommen 6000 hinzu und viele leben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Deshalb ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer zu weitgehenden Zulassung der Feststellungsklage der gebührenrechtliche Aspekt einen zu hohen Stellenwert erhalten könnte, mag das auch in diesem Fall keine Rolle spielen. Unter Abwägung sämtlicher Interessen der Parteien – und zwar auch der wohlverstandenen Interessen des Bauherren -, hält der Senat deshalb im Bauprozess mit dem LG jedenfalls in der Regel die Erhebung einer Feststellungsklage für unzulässig.
Das Gebührenrecht beeinflusst also das Prozessrecht, und OLG-Richter müssen Mandanten vor ihren raffgierigen Anwälten schützen. Von einer Richterbank betrachtet, kann die Welt so einfach sein.
Der Vergleich machte einige Arbeit, jetzt ist er aber fertig. Wie üblich, reichten wir und die Gegenseite den übereinstimmenden Text, in diesem Fall fast drei Seiten, wie vorgeschrieben auf totem Holz bei Gericht ein und baten darum, den Vergleich schriftlich festzustellen. Das erspart einen Gerichtstermin.
Heute morgen rief eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Gerichts bei uns an und bat um eine Word-Datei des Vergleichs. Per E-Mail. Weil sie sich dann das Abschreiben sparen kann.
Es bewegt sich was bei der Justiz.
„Ein sehr guter, auf dem Gebiet des Steuerrechts qualifizierter, engagierter Mitarbeiter“
Wer zweimal fickt, dem glaubt man nicht
Für ein paar Dollar in cash: Newsweek wechselt den Besitzer
Frühere NDR-Fernsehspielchefin wird angeklagt
Toter Hund soll GEZ-Gebühren zahlen