Lieber Rechnungen

Den ganzen Tag hatte ich im Hinterkopf, dass heute noch eine Frist zu bearbeiten ist. ‚Ne Sache von einer Stunde, aber halt auch nicht besonders spannend. In diesem Fall konnte ich es etwas vor mir herschieben. Das Gericht ist in Düsseldorf, da brauche ich keine Angst vor toten Faxgeräten zu haben.

Vor wenigen Minuten wollte ich mich drum kümmern und stellte beim Blick in die Akte fest, die Frist endet erst übermorgen. So steht es auch im Kalender. Keine Ahnung, wie sich das falsche Datum in meinem Kopf festgesetzt hat.

Diktiere ich lieber weiter Rechnungen. Das ist zwar auch nicht spannend. Macht aber komischerweise trotzdem Spaß…

Paintball verletzt nicht die Menschenwürde

Die Stadt Bautzen darf dem Betreiber einer Sport- und Freizeithalle nicht verbieten, seine Kunden „Paintball“ spielen zu lassen. Das Verwaltungsgericht Dresden hob eine Ordnungsverfügung auf. beck-aktuell berichtet über das Urteil:

Die Richter kamen zur Auffassung, dass die für ein solches Verbot vom Sächsischen Polizeigesetz verlangte «Gefahr für die öffentliche Ordnung» nicht vorliege. Der bloße Verdacht, dass das angebotene Verhalten später einer entwürdigenden Behandlung von Menschen Vorschub leiste, könne noch nicht die von den Behörden angenommene Verletzung der Menschenwürde darstellen. Ein entsprechender Wirkungszusammenhang zwischen dem Spiel und der Ausübung von Gewalt sei nicht belegt. Das Spiel selbst verletze weder Wertmaßstäbe des Grundgesetzes noch den gesellschaftlichen Wertekonsens.

Entfremdete Alltage

Politikprofessor Franz Walter beschreibt die deutsche Mittelschicht:

Als Verbraucher, die jederzeit über preisgünstige und qualitativ geprüfte Angebote in den Supermärkten, Fachläden und Reisebüros der Republik Bescheid wissen, halten sich Mitte-Menschen für unschlagbar. Man ist modern, aber auch gediegen, mag keinen exaltierten Avantgardismus, will aber auch nicht durch ästhetische Rückständigkeiten negativ auffallen. Das eigene, verlässlich Ton in Ton eingerichtete Heim ist wichtig, auch das Mittelklasseauto, die regelmäßige Urlaubsreise und das schulisch-beruflich-familiäre Fortkommen der Kinder. Um Haus, Wohnung und Familie ranken sich überhaupt die Aktivitäten der Menschen in der bürgerlichen Mitte. Einrichtungsgeschäfte bilden einen favorisierten Ort für den Einkaufsbummel am Wochenende. Der eigene Ziergarten ist stets perfekt hergerichtet und akkurat gepflegt; Unkraut wird in der gesellschaftlichen Mitte Deutschlands konsequent bekämpft.

Trotz der vermeintlichen Idylle verortet der Forscher ausgerechnet hier eine Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens. Gerade die Verzweiflung um die Aufstiegschancen der eigenen Kinder soll den Unmut wachsen lassen. Die Kinder selbst, sogenannte Experimentalisten, seien ohnehin des neoliberalen Geistes überdrüssig:

In diesem jüngsten deutschen Milieu wächst die Kritik am totalitären Primat der Ökonomie, an den entfremdeten Alttagen, den sozialen Eisigkeiten. Experimentalisten übersetzen diese kritische Attitüde bislang nicht in kontinuierliche politische Aktivitäten; dazu ist ihre Lebensform zu bohemehaft, zu ruhelos und suchend. Insofern allerdings könnte der gestaute Unmut dort auch explosiv zum Ausbruch kommen. Die Sozialforscher jedenfalls haben keinen Zweifel, dass aggressive Neigungen in dieser Lebenswelt auffällig – wenn auch sonst in der Gesellschaft kaum bemerkt – angewachsen sind. Ganz unterschwellig also scheint es in der deutschen Mitte zu brodeln.

