Überschäumende Freude

Post aus der Justizvollzugsanstalt:

Sehr geehrter Herr Vetter, die Revision ist durchgegangen. Bitte um schnellstmöglichen Besuch. Wir müssen das weitere Vorgehen besprechen.

Na, das nenne ich mal überschäumende Freude.

Schnüffel-SEK für Gefängnisse

Die Idee liegt nahe. Sie ist lange gewälzt worden, in der Mitte vorigen Jahres hat sie sich im Justizministerium verfestigt und wird nun umgesetzt. Spätestens in sechs Monaten sollen vier ausgebildete Hunde durch zunächst ebenso viel Justizvollzugsanstalten des Landes schnüffeln, um Rauschgift aller Art bei Gefangenen, deren Besuchern und in den Zellen aufzuspüren.

Dazu sind speziell belgische, aber auch deutsche Schäferhunde geeignet. Cockerspaniel oder Labradore kommen auch infrage. Die können allerlei aufspüren. Marihuana etwa, Kokain, Opium, Heroin sowieso und Amphetamine, dieses leicht nach Fisch riechende Aufputschmittel. Das Projekt beginnt in den Justizvollzugsanstalten (JVA) von Kleve, Köln, Castrop-Rauxel und Hamm.

In Kleve etwa, so sagt es Ministeriumssprecherin Andrea Bögge, sitzen „der Grenznähe zu den Niederlanden mit 153 Menschen überdurchschnittlich viele Abhängige“. Sollte der Probelauf erfolgreich sein, werden Spürhunde auch in anderen JVA eingesetzt. Tücken gibt es dabei angeblich keine.

Zunächst setzt Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) auf den hoch entwickelten Riechsinn der Hunde. Vier solcher Tiere werden, sobald sie nach ein bis zwei Jahren ausbildungsreif sind, zuerst 20 Tage lang in der Polizeihundeschule Stukenbrock bei Gütersloh auf Gehorsam gedrillt. In den 50 Tage danach wird ihnen das Wittern nach Drogen beigebracht. Sie sollen dann gelernt haben, Duftgemische wahrzunehmen, sogar Teilgerüche herauszufiltern.

Die Menschen an ihrer Seite werden vom allgemeinen Dienst freigestellte JVA-Beamte sein. Die bringen, so der Plan, die Hunde artgerecht zuhause unter. Wobei eventuell die Familie mitspielen wird – „freiwillig“, so betont es Andrea Bögge. Der finanzielle Aufwand liegt bei 19.400 Euro. Darin sind die Kosten für die Anschaffung (8.000 Euro), vier Zwinger (5.600), die Tierärzte (800), das Futter (4.080) und selbst für mögliche Reinigungen (940) enthalten.

Diesen Ausgaben stehen allerdings alarmierende Zahlen entgegen. In den 37 nordrhein-westfälischen Gefängnissen gibt es 6.401 Menschen, die abhängig von illegalen Drogen sind (Alkohol und Medikamente zählen beispielsweise nicht dazu). 5.629 Männer gehören dazu, 412 Frauen. Allen wird mit den Spürhunden der Konsum schwer oder unmöglich gemacht. Bei Funden wird es keine Lockerung des Vollzuges mehr geben, neue Strafverfahren folgen.

Die Schnüffelfahndung ist, so erklärt es Andrea Bögge, mit dem Strafvollzugsgesetz abgedeckt: „Schon jetzt werden die Zellen wenigstens einmal wöchentlich durchsucht“. Dabei helfen bereits Suchhunde von Polizei und Zoll. Die der Justiz bekommen einen neuen Schwerpunkt. Sie dürfen und sollen auch schon im Besuchsbereich schnuppern. Fällt dort jemand auf, der Rauschgift hinter die Gitter schmuggeln will, folgt notfalls eine Durchsuchung von Polizeibeamten. (pbd)

Ruhige Tage im Briefzentrum

Freitag letzter Woche habe ich mich verschaukelt gefühlt. Ein Gegner sagte, er habe die Unterlassungserklärung am Montag unterschrieben und noch am gleichen Tag weggeschickt.

Ein Brief von Bremen nach Düsseldorf braucht fünf Tage? Eher unwahrscheinlich. Heute wurde ich eines Besseren belehrt. Die Erklärung ging tatsächlich am Samstag bei uns ein – mit Poststempel vom Montag, 15. Juni 2009. Eigenartigerweis trägt der Brief aber auch noch einen Poststempel von Freitag, 19. Juni 2009. Vermutlich hat er sich irgendwo in einer Ecke des Briefzentrums 28 ausgeruht.

