In jahrzehntelanger Tätigkeit

Rechtsanwalt L. aus Ratingen liebt starke Worte:

Solch einen Blödsinn hat der Unterzeichner in seiner jahrzehntelangen Anwaltstätigkeit selten als Einlassung in einer Strafsache gelesen.

Damit meint er mich. Aber Strafrecht gehört ausweislich seiner Homepage nicht zu seinen Schwerpunkten. Vielleicht weiß er deswegen gar nicht, was sonst so geschrieben wird.

Keine falschen Rücksichten

Heute so lange Vernehmung im Polizeipräsidium Bochum gehabt, dass wir mit dem Beamten durch den Seiteneingang raus musste. Er hatte seinen Privatwagen am Straßenrand neben dem Hauptgebäude geparkt. Routiniert pulte er das Knöllchen unter dem Scheibenwischer hervor.

„Das ist die Lieblingsbeschäftigung des Ordnungsamtes“, erzählte er. „Hier wird jeden Nachmittag noch mal ordentlich Kasse gemacht.“

Ohne falsche Rücksichten, wie es aussieht. Nicht mal der GdP-Sticker scheint noch zu helfen.

Beweismittel? Vernichten!

Es geht um verschwundene Beweismittel. Die waren was wert. Das zuständige Gericht hat am Ende des Prozesses angeordnet, dass die Sachen an meinen Mandanten zurückgegeben werden. Aber sie sind nicht mehr da, wie mir die Staatsanwaltschaft mit einem dürren Satz erklärt:

Die … Gegenstände waren als Beweismittel sichergestellt worden und wurden daher nach Auskunft des Polizeipräsidiums … bereits vernichtet.

Dieser Begründung fehlt es nicht nur an Logik. Sie ist auch ein weiteres Bespiel dafür, dass manche Behörden einfach nicht in der Lage sind, einen Fehler zuzugeben.

Gesprächsstoff

In einem Rechtsstreit geht es darum, ob eine Unterschrift von unserer Mandantin stammt. Der Sachverständige hat Schriftproben im Original angefordert. Da die Unterlagen heute eigentlich beim Gericht sein sollten, haben wir kurz diskutiert, ob eine Übersendung „vorab per Telefax“ sinnvoll ist.

Bestimmt – wenn man der Richterin Gesprächsstoff für die Cafeteria liefern will.

Das Google-Imperium

Ich habe ein gerade erschienenes Buch geschickt bekommen: Das Google-Imperium von Lars Reppesgaard. Klingt interessant, aber mir fehlt die Zeit und ein bisschen die Lust, es zu lesen.

Bevor das Werk alt wird, verschenke ich es. Bei Interesse bitte einen Kommentar hinterlassen, und zwar bis heute 18 Uhr. Bitte an eine gültige E-Mail-Adresse denken, damit ich den Empfänger informieren und mir seine Postanschrift geben lassen kann.

Nachtrag: Der Zufallszahlengenerator hat Kommentar 165 ausgewählt. Michael_BB kriegt das Buch.

Ein Geständnis ist nicht immer wahr

Für Spiegel-Reporterin Gisela Friedrichsen ist die Beweislage im heute beginnenden Prozess im Holzklotz-Fall „eher dünn“. Es ist ja nicht so, dass es keine anderen Verdächtigen gegeben hätte. Zunächst suchte die Polizei nach einer Gruppe Jugendlicher, die sich zum Tatzeitpunkt auf der Brücke aufgehalten haben soll.

Mangels handfester Beweise werde sich die Anklage hauptsächlich auf das Geständnis des seinerzeit drogenkranken Angeklagten stützen, schreibt Friedrichsen. Und erzählt ein nachdenklich stimmendes Detail aus dem Leben des Angeklagten:

Er hat schon einmal ein falsches Geständnis abgelegt. Als ein Verwandter am 28. April 1998 unter Alkoholeinfluss einen schweren Verkehrsunfall mit zwei Toten verursachte, gab H. zu, den Wagen gesteuert zu haben. Damals musste ihm die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass nicht er der Fahrer gewesen war.

Sie erklärt auch, warum es gar nicht so wenige falsche Geständnisse gibt:

Forensische Psychologen wie Günter Köhnken kennen die Risikofaktoren für falsche Angaben. Sie reichen von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen des Beschuldigten bis zu den Vernehmungsbedingungen und der jeweiligen Überzeugung der Ermittler. Nicht nur geistig Behinderte halten starkem psychischem Druck irgendwann nicht mehr stand; manche Menschen zweifeln auch leicht an sich selbst, wenn ihnen vorgehalten wird, man habe Zeugen und eindeutige Beweise. Und ein Geständnis wirke sich günstig aus.