Unterschwellig? Das ist der einzige Punkt, an dem ich dem Autor widersprechen würde. Schon seit längerem hat man in diesen Kreisen ein gemeinsamen Thema. Die Schimpferei darüber, wie ätzend mittlerweile vieles geworden ist, hat Verlegenheitsdiskussionen über das Wetter längst überflüssig gemacht.

Altersvorsorge: Schutz für Selbstständige

Die Altersvorsorge Selbstständiger wird stärker vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt. Ein entsprechendes Gesetz tritt voraussichtlich am 1. März 2007 in Kraft. Während für die gesetzliche Altersrente längst Pfändungsgrenzen gelten, hatten Gläubiger bisher fast uneingeschränkten Zugriff auf die Vorsorgeverträge Selbstständiger.

Wie das Ganze funktioniert, erklärt RA Rainer Bosch.

Beschwerde gegen Inzest-Paragrafen

Vier gemeinsame Kinder, der Versuch eines gemeinsamen Lebens, aber ein gewaltiges Hindernis: Susan K. und Patrick S. sind Geschwister. Wegen des Beischlafs mit seiner Schwester musste Patrick S. schon eine Haftstrafe absitzen. Trotzdem versuchen die beiden es weiter, berichtet Spiegel online. Sie wollen mit einer Verfassungsbeschwerde den Inzest-Paragrafen zu Fall bringen.

Ganz ohne Erfolgsaussichten ist das nicht. Gegen die Vorschrift gibt es nämlich hörenswerte Zweifel, vgl. zum Beispiel diesen Beitrag in der Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.

Dass Susan K. und Patrick S. keine absoluten Exoten sind, zeigt auch die lebhafte Diskussion zu diesem Beitrag im law blog (486 Kommentare).

Schlappe für Abo-Abzocker

Kochrezepte, Gedichte, Routenplaner, Lebenserwartung: Die diversen Abo-Abzocker im Internet müssen eine empfindliche Niederlage hinnehmen. Das Amtsgericht München wies mit Urteil vom 16. Januar 2007 eine Zahlungsklage ab. Mit der hatten die Macher eines Lebenserwartungs-Tests die angeblich vereinbarte Nutzungsgebühr von 30 Euro eingefordert.

Die Richterin schaute sich die Seite selbst an und stellte fest, die Regelung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sei nach den gesamten Umständen, dem Aufbau und dem äußeren Erscheinungsbild der Webseite so ungewöhnlich und daher überraschend, dass sie unwirksam sei.

In einer Pressemitteilung erläutert das Amtsgericht München Details: Weiterlesen

Checkpoint Göttingen

So was gab es wohl zuletzt im deutschen Herbst, auf dem Höhepunkt des RAF-Terrorismus: Die niedersächsische Polizei sperrte in der Nacht zum Samstag bei Göttingen die komplette A 7 in Fahrtrichtung Hannover. Sechs Stunden lang wurden alle Autofahrer auf die Raststätte Göttingen-Ost umgeleitet und von 120 Polizisten überprüft.

Die Bereitschaftspolizei Hannover hatte „zur Ausleuchtung der Kontrollstelle extra einen Lichtmastkraftwagen aufgestellt“, heißt es in der Pressemitteilung der Polizeidirektion Göttingen. In den Leserkommentaren der Süddeutschen Zeitung berichtet einer der rund 1.200 Betroffenen:

Zuerst glaubt man: Es muss was Schlimmes passiert sein. Überall Blaulicht – endlose Schlangen in den Kontrollreihen. Dann die Ernüchterung: Man selbst ist der Schlimme.
Die üblichen Prozeduren: Belehrung über Grund des Einsatzes. Papiere – leider nichts zu beanstanden, Alktest am Kleinbus – negativ, Drogenstreifen über die Stirn – negativ.