Ganz ausgesanden ist die Sache noch nicht. Für eine weitere Erklärung lief die Frist vorhin ab. Ob es schon wieder an der Post liegt, wird sich wohl erst in den nächsten Tagen zeigen.

„Derzeit“

Wenn Behörden zum Nachteil des Bürgers entscheiden, weisen sie ihn regelmäßig auch darauf hin, welche Rechtsmittel er einlegen kann. Geschieht dies nicht, laufen großzügige Fristen. Im Verwaltungsverfahren ist die Klage dann beispielsweise noch innerhalb eines Jahres zulässig.

Anders im Zivilverfahren. Aus einem nicht näher nachvollziehbaren Grund hält es dieser Rechtszweig nicht für nötig, Prozessparteien oder sonstige Beteiligte über Rechtsbehelfe zu informieren. Heute hatte ich den Fall von Zeugen. Ihnen war ein Ordnungsgeld aufgebrummt worden, weil sie nicht zur Beweisaufnahme erschienen waren.

In der Sache könnte man gegen diesen Ordnungsgeldbeschluss einiges vorbringen. Nur leider finden die Argumente vor Gericht kein Gehör. Die Beschwerde reichten die Betroffenen nämlich erst drei Tage nach Ablauf der zweiwöchigen Frist ein, welche die Zivilprozessordnung für solche Rechtsmittel anordnet.

Normalerweise kennt man als Bürger einen Monat für Widerspruch oder Klage. Eine Belehrung über die Zweiwochenfrist fand sich im Ordnungsgeldbeschluss nicht. Das zuständige Landgericht hat nun, wenig überraschend, keine Lust, sich inhaltlich mit den Ordnungsgeldern zu beschäftigen. Stattdessen der Hinweis, dass das Bundesverfassungsgericht Rechtsmittelbelehrungen fürs Zivilverfahren nicht für erforderlich hält (NJW 1995, 3173).

Genau genommen hat das Gericht damals geschrieben, „derzeit“ sei keine Belehrung erforderlich. Heute sind wir 14 Jahre weiter. Vielleicht müsste mal wieder jemand klagen, um zu klären, ob „derzeit“ schon vorüber ist.

Lobotomierte Volltrottel

Wer sich vorsichtig dem Niveau annähern möchte, auf dem der Bundestagsabgeordnete „umme Ecke“ argumentiert, kann sich beispielsweise mit Elke Ferner beschäftigen. Die SPD-Parlamentarierin aus Saarbrücken rechtfertigt ihre Zustimmung zum Internetzensurgesetz unter anderem so:

Schließlich bleibt bei der Abwägung der Zustimmung zu diesem Gesetz auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die entsprechende Sperrinfrastruktur aufgrund der abgeschlossenen Verträge zwischen BKA und Internetprovidern bereits aufgebaut wird. Diese Verträge beinhalten keinen hinreichenden Grundrechtsschutz und erfahrensrechtliche Sicherungen und sind deshalb höchst problematisch. Ich sehe es als meine Pflicht als Abgeordnete an, solche weitgehenden, intransparenten und verfassungsrechtlich schlicht unzulässige Verträgen zu Lasten Dritter durch eine gesetzliche Grundlage abzuschwächen und ihre negative Wirkung zu reduzieren.

Carsten Dobschat hinterfragt diese Argumente:

Will die uns für blöd verkaufen? Hält die ihre Wähler tatsächlich für lobotomierte und grenzdebile Volltrottel, die nicht von 12 Uhr bis Mittag denken können? Sie schreibt selbst, dass die Verträge “verfassungsrechtlich schlicht unzulässig” seien – ja wie ungemein bescheuert muss man sein, um das als Begründung zu verwenden, ein Gesetz zu machen, das genau den Inhalt dieser verfassungsrechtlich schlicht unzulässigen Verträge zum Inhalt hat? Wird das nun das neue Vorgehen des Bundestags? Ein Minister macht Verträge, die nicht mit bestehenden Gesetzen vereinbar sind und statt gegen die Verträge vorzugehen, werden diese als Vorlage für ein neues Gesetz genommen? Geht’s noch? Wer ist denn hier der Volltrottel?

Hoffen wir, dass Frau Ferner diesem Gedankengang folgen kann. Oder jemanden kennt, der ihr erklärt, was der Bürger aus ihrem Wahlkreis ihr rüberbringen möchte.

