Mit Doktortitel ist es einfacher

Das Oberverwaltungsgericht Münster hält Personenkontrollen, die auch auf der Hautfarbe des Betroffenen beruhen, für rechtswidrig. Die Richter beanstanden deshalb, dass ein heute 43-Jähriger im Bochumer Hauptbahnhof aufgefordert wurde, seinen Personalausweis vorzuzeigen.

Die Polizeibeamten hatten behauptet, der Kläger habe sich „auffällig“ verhalten. Die Richter sahen es nach dem Sachstand aber als erwiesen an, dass die Kontrolle zumindest auch wegen der dunklen Hautfarbe des Klägers erfolgte. Das sei jedoch unzulässig, denn das Grundgesetz (insbesondere Art. 3 GG) verbiete eine solche Anknüpfung.

Anders sei es nur, wenn die Polizei einzelfallbezogen darlegen können, dass Personen der betreffenden Hautfarbe zum Beispiel am Hauptbahnhof überproportional häufig strafrechtlich in Erscheinung träten. Nur dann dürfe die Hautfarbe mit dem Ziel effektiver Kriminalitätsbekämpfung eine Rolle spielen. Die Bochumer Polizei konnte jedoch keine belastbaren Belege dafür liefern (Aktenzeichen 5 A 294/16).

Zu dem Thema erreichte mich heute auch die Mail eines Lesers, der ebenfalls von der Problematik betroffen ist. Der Wissenschaftler aus dem Rheinland schreibt mir, er könne „aus eigener fast lebenslanger Erfahrung“ bestätigen, dass Menschen dunkler Hautfarbe ständig kontrolliert werden, während alle anderen passieren dürfen. Gerade an Bahnhöfen, aber auch in fahrenden Zügen und an Flughäfen – auch bei Schengen-Flügen – sei dies mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme.

Von seinem jüngsten Erlebnis lasse ich ihn einfach selbst erzählen:

Ich landete heute Nachmittag mit einer Ryan-Air-Maschine aus Porto in Köln Bonn. Beim Aussteigen sah ich dann, dass die Bundespolizei unmittelbar vor dem Flugzeug – das sich auf einer Außenposition befand – eine Kontrollstelle aufgebaut hatte, die sich quasi unter freiem Himmel unter der brennenden rheinischen Sonne befand.

Es wurde niemand angesprochen oder kontrolliert, bis ich den Stand der beiden Bundespolizisten kreuzte. Natürlich fragten sie mich nach meinen Papieren. Ich meinte dann nur „ich vermute Sie kontrollieren verdachtsunabhängig“ und lachte. Reaktion des Bundespolizisten: „Oh, Sie kennen sich aus. Ich merke schon, Sie sprechen auch Deutsch und wenn jemand Deutsch spricht, hat er bei mir sowieso gute Karten. Lassen Sie Ihren Ausweis mal stecken, alles in Ordnung.“

Anschließend wurde ich noch abgeklatscht (High five) und mir wurde zu meiner coolen Reaktion gratuliert. Zur Verabschiedung wurde mir noch freundlich hinterhergerufen: „dies war wirklich keine „Rassistenkontrolle““.

Irgendwie fand ich die Reaktion im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswert.

Übrigens hab ich irgendwann meinen Doktortitel in Personalausweis und Reisepass eintragen lassen und werde seitdem – trotz meiner Hautfarbe – weitaus freundlicher kontrolliert.

„Es gibt einen Videobeweis“

In einem Ermittlungsverfahren geht es um eine Schlägerei. Der Wirt einer Gaststätte hat der Polizei ein Überwachungsvideo übergeben, welches die Polizei ausgewertet hat.

Mein Mandant, seinerzeit noch ohne Anwalt, ging zur Polizei und ließ sich vernehmen. Ich zitiere:

Möchten Sie sich zur Sache äußern? Tatvorwurf ist eine schwere Körperverletzung, möglicherweise auch Landfriedensbruch.

Es gibt einen Videobeweis, der uns hier vorliegt und der mittlerweile ausgewertet ist.

Was der Beamte nicht sagte: Auf dem Video ist mein Mandant nicht zu sehen. Es gibt auch keinerlei sonstigen Belege dafür, dass er überhaupt vor Ort war.

Die Hoffnung des Beamten war klar. Wenn es eine Möglichkeit gab, dass mein Mandant sich selbst belastet, dann nur unter dem Druck des angeblichen Videos. Die Art und Weise dieses Vorgehens kann man sicherlich noch als bloße kriminalistische List einsortieren. Man könnte aber auch daran denken, ob hier nicht schon der Grenzbereich zu einer verbotenenen Vernehmungsmethode in Form der Täuschung tangiert wird (§ 136a StPO).