Auf meine Bemerkung hin: „Und das alles von meinem Steuergeld” dann noch zur Strafe das komplette Restprogramm, wie abgefahrene Reifen, Verbandkasten, Beleuchtung usw.

Das Netz war laut Polizei übrigens lückenlos:

Parallel zur Großkontrolle auf der Rastanlage kontrollierten weitere Funkstreifen die an den Anschlussstellen Hann-Münden/Hedemünden und Dramfeld abfahrenden Verkehrsteilnehmer. Der Vollsperrung zeitlich versetzt vorgelagert war darüber hinaus eine Geschwindigkeitskontrolle.

Die Totalkontrolle war Teil der Aktion „Don’t drug & drive“. Immerhin erwischte die Polizei mottobezogen zwei (!) Autofahrer, die so alkoholisiert waren, dass sie an Ort und Stelle ihren Führerschein abgeben mussten. Ansonsten seien sieben Strafverfahren und weitere sieben Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Betäubungsmitteln bzw. Alkohol eingeleitet worden. Offensichtlich alles so leichte Fälle, dass die Betroffenen weiterfahren durften.

Ganz schön martialisches Bild, das die Sicherheitsbehörden da vermitteln. Bevor man die Verhältnismäßigkeit problematisiert und einen Weinkrampf bekommt, könnte man nach den Kosten fragen. 120 Beamte, unterstützt von THW und Ausländeramt, konfiszieren in sechs Stunden zwei Führerscheine. Das schafft die Handvoll Streifenpolizisten in einem Großstadtrevier Nacht für Nacht. Und zwar verdachtsbezogen, ohne die sonstigen 99,9 % Verkehrsteilnehmer im Flutlicht anstehen zu lassen.

Natürlich kann man diese Maßnahme jetzt auch damit rechtfertigen, dass zwei mit Haftbefehl gesuchte Personen festgenommen werden konnten. Mit dem gleichen Argument könnte man aber auch morgen früh um halb sechs einen beliebigen Stadtteil abriegeln und durchkämmen. Gegen Mittag hätten wir ein paar gesuchte Straftäter weniger auf der Straße. Außerdem noch zwei weitere Schlagringe, Koks, Heroin, Hehlerware und einen Lastwagen mit schwarz gebrannten Datenträgern.

Geht nicht? Heute würde ich noch eine Wette darauf eingehen; über das Verfallsdatum müsste ich mir allerdings Gedanken machen.

„So einfach ist das“

Die Süddeutsche Zeitung kommentiert den Wunsch der Polizei nach dem gläsernen Bürger mit deutlichen Worten:

Aber das ist es nun einmal, was den Staat von einer Räuberbande unterscheidet: Wenn er auf die Bürger zugreift, hat er die Regeln einzuhalten, die ihm die Verfassung vorgibt. Das ständige Lamento von Sicherheitsbehörden über Grenzen, die das Recht ihnen auferlege, gehen einem auf den Geist.

Erstens sind die Grenzen in den vergangenen Jahren vom Gesetzgeber ohnehin stets zurückgenommen worden; zum anderen ist es nun einmal Kennzeichen des Rechtsstaates, dass es Grenzen des staatlichen Agierens gibt.

Ein verfassungsgemäßes Gesetz für Online-Durchsuchungen muss zweifellos den Anforderungen genügen, die das Verfassungsgericht an den Lauschangriff gestellt hat. Wenn die Sicherheitsbehörden diese Anforderungen „aus praktischen Gründen“ nicht akzeptieren wollen, bleibt die Online-Durchsuchung verboten. So einfach ist das . Der staatliche Hacker macht sich dann strafbar. Die Diffamierung der Privatheit durch die Sicherheitsbehörden muss ein Ende haben.