(Elke Ferner steht für viele SPD-Abgeordnete, die diesen oder einen ähnlichen Text an protestierende Bürger versenden.)

Raubkopierer machen Messe tot

Ich war noch nie auf der popkomm, habe mir aber sagen lassen, dass es dort meist stinklangweilig war. Da sich niemand gerne langweilt, könnte es natürlich sein, dass die Messe für Aussteller wie Besucher einfach von Jahr zu Jahr unattraktiver geworden ist.

Da braucht es schon jemanden wie den Jammerlappen vom Dienst, Messeveranstalter und Musikverbandschef Dieter Gorny, um den eigenen Misserfolg noch in eine, wenn auch lächerliche Attacke zu verwandeln:

Viele Unternehmen können es sich wegen des Diebstahls im Internet nicht mehr leisten, an der Popkomm teilzunehmen.

Betr.: Leichenpauschale

Pressemitteilung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter:

„Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf die beiden Klagen von BDK Mitgliedern gegen die neuerliche Praxis, die Leichenpauschale nur noch einmal pro Tag zu zahlen, obwohl mehrere Todesermittlungen zu unterschiedlichen Zeiten an einem Tag ausgeführt wurden, abgelehnt hat, wird der BDK in dieser Sache in das Beschwerdeverfahren gehen. Das Gericht führte in der Urteilsbegründung fehlerhaft aus, dass es sich zum einen um eine Pauschale handele, die alleine für besonders „unangenehme“ Tätigkeiten gezahlt würde. Dabei ließ das Gericht außer Acht, dass es sich um eine Reinigungspauschale handelt. Zum anderen verkannte das Gericht die über mehr als 30 Jahre andauernde und flächendeckend in NRW geübte Verwaltungspraxis, nach der – wie im Erlass formuliert – die Pauschale pro Dienstgang oder Dienstreise gezahlt wurde,“ erklärte der Landesvorsitzende Wilfried Albishausen heute in Düsseldorf.

Aus der neuerlichen Verfahrensweise des Innenministeriums und dem nun vorliegenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abermals deutlich, dass sich offensichtlich nur wenige vorstellen können, was „Verrichtungen“ an einer Leiche nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung bedeuten. Insbesondere die damit verbundenen Verunreinigungen der Kleidung sowie höchst eindringliche Geruchsspuren an Kleidung und Körper der ermittelnden Beamtinnen und Beamten erfordern regelmäßig Wechselkleidung, zusätzliche Körperpflegemittel und einen deutlich erhöhten Reinigungsbedarf sowohl der Kleidung als auch des Körpers.

„Der BDK fordert insbesondere die Abteilung 2 des Innenministeriums auf, zur über viele Jahre gängigen Verwaltungspraxis zurückzukehren und die Pauschale gemäß dem Wortlaut des Erlasses pro Dienstgang beziehungsweise pro Dienstreise zu zahlen,“ erklärte der Landesvorsitzende des BDK, Wilfried Albishausen, heute abschließend in Düsseldorf.

Keine Klagen gegen Hackerparagraf

Verfassungsbeschwerden gegen den sogenannten Hackerparagrafen sind unzulässig, so lange die Kläger nicht persönlich betroffen sind. Das Bundesverfassungsgericht weist mit dieser Begründung Beschwerden von IT-lern ab. Diese hatten befürchtet, ins Visier der Ermitlungsbehörden zu kommen, weil sie beruflich mit Hackertools zu tun haben.

Immerhin stellt das Verfassungsgericht klar, dass der Besitz und die Verwendung von Hackertools nicht unbedingt strafbar sind. Vielmehr müsse der Nutzer den Willen haben, sie in schädlicher Absicht zu verwenden. Dieser Wille müsse sich auch manifestiert haben.

Die Entscheidung wird auch für alle wichtig sein, die eine Verfassungsklage gegen das neue Internetsperrengesetz erwägen. Auch hier stellt sich ja die Frage, ob und inwieweit man als Internetnutzer unmittelbar betroffen ist.

Pressemitteilung mit Link zur Entscheidung

Selbstlähmung

Manchmal frage ich mich, wie viel Ressourcen bei Polizei und Staatsanwaltschaft freigesetzt würden, ließen manche Beamte einfach nur mal die unsinnigsten Strafanzeigen sein. Hier ein Beispiel:

Polizisten wollten nachts die Wohnung meiner Mandantin betreten. Unter Umständen, die auch jemandem, der nicht Rechtswissenschaften studiert hat, dubios vorkommen mussten. Jedenfalls weigerte sich meine Mandantin, die Tür zu öffnen. Sie rief nur, sie lasse niemanden rein, jedenfalls nicht ohne Durchsuchungsbeschluss.