Der Mandant hat die List jedenfalls durchschaut, was ja keineswegs einfach ist. Er verweigerte ab diesem Punkt jedwede Angaben und widerstand so der Versuchung, durch voreilige Angaben Beweismittel gegen sich selbst zu schaffen. Die einzigen Beweismittel, die es dann überhaupt gegeben hätte. Dem Staatsanwalt wird nun kaum etwas anderes übrig bleiben, als das Verfahren mangels Tatverdachts einzustellen.

Ich weiß nicht, ob der Polizeibeamte stolz auf sich sein kann.

„… nicht meine Aufgabe“

Vor einigen Monaten wurde in einem größeren Prozess die Ermittlungsführerin als Zeugin vernommen. Das ist die Polizistin, bei der in einem Ermittlungsverfahren alle Fäden zusammenlaufen, welche die Arbeit innerhalb der Ermittlungskommission verteilt und Kontakt zum Staatsanwalt hält. Und jene, die den sogenannten Abschlussbericht verfasst. Oder zumindest unterschreibt.

Bei der Befragung der Zeugin ging es seinerzeit hoch her. Einfach, weil sich an jeder Ecke Pannen und Versäumnisse zeigten. Als Krönung empfand ich die Reaktion der Polizistin auf die Frage, warum eine Nachfrage bzw. Recherche bei einem Sachverhalt unterblieb, obwohl diese sich eigentlich aufdrängte. Es war da nämlich schon klar, dass sich die Sache nicht ganz so zugetragen haben kann, wie es die Polizei gerne gehabt hätte. Die Ermittungsführerin sagte:

Es ist nicht meine Aufgabe, Entlastendes zu ermitteln.

Heute kam die Sache noch mal aus anderem Grund zur Sprache. Dabei stellte die Vorsitzende Richterin klar, die Ermittlungsführerin habe das wirklich gesagt. Aber sie habe es so verstanden, dass die Dame erst mal nur sich meint und nicht ihre Kollegen.

Eine sicher wohlwollende Auslegung, wir reden ja nicht über eine nachgeordnete Mitarbeiterin im Polizeipräsidium. Jedenfalls ist nun klar, dass auch dem Gericht dieser Satz in lebhafter Erinnerung geblieben ist.

Sicher nicht ohne Grund.

Nichts zu meckern

Auch wenn es hier vielleicht nicht immer den Eindruck erweckt, gibt es doch auch bei Staatsanwaltschaften und Gerichten eine ganz Menge Leute, mit denen man prima auskommen und arbeiten kann.

Zunächst mal menschlich. So war es ein sehr freundliches Gespräch, das ich mit einem Staatsanwalt geführt habe. Da gibt’s nichts zu meckern.

Daneben gibt es aber auch immer eine sachliche Ebene. Hier stand die Frage im Raum, ob das Verfahren gegen meinen Mandanten vielleicht nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage eingestellt werden kann. Auch hier hatten wir schnell Konsens.

Der Knackpunkt ist dann oft der Betrag, der in die Staatskasse oder für einen guten Zweck fließen soll. Vom Mandanten hatte ich schon mal eine Freigabe, und zwar bis 3.500 Euro.

Der Staatsanwalt brachte von sich aus 200 Euro ins Spiel. Ich tat natürlich mein Bestes, um meine innerliche Freude zu verbergen. Das Gesamtpaket betrachtet, gab es also rein gar nichts zu meckern.

Sie als älterer weißer Mann …

Ab und zu muss ich Mandate absagen. Eine dieser Absagen beendete ich mit folgenden Worten: „Deshalb möchte ich Sie bitten, einen anderen Rechtsanwalt zu konsultieren.“

Heute kriegte ich folgende Antwort:

… muss ich Ihre Absage wohl respektieren. Gleichwohl wäre mir als Frau wohler, wenn Sie nicht nur auf männliche Kollegen verweisen. Oder sind Sie als älterer weißer Mann der Meinung, dass es keine geeigneten Frauen in Ihrem KollegInnen-Kreis gibt?

Ich verzichte auf eine Antwort.

Möglichst weit weg …

Über die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten wird vor Gericht ebenso ausdauernd gestritten wie um die Sache selbst. In einem wichtigen Punkt hat der Bundesgerichtshof nun juristische Klarheit geschaffen. Es geht um die Frage, ob einem Anwalt, der zum Beispiel von München aus nach Frankfurt zum Prozesstermin anreist, von der unterlegenen Prozesspartei Reisekosten zu erstatten sind.