Abwechslung mit Denkfehler

Eine treue Mandantin ärgerte sich über eine Betriebskostennachzahlung. Mit fast 350 Euro wird sie zur Kasse gebeten, dabei wohnt sie nur auf knapp 40 Quadratmetern. Ich sah mir die Unterlagen an und stellte fest, dass die Vorauszahlung falsch berechnet zu sein schien. Die Mandantin zahlt 12 x 95 Euro, in der Abrechnung wurden aber nur 12 x 50 Euro angesetzt.

Ich hatte das Schreiben gerade diktiert, als ich meinen Denkfehler bemerkte. Die Heizkosten werden separat abgerechnet. Der Vermieter berücksichtigt hier noch mal 45 Euro Vorauszahlung im Monat.

Wäre auch zu einfach gewesen. Jetzt bleiben als Diskussionspunkte Müllgebühren, die in einem Jahr um 68 Prozent gestiegen sein sollen. Außerdem 2.000 Euro Reinigungskosten fürs Treppenhaus. Fragt sich, wie das Treppenhaus in den Vorjahren gereinigt wurde. Da wurden nämlich keine Kosten verlangt.

Unverschämte Honorare

Ich musste gerade eine freundliche Dame enttäuschen.

Sie hätte mich gern als Verteidiger in einem Prozess an einem schwäbischen Amtsgericht engagiert. Irgendwie hatte sie gehofft, dass ich mich für ein Honorar von 400 Euro begeistern kann. Dafür hätte ich dann Ende November nach Süddeutschland reisen sollen.

Man könnte jetzt natürlich auf eine völlige Verkennung des Preisgefüges tippen. Aber im Gespräch stellte sich heraus, dass die Betroffene bereits so ziemlich jeden Anwalt in ihrer Heimatstadt angerufen hat. Selbst der billigste soll 500 Euro verlangen.

Da sie so einen, O-Ton, unverschämten Betrag nicht bezahlen will, hat sie ins Internet geschaut. Ich hoffe nur, ich habe ihr nicht zu viele Illusionen über das Internet geraubt.

Entspannter November

„Haben Sie meine Überweisung erhalten?“ fragt der Mandant beiläufig. „Ich habe den Auftrag vorgestern bei der Apobank abgegeben.“

Ich hatte wenige Minuten vorher noch ins Konto geschaut. Da es sich, zumindest in meinem Ressort, um die größte derzeit offene Rechnung der Kanzlei handelt, wäre mir dieser Geldeingang sicher aufgefallen.

Aber ich kann, offen gesagt, auch gut damit leben, wenn der Betrag morgen oder am Montag gutgeschrieben wird. Dann sehe ich den November nämlich schon mal recht entspannt.

Leichte Bauchschmerzen

Gegen meinen Mandanten erging ein Bußgeldbescheid. 375 Euro, 3 Monate Fahrverbot. Er soll auf der A 40 in Fahrtrichtung Bochum auf der rechten Spur 169 Stundenkilometer gefahren sein. Erlaubt sind dort 80 Stundenkilometer. Schon das Messfoto ist sehenswert: rechts der Wagen des Betroffenen, links von ihm ein 40-Tonner.

Selbst beim Sachverständigen, den das Gericht zweimal befragte, blieben „leichte Bauchschmerzen“. Ob jemand tatsächlich an einem Werktag um elf Uhr morgens 89 Stundenkilometer über dem Limit über die rechte Spur einer der vielbefahrensten Straßen Deutschlands brettert? Trotz wirklicher Anstrengungen fand der Sachverständige aber keine technischen Mängel bei der Messung. Dass der links fahrende Lkw die Messung beeinflusst haben könnte, schloss er nach langen Recherchen letztlich mit nachvollziehbaren Argumenten aus.

Zum Glück fühlte sich nicht nur der Experte etwas unwohl. Neben der Richterin war selbst die Staatsanwaltschaft im dritten Verhandlungstermin schließlich bereit, Lkws vom Fahrverbot auszunehmen. Damit entgeht mein Mandant, der als Fernfahrer arbeitet, wenigstens der sicheren Kündigung.

Land muss für übertriebenen Polizeieinsatz zahlen

Wegen eines übertriebenen Polizeieinsatzes muss das Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz leisten und 30.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das Oberlandesgericht Köln gab einem Fliesenleger Recht, der noch heute unter den Folgen des Zugriffs leidet.

Der heute 56-jährige Frührentner Josef H. war aufgrund von Äußerungen aus der Nachbarschaft in den Verdacht geraten, Handgranaten und scharfe Waffen zu besitzen. Zur Vollstreckung eines daraufhin erlassenen Durchsuchungsbeschlusses zog die Siegburger Polizei ein Sondereinsatzkommando (SEK) hinzu, das einen Zugriff auf den Kläger in seinem Lieferwagen plante, der am 08.12.2000 durchgeführt wurde.

