Prüfung bleibt vorbehalten

Wenn die Staatskasse die Anwaltskosten eines Beschuldigten übernehmen muss, ergeht ein Kostenbeschluss. Dieser wird häufig mit einem stereotypen Hinweis übersandt:

Die Auszahlung des festgesetzten Betrages erfolgt erst nach Abschluss der Prüfung, ob eine Aufrechnungslage vorliegt.

Oft gehen Monate ins Land, bevor das Geld eintrudelt. Ich stelle mir vor, wie viel Aufwand man in der Zeit betreiben kann. Die bundesdeutschen Gerichte sind nicht vernetzt. Somit könnte man Schreiben an alle Staatsanwaltschaften als Vollstreckungsbehörden richten, ob der ehemalige Beschuldigte vielleicht „im dortigen Bezirk“ der Staatskasse was schuldet. Mit Durchschlag an sämtliche Amts- und Landgerichte.

Keine Ahnung, ob so etwas passiert. Kann eigentlich nicht sein. Denn ich kann mich nur an einen einzigen Fall erinnern, in dem das Gericht eine aufrechenbare Gegenforderung entdeckt hat. Dass alle meine Mandanten außerhalb ihres Sprengels sooooo wenig anstellen oder zumindest brav ihre Strafen und Verfahrenskosten zahlen, halte ich für, nun ja, weniger naheliegend.

Somit ist es also kein bürokratischer Wahnsinn, sondern nur ein wenig Nickeligkeit gegenüber dem (siegreichen) Verteidiger. Das wäre immerhin die preisgünstigste Variante.

Witwe Gsells erfolglose Partnersuche

Sie suchte nach einem Schweizer Industriellen, kriegte aber einen Versicherungsmakler. Der erzählte noch dazu ständig Witze und wollte Flamenco tanzen. Kein Wunder, dass die frühere Frau des verstorbenen Schönheitschirurgen Franz Gsell – Forouzandeh, nicht Tatjana – schlecht auf eine Münchner Partnervermittlung zu sprechen ist.

Vor dem Landgericht München klagte sie 8.000 € Anzahlung zurück. Und gewann den Prozess, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Anwaltskalender: die Gewinner

Die Kanzleikinder haben eine Flash-Games-Seite entdeckt. Das Büro hört sich an wie eine Daddelhöhle. Beide weigern sich standhaft, irgendwas auszulosen. Ich habe mir deshalb extra einen Zufallszahlengenerator runtergeladen, damit die Sache auch schön objektiv zugeht.

Hier also die Gewinner der Verlosung:

– RA Munzinger (Kommentar Nr. 7);

– CeKaDO (Kommentar 43);

– Katrin (Kommentar 90).

Die Auswahl der besten Beiträge war schwierig. Ich habe ich für einen kurzen und einen langen entschieden:

– Daniel Weigelt (Kommentar 55);

– Lothar Müller-Güldemeister (Kommentar 30).

Glückwunsch an die Gewinner. Danke an alle, die mitgemacht haben.

Abmahner in Haft

Der Präsident des ins Zwielicht geratenen Abmahnvereins „Ehrlich währt am längsten“ ist verhaftet worden. Gestützt wird der Haftbefehl gemäß einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Oldenburg auf Wiederholungsgefahr.

Der in der Schweiz eingetragene Verein „Ehrlich währt am längsten“ habe auch auch nach Kenntnis von den Ermittlungen weiter in Deutschland Onlinehändler kostenpflichtig abgemahnt, meist wegen Verletzung von Informationspflichten oder fehlender Widerrufsbelehrungen.

Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der Verein gar nicht zu Abmahnungen berechtigt ist, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Bis heute sollen schon hunderte Strafanzeigen eingegangen sein.

Nähere Informationen bei wortfilter.

Justizexpress

Eine Todesdrohung im Internet brachte zwei Jugendliche in Remscheid für drei Wochen in die Arrestanstalt. Das Besondere: Zwischen Entdeckung der Tat und Antritt des Zuchtmittels lagen keine 24 Stunden. Beck-aktuell berichtet über das „beschleunigte Verfahren“:

– 13. Dezember, abends: Ein Vater informiert die Polizei über die Drohung. Hausdurchsuchung bei den Jugendlichen.

– 14. Dezember, vormittags: Der „Staatsanwalt vor Ort“ übernimmt den Fall, spricht mit dem Gericht, den Eltern der Jugendlichen, den Pflichtverteidigern und der Arrestanstalt; er erhebt Anklage.

– Mittags: Das Amtsgericht verurteilt die geständigen Angeklagten. Die Jugendlichen treten unmittelbar nach der Verhandlung den Arrest an.

Für mich klingt das nicht wie beschleunigtes Verfahren, sondern wie überstürztes Verfahren.

Fahr lässig

Frisch eingetroffen:

Bei einer Spedition geht ein Lastwagen kaputt. Sie mietet bei einer namhaften Firma ein Ersatzfahrzeug. Der Fahrer schnurrt mit dem Lkw los und kommt in eine Kontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr. Der Prüfer stellt mit seinem Messgerät fest, dass der vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzer auf eine zu hohe Geschwindigkeit eingestellt ist.

Die Bußgeldstelle ist der Meinung, dass auch der Fahrer ordnungswidrig gehandelt hat. Sie möchte ihm 100 € aufs Auge drücken und drei Punkte in Flensburg.

