Drei Seiten

Anwaltsschreiben sorgen mitunter für Empörung. So heißt es in einer Antwort:

Mir fallen die Wörter aus, wenn ich Ihren Brief lese.

Die dann folgende Stellungnahme geht über drei Seiten.

Ansichtssache

„Teil der Vergütung der Klägerin war eine fette Prämie von monatlich 552,85 €.“

Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, ich habe „feste Prämie“ diktiert.

Übereifriger Ermittlungsrichter

Möglicherweise gab sich ein Rechtsanwalt in Aachen schon mal querulatorisch. Vielleicht glaubte der Jurist auch – mit den Behörden streitend – an sein gutes Recht. Jedenfalls parkte er dreizehnmal auf einem Sonderfahrstreifen vor dem Justizgebäude und machte jedes Mal geltend, er habe in dieser Ladezone nur kurz Akten abgelegt. Dass dem Anwalt aber deswegen die Kanzlei durchsucht und dort nach Beweisen gefahndet wurde, das war dem Bundesverfassungsgericht denn doch zu viel.

Weiterlesen

Grass zensiert seine Vergangenheit

Günter Grass hat gegen die FAZ tatsächlich eine einstweilige Verfügung erwirkt, berichtet Spiegel online. Der Zeitung wird es untersagt, aus zwei Briefen des Schriftstellers an den früheren Minster Karl Schiller zu zitieren. In den Schreiben hatte Grass Schiller gedrängt, sich zu seiner NS-Vergangenheit zu bekennen:

Die Diskussion um Grass‘ Mitgliedschaft bei der Waffen-SS rechtfertige kein „dringendes Bedürfnis an der wörtlichen Wiedergabe großer Teile der Briefe“, entschied der Richter, daher bestehe kein öffentliches Interesse an großen Auszügen aus den Briefen.

Wenn die Aufklärung der Lebenslüge eines Literaturnobelpreisträgers kein öffentliches Interesse begründet, was dann? Im Gesetzestext ist übrigens nicht von einem dringenden Bedürfnis die Rede, sondern nur von einem „Tagesinteresse“. Dieses rechtfertigt dann die Wiedergabe „in einem durch den Zweck gebotenen Umfang“.

Namenswechsel von oben

Da ist ein Mandant von mir zur Botschaft seines Heimatlandes gegangen, um sich einen neuen Pass ausstellen zu lassen. Zurück kam er mit einem neuen, dreiteiligen Namen. Nur der Bestandteil Mohamed ist geblieben.

Kann ja sein, dass dies Teil des Neuanfangs im Irak ist. Auf dem deutschen Ausländeramt wird es aber keine Begeisterungsstürme auslösen, wenn ein Antragsteller plötzlich ganz anders heißt.

Bisschen benebelt

Ein Fernsehmagazin hat – trickreich – 50 italienische Parlamentsabgeordnete auf Drogen getestet. Das Ergebnis: Ein Drittel der Überprüften hatte in den letzten 36 Stunden Cannabis oder Kokain konsumiert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sind unter den Getesteten sicherlich auch welche, die erst vor kurzem Europas schärfste Drogengesetze verabschiedet haben. Aus dem Artikel:

Auch andere fühlen sich von dem Report bestätigt. „Ich habe immer gesagt: Wenn ein Drogenhund der Polizei an einige Orte der öffentlichen Politik käme, würde er erst durchdrehen und dann kapitulieren“, spottet ein Politiker der Radikalen Partei. Carlo Rienzi, Präsident des Verbraucherschutzverbandes Codacons, meint, die fragwürdige Recherche sei gar nicht notwendig gewesen: „Dass die Parlamentarier ein bisschen benebelt sind, wussten doch schon alle.“

Republikaner vor Gericht

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Der erste Verhandlungstag im Prozess gegen drei Republikaner wegen Verdachts der Wählertäuschung und der schweren Urkundenfälschung geriet vor dem Landgericht Düsseldorf heikel: Gerade noch rechtzeitig vor dem Beginn, der um eine Stunde verschoben wurde, hatte sich dem Vorsitzenden der 4. großen Strafkammer ein Schöffe offenbart. Matthias H., ein sozialdemokratischer Lokalpolitiker, hatte schon in einem anderem Prozess gegen den Hauptangeklagten Jürgen Krüger ausgesagt. Weil H. damit aktuell als befangen gelten konnte, sprang ein Ergänzungsschöffe ein.

Noch einmal fast eine Stunde brauchte Staatsanwalt Niklas Schlachetzki zur Verlesung der Anklage. Danach haben drei Republikaner – neben dem Ratsherrn Krüger ein 33- und ein 54- jähriger – in Düsseldorf und zwei benachbarten Städten insgesamt 221 potentielle Wähler getäuscht und 38 mal Unterschriften gefälscht.

Weiterlesen

Hoch die Tassen

Um nicht ganz so einsam zu sein beim Italiener auf dem Carlsplatz, hatte ich mir den Spiegel als Gesellschaft besorgt. Seite 34:

Über zehn Stunden verhandelten die Koalitionsspitzen in der Entscheidungsnacht vom 2. auf den 3. Juli – mit einem mageren Ergebnis. Übermüdete Politiker, die zudem bei der Arbeit auch dem Alkohol zugesprochen hatten, einigten sich auf eine milliardenschwere Beitragserhöhung.

Ich hoffe, die Flecken im Hemd gehen raus.

Richter müssen auch abends erreichbar sein

Das Bundesverfassungsgericht in einem heute veröffentlichten Beschluss:

Es kann nicht hingenommen werden, dass in einer Stadt der Größe Münchens am frühen Abend gegen 18.00 Uhr eine Wohnung allein auf Grund der Anordnung von Polizeibeamten ohne Gefahr im Verzug und ohne den Versuch, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, durchsucht wird.

Sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Ermittlungsrichter und die Gerichtsorganisation haben im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, dass auch in der Masse der Alltagsfälle die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters gewahrt bleibt. Die Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, vor einer Durchsuchung eine richterliche Anordnung zu erlangen.

Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei um 18.00 Uhr nicht mehr zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters zu sichern. Bei Tage (vgl. § 104 Abs. 3 StPO, der im Zusammenhang mit der nächtlichen Hausdurchsuchung als Nachtzeit für die Sommermonate die Stunden von neun
Uhr abends bis vier Uhr morgens und für die Wintermonate von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens definiert) muss die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters uneingeschränkt gewährleistet sein.

Ich bin gespannt, wie die Justiz auf diese Vorgaben reagiert. Mein Tipp: gar nicht.