Gleichheit für Esser und Ackermann

Das Landgericht Düsseldorf hat das Mannesmann-Verfahren vorläufig eingestellt. Die Angeklagten sind wohl flüssig genug, um die Geldauflagen zu zahlen. Deshalb ist der Prozess faktisch zu Ende.

Das Landgericht sieht in seinem Einstellungsbeschluss (Pressemitteilung, PDF) durchaus Erklärungs-, wenn nicht sogar Rechtfertigungsbedarf. Interessanteste Passagen:

Die Kammer ist sich bewusst, dass die Höhe der Auflagen nicht die Beträge erreicht, die einzelnen Angeklagten zugeflossen sind. Die Kammer hält dies vor allem deshalb für gerechtfertigt, weil die Vodafone plc, die im Zeitpunkt der Zahlungen die bei weitem überwiegende Zahl der Aktien der Mannesmann AG hielt, sich mit den Zuwendungen einverstanden erklärt hatte. Lediglich etwa 2 % der Aktien wurden im Zeitpunkt der Zahlungen nicht von der Vodafone plc gehalten.

Die Höhe der dem Angeklagten Dr. Ackermann auferlegten Zahlung mag gemessen an seinen außerordentlich guten Einkommensverhältnissen als gering erscheinen. Insoweit konnte die Kammer – auch wenn sich der Angeklagte Dr. Ackermann hierauf nicht berufen hat – nicht unberücksichtigt lassen, dass gegen ihn als Gesamtgeldstrafe maximal 720 Tagessätze zu je 5.000,- € (§§ 40 Abs. 2 S. 2, 54 Abs. 2 StGB), also insgesamt 3,6 Millionen €, hätten verhängt werden dürfen.

Die Begrenzung des einzelnen Tagessatzes auf maximal 5.000,- € mag angesichts der heute erzielten Spitzenverdienste unverständlich erscheinen; sie ist aber geltendes Recht. Die genannten Vorschriften sind für die Bemessung der Geldauflage zwar nicht unmittelbar verbindlich; ihre mittelbare Bedeutung folgt hier aber daraus, dass eine Geldauflage nach § 153 a Abs. 2 S. 2 StPO in einem angemessenen Verhältnis zu der Sanktion stehen muss, die bei einer Verurteilung zu erwarten gewesen wäre.

Die Kammer übersieht nicht, dass gegen eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO – gerade in den letzten Tagen – vielfältige Kritik laut geworden ist. Sie hat sich mit den insoweit vorgetragenen Argumenten, soweit sie sachlicher Natur sind, auseinandergesetzt.

Die Einschätzung, die Angeklagten würden sich „freikaufen“, teilt die Kammer nicht. Wenn man die in § 153 a StPO getroffene Regelung aber plakativ als ein „Freikaufen“ ansieht, so kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Jahre 2003 von deutschen Gerichten 126.174 Verfahren gegen Auflagen eingestellt worden sind. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die in diesen Fällen Angeklagten ganz überwiegend nicht über besonders hohe Einkünfte oder Vermögen verfügten. Es kann deshalb als nachgewiesen angesehen werden, dass § 153 a StPO keine Vorschrift ist, die Reiche begünstigt.

Gerade mit Blick auf das in Art. 3 GG verankerte Gleichheitsgebot teilt die Kammer indes die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass von der Anwendung der Vorschrift begüterte Angeklagte auch nicht ausgenommen werden dürfen.

Tittenbilder

Das hochlöbliche, mit einiger Sicherheit durch meine Steuergelder unterhaltene jugendschutz.net ist auf wahrhaft gefährliche Inhalte gestoßen: Titten. Und das ausgerechnet auf der Seite des einschlägig bekannten Bloggers poodlepop.

Wie sich das gehört, flattert dem Armen darauf so eine Art Abmahnung ins Haus. Eine Woche hat er Zeit, dem Jugendschutz Rechnung zu tragen – sonst gibt’s eine Meldung. Die geht dann an eine andere Behörde, die ich mit meinen Steuergeldern unterhalte.