Früher hatten wir Heftchen

„Sie haben das Angebot Milcheuter benutzt, ohne zu bezahlen.“

Liebe Inkassoanwälte, könntet ihr das weniger direkt ausdrücken? Das wünscht sich vor allem mein 14-jähriger Mandant, seitdem seine Mutter euer Schreiben in die Hände bekommen hat.

Vielen Dank für Ihre Bestellung

Mail an eine deutsche Großbank:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre Kundin benutzt die obige Bankverbindung zu Betrugsversuchen. Unter dem 12. Februar 2007 erhielt ich die unten angehängte „Zahlungsaufforderung“ für die angebliche Bestellung eines Routenplaner-Services. Die erwähnte Rechnung ist als Anlage beigefügt.

Ich habe mich niemals bei dem „Service“ Ihrer Kundin angemeldet. Auch ist mir vor der jetzt eingehenden Zahlungsaufforderung, die ja geradezu genüsslich den angeblichen Ablauf der Widerrufsfrist konstatiert, keine Bestätigung oder ähnliches zugegangen. Nur der Vollständigkeit halber möchte ich anmerken, dass ich ein Fahrzeug mit eingebautem Navigationsgerät für ganz Europa fahre und deshalb überhaupt keinen Bedarf an einem Internet-Routenplaner habe, noch dazu einem kostenpflichtigen.

Auffällig an der Rechnung ist, dass diese an meine Büroadresse adressiert ist. Außerdem wird die E-Mail an die Andresse lawblog@gmx.de geschickt. Verwendet werden also nur Daten, die öffentlich ohne weiteres „abzugreifen“ sind. Hier stammen die Daten offensichtlich aus dem Impressum meiner Internet-Seite https://www.lawblog.de. Für eine private oder geschäftliche Bestellung würde ich niemals die Adresse lawblog@gmx.de verwenden; hierfür nutze ich andere E-Mail-Accounts.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Abrechnung niemals bestellter Dienstleistungen durch Ihre Kundin ein Betrugsversuch ist. Sollte es hier zu Weiterungen kommen, werde ich auch eine Strafanzeige erstatten. Diese Strafanzeige wird sich auch gegen Ihr Unternehmen richten, denn spätestens mit dieser Information über den Sachverhalt und die Übersendung der entsprechenden Belege käme eine Beihilfe Ihrerseits in Betracht.

Es wäre sehr freundlich, wenn Sie zu der Frage Stellung nehmen, warum Ihr Haus derart dubiose Geschäft unterstützt.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Vetter, RA und Fachanwalt für Strafrecht

Anwalt erleichterte Mandanten um Millionen

Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt hat vor dem Landgericht München I eingeräumt, einen Mandanten um über fünf Millionen Euro erleichtert zu haben. Der Jurist vertrat den ehemaligen Vorsitzenden eines Tierhilfswerks. Dieser hatte bis zu 30 Millionen Euro Spendengelder in die eigene Tasche gewirtschaftet und kam dafür ins Gefängnis.

Während der Klient seine Strafe absaß, plünderte der Anwalt dessen Vermögen. Später versuchte er sogar, die vorzeitige Entlassung seines Mandanten mit gefälschten Drohbriefen zu verlängern, damit seine Machenschaften nicht auffliegen. Beim Absenden eines Faxes wurde er gefilmt.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, kann der Angeklagte bei einem Geständnis auf eine mildere Strafe hoffen. Sechs bis sieben Jahre hat ihm das Landgericht München I in Aussicht gestellt – wenn er überdies „Angaben zum Verbleib der Vermögenswerte“ macht.

Nach dem, was ich über den lebenslustigen Kollegen gehört habe, müssten in der Aufstellung einige Nobelrestaurants und andere gastronomische Betriebe auftauchen. Seine plötzliche Verhaftung soll dort zu erheblichem Katzenjammer geführt haben.