Das Fahrzeug wurde von 2 Zivilfahrzeugen der Polizei gestoppt, auf der Fahrer- und Beifahrerseite wurden die Scheiben eingeschlagen. Der Handwerker wurde von mehreren SEK-Beamten aus dem Lieferwagen herausgezogen, auf dem Boden fixiert und gefesselt. Er erlitt infolge des Einsatzes diverse Verletzungen wie Prellungen und Schürfwunden, auch ergab sich der Verdacht auf Rippenbruch.

Bei der an den Polizeieinsatz anschließenden Durchsuchung des Hauses wurden keine Handgranaten gefunden. Im Prozess hat der Geschädigte insbesondere behauptet, seine vielfältigen Verletzungen seien auf den Polizeieinsatz zurückzuführen. Dabei sei es zu einem Gewaltausbruch der Beamten gekommen, die mit Schlagstöcken und Karatetritten auf ihn eingewirkt hätten, obwohl er nur seine Hände schützend vor das Gesicht gehalten habe.

Das Land hat den Gewaltausbruch bestritten und behauptet, es sei nur die zur sicheren und zügigen Festnahme notwendige und angemessene Gewalt ausgeübt worden. Auch bei der Planung des Polizeieinsatzes sei es nicht zu Fehlern gekommen; der Zugriff auf der Straße sei wegen des Überraschungsmomentes vorzugswürdig gewesen.

Das Oberlandesgericht bejaht im Urteil einen sogenannten Amtshaftungsanspruch des Geschädigten gegen den Staat, weil das Land schon bei der Planung des Eingriffs und die Entscheidung zum Zugriff im Fahrzeug schuldhaft seine Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung verletzt habe. Bei der Entscheidung, wie der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Siegburg konkret auszuführen sei, sei gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen worden, der dazu zwinge, stets das mildeste Eingriffsmittel anzuwenden.

Von den Planern des Einsatzes hätte berücksichtigt werden müssen, dass der bis zum Zugriff vorliegende Verdacht gegen Josef H. erkennbar nur ein äußerst vager und dürftiger gewesen sei: Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses seien nur Angaben „vom Hörensagen“ unter Nachbarn gewesen, die auch nicht ansatzweise verifiziert worden waren. Mit Hilfe der Durchsuchung habe erst herausgefunden werden sollen, ob H. tatsächlich über Handgranaten und Schusswaffen verfügte.

Bei dieser Sachlage sei ein besonders besonnenes Vorgehen zur Verhütung vermeidbarer Belastungen geboten gewesen. Die Entscheidung der Einsatzkräfte für einen Zugriff im Auto sei diesen Anforderungen nicht gerecht geworden, ein solcher sei auch ohne die vom Geschädigten behaupteten Gewaltexzesse als „überfallartig“ anzusehen.

Selbst bei lehrbuchartiger und vorschriftsmäßiger Durchführung eines solchen Einsatzes bestehe ein hohes Verletzungsrisiko für den Beschuldigten. Angesichts der nur unspezifizierten Verdächtigungen gegenüber dem Fliesenlegermeister hätte die Polizei nach Auffassung des Senats vielmehr abgestuft vorgehen können und müssen: Gerade weil sich die Handgranaten – wenn überhaupt – im Wohnhaus befinden sollten, hätte zunächst eine Durchsuchung des Wohnhauses in Abwesenheit des Klägers als mildestem und ungefährlichem Mittel nahe gelegen. Das weitere Vorgehen hätte sich dann je nach dem Ergebnis dieser Maßnahme ergeben können.

Das Gericht hat in seinem Urteil offengelassen, ob es zu den vom Geschädigten behaupteten Schlägen und Tritten gekommen ist, weil es für seine Entscheidung auf diese Frage nicht mehr ankam, da der sich Polizeieinsatz schon aus den oben genannten Gründen als ermessensfehlerhaft herausgestellt hatte. Zudem hatte ein medizinischer Sachverständiger im Verfahren ausgeführt, die objektiv vorliegenden Verletzungen hätten auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Zugriffs durch das Herausziehen des Beschuldigten aus dem Fahrzeug entstehen können.

Da das Landgericht Bonn hinsichtlich der noch offenen materiellen Schäden zunächst nur zum Grund des Anspruchs entschieden hat, ist das weitere Verfahren zur Höhe des Schadenersatzes dort fortzusetzen. Insoweit verlangt der Kläger noch Ersatz von Verdienstausfallschäden, Kosten für Haushaltshilfen und sonstigen krankheitsbedingten Mehraufwand, die er in der Klage auf insgesamt über 125.000,- Euro beziffert hat und die sich in der Zwischenzeit noch deutlich erhöht haben sollen.