Worin die Absenderin allerdings Pornografie im Sinne des § 184 Strafgesetzbuch erkennt, bleibt ihr Geheimnis. Tittenbilder sind nämlich keine. Vielleicht sollte man der Sauberfrau eine Abmahnung schicken wegen Schlechterfüllung ihres Arbeitsvertrages. Oder sie gleich feuern und die Stelle nicht neu besetzen. Das wäre ein grandioser Beitrag zum allseits erstrebten Bürokratieabbau. Ich würde drei Kreuze machen, nicht nur als Steuerzahler.

Jugendschutz.net hat auch eine tolle Denunziationsseite. Jetzt muss ich nur noch drauf kommen, wem ich schon länger Pest und Cholera an den Hals wünsche.

Zwei Zeilen, sieben Monate

Strafsachen rechne ich meist endgültig ab, wenn das Urteil vorliegt. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat mir heute eine Entscheidung des Amtsgerichts Mettmann geschickt. Das Urteil wurde am 13. April 2006 verkündet. Siebeneinhalb Monate sind wahrlich keine schlechte Zeit. Wenn man bedenkt, dass das Urteil nur die Höhe der Tagessätze reduziert. Die Entscheidungsformel ist schlanke zwei Zeilen lang.

Ab sofort werden Wiedervorlagen notiert. Das Risiko ist mir doch zu groß, dass bei solchen Wartezeiten der eine oder andere Mandant verlustig geht.

Welcher Tag

Gerade gesehen, dass im Terminkalender auf jeder Doppelseite vermerkt ist, welcher Tag des Jahres 2006 ist. Heute ist der 332. Tag.

Plagiarius i.A.

Weil weite Teile eines neuen BGB-Kommentars abgekupfert waren, wurde das Werk im Sommer aus den Regalen genommen. Der als Hauptautor genannte Rechtsprofessor wird nun in einem Gutachten seiner Universität reingewaschen. Nicht er, sondern ein wissenschaftlicher Mitarbeiter habe das Plagiat zu verantworten.

Spiegel online berichtet Einzelheiten.

Hackbraten

Landgericht Hagen. Achter Stock. Den pikanten Hackbraten mit Bratkartoffeln und kleinem Salat muss ich alleine genießen. Mein Mandant kriegt nichts runter. Verständlich, denn für ihn geht es um Bewährung oder Knast.

Um 13.15 Uhr wissen wir mehr.

Er hat gehupt

Nötigung in der Tempo-30-Zone, kann es das überhaupt geben? Ein beleidigter Mitbürger warf meinem Mandanten jedenfalls vor, dieser sei im Wohnbereich sehr dicht aufgefahren und habe „gehupt“.

Abgesehen davon, dass die Anzeige von vorne bis hinten nach Querulant klang, kennt sich ihr Verfasser nicht mit dem Strafrecht aus. Er schrieb nämlich, der Fahrer des Wagens hinter ihm habe gehupt und sei dann sofort rechts in eine andere Straße abgebogen. Womit der Nötigungsvorwurf schon gegessen ist. Wer nötigt, muss nämlich auch einen bestimmten Erfolg anstreben. Etwa, dass der Vordermann schneller fährt. Gibt es keinen Nötigungszweck, macht man sich nicht strafbar.

Wenn der böse, böse Fahrer direkt nach dem Hupen abgebogen ist, ging es ihm gar nicht darum, den Vordermann auf Trab zu bringen. Er wollte ihm höchstens noch seine Meinung mitgeben.

Wie es aussieht, hat diese Argumentation den Staatsanwalt überzeugt. Der hat das Verfahren eingestellt. Das freut mich natürlich. Ein wenig bedauere ich es aber, dass wir auch künftig nicht wissen, ob die „Ich konnte im Rückspiegel sein Nummernschild nicht mehr erkennen“-Rechtsprechung für deutsche Autobahnen auf eine Tempo-30-Zone übertragbar ist.

Etwas ferngelegen

Wenn jemand vor dem Zivilgericht klagt, muss er die gesamen Gerichtskosten vorstrecken. Sonst wird seine Klage gar nicht bearbeitet. Bei einem Streitwert von 1.000 € reden wir über 165 €. Bei 10.000 € werden schon 588 € Gebühren fällig. Und für einen Prozess um eine Million Euro muss der Kläger mit 13.368 € in Vorleistung treten.