Ich frage mich, worin die Fahrlässigkeit liegen soll. Immerhin stammt das Fahrzeug von einem renommierten Vermieter. Darf man sich da nicht darauf verlassen, dass die Grundeinstellungen des Fahrzeugs in Ordnung sind? Außerdem stellt sich natürlich die Frage, ob und wie ein Fahrer die Einstellung des Geschwindigkeitsbegrenzers überhaupt kontrollieren könnte. Der Regler ist bei dem Modell wohl in die Elektronik verbaut.

Der Kontrolleur hat sich übrigens auch die Tachoscheibe angesehen. Interessanterweise hat er festgestellt, dass mein Mandant sich über mehrere hundert Kilometer nicht zu schnell gefahren ist.

Ich bin zunächst mal guter Dinge.

115 – und über Merkel schimpfen

Wähle 115, dann wird dir geholfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte einen Bürgernotruf einführen, heißt in allen Medien. Rund um die Uhr soll ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stehen, egal ob es um ein Schlagloch, die verdreckte Bank im Bushäuschen oder komplizierte Formulare geht.

Um die Hilfe effektiv zu machen, sollen alle Bundes- und Länderbehörden sowie die Kommunen miteinander vernetzt werden. Vorbild soll der New Yorker Bürgerservice sein, wo sich innerhalb von sieben Sekunden ein Ansprechpartner meldet und weiterhilft.

Für mich klingt das nach mehr Bürokratie wagen. Rauskommt doch eine neue Behördenkrake, bestenfalls ein riesiges Callcenter. Und technisch riecht es nach einem Mammutauftrag für Siemens oder die Telekom. Aber die können es ja brauchen.

Update: heise online weiß, wo das Projekt läuft und verweist auf ein PDF mit Einzelheiten.

Die Sache mit der Nabelschnur

Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB).

Dazu der BGB-Kommentar Palandt:

Vollendet ist die Geburt mit dem vollen Austritt aus dem Mutterleib; die Lösung der Nabelschnur ist nicht erforderlich. Das Kind muss bei Vollendung der Geburt leben, mag auch gleich danach der Tod eintreten.

Das habe ich jetzt nicht aus Spaß nachgeguckt; es hat jemand gefragt.

Erkenntnis am Montag

Ich hatte bei Gericht Gelegenheit, die wesentlichen Argumente aus einer Klageerwiderung vorzutragen. Am Ende fügte ich an, dass mein Mandant sich eine einvernehmliche Lösung vorstellen kann. Er wäre bereit, in etwa ein Drittel der Klageforderung zu bezahlen.

Der gegnerische Anwalt reagierte erstaunt:

Das verstehe ich nicht. Erst bestreiten Sie alles. Dann bieten Sie Geld an?

Er hat natürlich Recht. Über zehn Jahre forensische Erfahrung haben mich komplett verweichlicht.

lighttpd/xcache/php4.4.4

Ein Blick unter die Motorhaube dieser Seite:

Statt apache2/eaccelerator/php4.3 nutzt lawblog.de nun lighttpd/xcache/php4.4.4 – mal sehen, wie sich das bewährt. Der erste Eindruck ist auf jeden Fall ausgesprochen gut, bis hin zum chroot-Setup ist das alles um Welten einfacher als vorher… Und https kann lawblog.de nun auch. :)

Danke für das Tuning. Ich nehme mal an, ums so was in der Art handelt es sich. Jetzt fehlt nur noch der nächste Belastungstest…

Tram-TV

Gerade mal geguckt, ob mich das Sonntagsfernsehen am Schreibtisch unterhält. Grandioses Programm auf „center tv“ entdeckt: mit der Straßenbahn durch Düsseldorf. In Echtzeit. Gerade fährt die 706 am Kirchplatz ein.

Mal sehen, ob ich auch fertig bin, wenn die Bahn an der Endstation Am Steinberg ist. Im Übrigen muss ich mir den Sender merken, wenn ich mal nicht schlafen kann.

Nur die Putzfrau wusste nichts

Bei Siemens sollen nahezu alle Verantwortlichen von der Schmiergeldpraxis gewusst haben. Es habe keinen Zweifel daran gegeben, «dass in diesem Konzern fast jeder – außer vielleicht die Putzfrau – wusste, dass illegale Provisionen gezahlt werden», zitiert die Financial Times Deutschland Steffen Ufer. Der Rechtsanwalt verteidigt einen Beschuldigten, der in Untersuchungshaft sitzt.

Wie hoch ist wohl das Interesse bei den Strafverfolgern, den richtig hohen Tieren etwas nachzuweisen? Eigentlich müsste längst das Geschacher laufen, welchen Rabatt einzelne Beschuldigte erhalten, wenn sie in Richtung ihrer Vorgesetzten auspacken – so sie es denn können. Normalerweise findet das aber dezent im Hintergrund statt.

Der Verteidiger inszeniert die Drohgebärde jedoch öffentlich. Ob das den Schluss zulässt, dass man ganz oben gar nicht stochern möchte? Fest steht, dass Siemens-Grande von Pierer in der Politik immer noch ein offenes Ohr findet. Wenn er zum Beispiel mit Ministerpräsident Oettinger telefoniert, leiht der ihm auf die Schnelle einen Staatsanwalt.