Die Beamten wummerten ein paar Mal gegen die Tür, hatten dann aber nicht den Schneid, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Wahrscheinlich gehörte der eine oder andere von der Truppe zu denjenigen, die zwar keine Rechtswissenschaften studiert haben, aber trotzdem zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können.

Was dann aber einen der Beamten nicht davon abhielt, Strafanzeige zu erstatten. Wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“. Der Tatbestand ist § 113 Strafgesetzbuch und durchaus würdig, einfach mal gelesen zu werden:

Wer einem Beamten Amtsträger … bei der Vornahme einer … Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Nichtöffnen einer Haustür als Gewalt? Die Weigerung, die Tür zu öffnen, als Drohung mit Gewalt? Nun ja, auch ohne Jurastudium, nur mit ein wenig Textverständnis, dürfte die Antwort eindeutig ausfallen.

Interessant wird es überdies, wenn man auch noch folgenden Teil der Vorschrift liest:

Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist.

Ich werde dem Staatsanwalt gerne, wenn auch nur äußerst vorsorglich für den Fall, dass er, immerhin ein studierter Jurist und damit zu jeder Textvergewaltigung fähig, Passsivität als Gewalt oder Drohung mit Gewalt auszulegen bereit ist, darlegen, warum sich die Beamten unrechtmäßig verhielten.

Bis dahin ärgere ich mich aber darüber, dass die Strafanzeige geschrieben wurde und zu einem dieser endlosen Verwaltungsvorgänge führte, bei denen nichts rauskommt – bis auf die Selbstlähmung der Ermittlungsbehörden.

…trete ich aus der SPD aus

Torben Friedrich ist 22 Jahre alt und SPD-Mitglied. Noch. Denn für den Fall, dass die SPD heute dem Internetzensurgesetz zustimmt, wird er die Partei verlassen. Seine Gründe schildert er in einem offenen Brief:

Liebe Genossinnen und Genossen,

mein Name ist Torben Friedrich, ich bin 22 Jahre alt und seit fast vier Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Vier Jahre, die für einen 22-jährigen bedeuten, daß er bereits als Jugendlicher politisch aktiv war und mit 18 auch politische Verantwortung übernehmen wollte. Ich war seit jeher der festen Überzeugung, daß in einer gerechten und demokratischen Gesellschaft die Werte Solidarität, Gleichheit und Freiheit unerläßliche Bestandteile sind, die nie ihre Gültigkeit in einer Gemeinschaft verlieren können, die auf Vernunft und Gemeinwohl aufgebaut ist.

Mir war auch stets bewußt, daß diese Werte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern daß in einer sich stetig weiterentwickelnden Gesellschaft um sie ständig gekämpft werden muß. Meine Überzeugung war es, daß die SPD diesen Kampf am energischsten führt und ich wollte sie in ihrem Bestreben tatkräftig unterstützen.

Heute, am 17.06.2009, wird mir bewußt, daß ich mich möglicherweise getäuscht habe.

Ich vertrete eine Generation, die vollständig mit digitalen Medien aufgewachsen ist, mehr noch, eine Generation, die den Wechsel von analogen zu digitalen Medien nicht bewußt erlebt hat. Das bedeutet, daß ich bereits seit der Grundschulzeit mit Eltern, Lehrern und Freunden auf digitalem Wege kommuniziert habe, entsprechende Lehrpläne waren bereits um Jahre veraltet.

Mit meinem Eintritt in der SPD war mir bewußt, daß bereits unter rot-grüner Regierung eine Politik betrieben wurde, die nicht den Ansprüchen einer digitalen Gesellschaft genügte. Dies wollte ich ändern. In den vergangenen vier Jahren der großen Koalition konnte ich jedoch noch weniger Hinwendung zu unserer Generation und ihrer speziellen Belange feststellen, weder in der SPD, noch in anderen etablierten Parteien.