Im Verwaltungsgerichtsverfahren gibt es keine Vorschusspflicht. Das führt dann dazu, dass ich für meine Mandantin eine Rechnung über 370 € erhalte mit der Bitte, diese an die Auftraggeberin weiterzuleiten. Das tue ich natürlich gerne. Auch wenn sie etwas ferngelegen wohnt, nämlich im Bezirk Edo State, Nigeria.

Nachdem man ihr per Urteil ein Einreisevisum versagt hat, wird sie wohl – natürlich gegen meinen ausdrücklichen Rat – eher wenig geneigt sein, die Gebühren an die deutsche Justiz zu überweisen. Noch dazu, wo die Summe ungefähr der Hälfte des nigerianischen Sozialprodukts pro Kopf und Jahr entspricht.

Nichts bekommen

„Ich habe nur einmal was von Ihnen bekommen.“

Das klang durchaus vorwurfsvoll. Immerhin hatten wir erfolgreich das Gehalt des Gegners gepfändet. Da sollte der Auftraggeber auch sein Geld erhalten. Ich schaute also ins Kontenblatt und listete die Zahlungen auf:

7. Juli 2005
11. Oktober 2005
26. Januar 2006

Wie sich herausstellte, waren die zwei letzten Zahlungen beim Empfänger „einfach untergegangen“. Damit war für mich die Befürchtung vom Tisch, wir hätten was verschusselt. So was kann immer passieren. Aber möglichst nicht bei Geld, das einem nicht gehört.

Gegen die Enttäuschung meines Gesprächspartners, dass von uns kurz vor Weihnachten mit keinem weiteren Geldsegen zu rechnen ist, hatte ich leider kein Rezept.

Prepaid: Geld kommt nicht von alleine

Was geschieht mit Prepaid-Guthaben auf deaktivierten Telefonkarten? Trotz kundenfreundlicher Urteile gibt es noch immer keine richtig kundenfreundlichen Regelungen, berichtet heise online.

Insbesondere müsse sich der Kunde auch bei Anbietern, die Guthaben nicht mehr verfallen lassen, nach wie vor selbst darum kümmern, dass er sein Geld von einer stillgelegten Karte ausgezahlt bekommt. Anbietern, die Guthaben nach wie vor verfallen lassen, sollen die Verbraucherzentralen derzeit Klagen ins Haus schicken.

Peru, war doch klar

Die fünf Börsen mit der besten Performance seit 1. Januar 2006:

Peru 131,1 %
Venezuela 94,5 %
Vietnam 86,6 %
China 75,8 %
Botswana 71,9 %

(Der Aktionär 48/06, S. 6)

Musstu nicht gucken

Als er eine Klage einreichen wollte, suchte sich ein Arbeitnehmer die Adresse des Arbeitsgerichts aus der aktuellen Stadt- und Brancheninfo „Gewusst wo“. Die Adresse war falsch, deshalb ging seine Klage erst verspätet ein. Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage doch noch zugelassen. Der Kläger habe die „ihm zumutbare Sorgfalt“ gewahrt, als er sich auf die Eintragung verließ.

Aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln (NZA-RR 2006, 492):

Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich darauf hingewiesen, dass es in einem solchen Fall nicht zur Obliegenheit eines Arbeitnehmers gehört, vor Ort nachzusehen, ob sich das Gericht auch tatsächlich an der im Adressbuch angegebenen Adresse befindet.

Irgendwie beruhigend, finde ich.

Kauft sich Esser doch frei?

Der Mannesmann-Prozess steht möglicherweise vor der Einstellung. Deutsche-Bank-Chef Ackermann und Ex-Mannesmann-Vorstandsvorsitzender Klaus Esser sollen jeweils Millionenbußen zahlen, berichtet Spiegel online.

Wenn es stimmt, haben Essers Anwälte gute Überzeugungsarbeit geleistet. Immerhin kam für ihren Auftraggeber bis vor kurzem ausschließlich ein Freispruch in Frage. Ackermann und die anderen Mitangeklagten werden tief durchatmen. Endlich sind wieder alle in der Realität angekommen.