Dennoch habe ich mich seit Beginn des Jahres in besonderem Maße politisch engagiert und stellte mich sogar für die Bundestagswahl auf der Landesliste Niedersachsen als Kandidat zur Verfügung. Ich sah seit Jahresbeginn, wie die große Koalition die gesamte Lebensweise meiner Generation in Frage stellte und massiv bekämpfte. Für meine Generation völlig selbstverständliche Freizeitaktivitäten, von einzelnen Computerspielgenres bis hin zu sportlicher Betätigung wie Paintball sollten verboten werden. Mitglieder von Schützenvereinen hingegen, die zu Hause mit Kriegswaffen hantieren, blieben unbehelligt und durch die große Koalition protegiert.

Dies sind jedoch geradezu vernachlässigbare Auswirkungen eines seit langem bestehenden Generationenkonfliktes, der seit jeher die Probleme gesellschaftlichen Wandels widerspiegelt. Was am morgigen Donnerstag von der großen Koalition und somit auch von meiner Partei beschlossen werden soll, hat nichts mehr mit einem erklärbaren Unverständnis zwischen zwei unter verschiedenen Verhältnissen aufgewachsenen Generationen zu tun, sondern verletzt das Rechtsempfinden von vielen Bürgern jeglichen Alters.

Morgen wird der Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung bringen, der zwar zur Bekämpfung eines brisanten Problems – Kinderpornographie im Internet – dienen soll, dabei jedoch jegliche Grundsätze der rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit verletzt.

Das Gesetz sieht vor, Kinderpornographie im Internet nicht zu entfernen, sondern nur zu verdecken, um es Konsumenten dieses menschenverachtenden Materials zu erschweren, dieses zu betrachten. Dieses Gesetz verlangt perfiderweise, das zu tun, was den Mißbrauch der Kinder zum zweiten Male noch schrecklicher macht: Wegzusehen.

Wegsehen bedeutet in unserer Gesellschaft nichts anderes, als das Geschehene zu tolerieren. Ich jedoch als 22jähriger Bundesbürger sehe bei jeder gesperrten Seite, die mit einem Stoppschild verdeckt wird, das Versagen unseres Rechtsstaates, da er nicht in der Lage war, dieses Verbrechen effektiv zu bekämpfen, sondern auf ein Mittel zur Zensur zurückgreifen mußte.

Dies birgt die größte Gefahr im morgen zu verabschiedenden Gesetz: Die Erklärung unseres Staates, gegen Rechtsverletzungen machtlos zu sein.

Wo wird die Grenze gezogen?

Noch endet die Sperre bei Kinderpornographie. Ein abscheuliches Verbrechen. Doch wann wird der Staat auch vor weniger schweren Rechtsverletzungen kapitulieren und keinen anderen Weg sehen, als lediglich die Darstellung wenig wirksam zu erschweren?

Hier wird eine Infrastruktur geschaffen, die zukünftigen Regierungen ermöglicht, Zensur zu betreiben. Welche Inhalte werden dann möglicherweise als unerwünscht betrachtet werden? Tierquälerei? Gewalt? Volksverhetzung? Extremismus? Politische Opposition? Kritik?

Wo wird die Grenze gezogen?

Die Grenze muß meines Erachtens hier und heute gezogen werden, ohne ein solches Gesetz. Wir dürfen den Kampf gegen solch schwerwiegende Verbrechen wie den Mißbrauch von Kindern nicht aufgeben. Wir müssen effektiv gegen Hersteller solchen Materials vorgehen, nicht gegen das Medium, auf dem es verbreitet wird. Mißbrauch geschieht in der Nachbarschaft, nicht im Internet.

Wenn die SPD als Teil der großen Koalition sich durch Zustimmung zu diesem Gesetzesentwurf eingesteht, daß eine effektive Bekämpfung durch unsere gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten nicht erreicht werden kann, sehe ich keine andere Möglichkeit, als meine politische Aktivität anderweitig zu konzentrieren.

Wenn Zensur auf dem Rücken mißbrauchter Kinder durchgesetzt werden soll, wenn das Medium, das meinen Lebensalltag bestimmt und mitbestimmen wird, staatlicher Willkür ausgesetzt wird, wenn die SPD sich von meiner und von zukünftigen Generationen vollständig verabschiedet, bin ich nicht länger bereit, in dieser Partei mitzuwirken.

Die Werte der Sozialdemokratie trage ich weiterhin mit mir und werde diese auch zukünftig vertreten.

Wenn jedoch am morgigen Tage die SPD dieses Gesetz ermöglicht, werde ich der SPD den Rücken kehren.

Tritt das Gesetz in Kraft, trete ich aus der SPD aus und verabschiede mich von einer meiner Generation fremden Partei.

Hochachtungsvoll
Torben Friedrich