Normalerweise lautet die Argumentation, ein auswärtiger Anwalt sei Privatvergnügen. Es genüge auch, einen Anwalt im Bezirk des Prozessgerichts zu beauftragen. An diesem Grundsatz rüttelt der Bundesgerichtshof auch nicht. Allerdings kann es nach seiner Auffassung aber nicht so weit gehen, dass der auswärtige Anwalt weniger bekommt als ein Anwalt aus dem passenden Gerichtsbezirk, dessen Büro aber am Rande dieses Bezirks liegt.

Beispiel: Ein Anwalt aus Berlin kriegte normalerweise bislang keine Fahrtkosten für die Wahrnehmung eines Termins am Oberlandesgericht in Hamm (Gerichtsbezirk). Oder besser gesagt: Der Anwalt kriegte die Kosten schon, aber dann musste sein Mandant halt selbst zahlen, obwohl dieser den Prozess gewonnen hat. Ein Anwalt aus Burbach (Gerichtsbezirk Landgericht Siegen, dieser wiederum gehört zum Gerichtsbezirk des OLG Hamm) konnte die Reisekosten von Siegen nach Hamm dagegen beim Gegner geltend machen. Das sind im konkreten Fall ca. 125 Kilometer für die einfache Strecke, hinzu kommt dann auch das Abwesenheitsgeld zwischen 25 und 70 Euro, Parkgebühren etc.

Kurz gesagt darf der Münchner Anwalt nun also für seinen Termin am Oberlandesgericht Hamm zumindest so viel berechnen wie der Kollege mit Kanzleisitz am äußersten Rand des Gerichtsbezirks. Es handelt sich zwar um eine zivilrechtliche Entscheidung. Aber ich sehe keinen Grund, warum diese nicht auch auf Strafverfahren anzuwenden ist. So werden wir Strafverteidiger also nach Freisprüchen demnächst auf Google Maps nachmessen dürfen, wo der betreffende Gerichtsbezirk am weitesten ausfranst. Aber vielleicht baut ein findiger Kollege ja die passende App.

Link zum Beschluss des BGH

Nachtrag: Es gibt bereits eine „Reisekostentabelle“, die solche Fragen beantwortet. Sie ist sogar kostenlos.

Nachtrag 2: Unter dem Titel ENGEBE gibt es nun auch ein ganz neues Online-Tool von Julian Bartels, mit dem man ganz einfach die weiteste Entfernung im Gerichtsbezirk ausrechnen kann.

Die 70-Cent-Frage entlang der Autobahn

Eine Klage gegen Toilettennutzungsgebühren entlang deutscher Autobahnen ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz bestätigt eine Entscheidung erster Instanz, wonach es keinen Anspruch darauf gibt, dass Raststätten-WCs gratis zu nutzen sind.

Einzelheiten kann man hier nachlesen. Das Oberverwaltungsgericht argumentiert aus meiner Sicht reichlich von oben herab, wenn es die WC-Gebühren an Sanifair-Anlagen, um die es in dem Prozess ging, als „geringfügig“ einstuft. Das könnte man nach meiner Meinung nur sagen, wenn es tatsächlich bei einer Nutzungsgebühr von 20 Cent verbliebe.

Tatsächlich zahlt jeder WC-Nutzer aber 70 Cent, was sich bei einer Familie mit mehreren Kindern schon zu einem stattlichen Betrag addiert. Kein Trost ist der Umstand, dass 50 Cent als Einkaufsbon erstattet werden. Diese 50 Cent sind schon deswegen nur die Hälfte wert, weil die Raststätten für Mitnahmeprodukte wie Süßigkeiten und Getränke unverschämte Preise nehmen. Und dann ein Produkt zu finden, dessen Preis sich mit dem Gutscheinwert deckt, dürfte auch reichlich schwierig sein. Folge: Die Reisenden zahlen im Zweifel also noch mal drauf, wenn sie nicht auf dem Bon sitzenbleiben wollen.

Klar, einen Richter fechten 70 Cent nicht an. Aber man sollte nicht leichtfertig von sich auf andere schließen. Leider klingt das aus dieser Entscheidung genau so heraus.

Eine Begründung wäre nett

Manche Urteile sind schon ein wenig gruselig. Zum Beispiel die Entscheidung eines Amtsrichters, der dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von exakt 12 Monaten aufs Auge drückt. Das ist sicher kein „krummes“ Strafmaß, aber halt auf den Tag exakt die Strafe, ab der ein Beamter seine komplette berufliche Existenz verliert. Er wird nämlich zwingend aus dem Dienst entlassen, auch die Rentenansprüche sind weg.

Dabei ist eigentlich anerkannt, dass ungewöhnliche Tatfolgen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch der Verlust des Beamtenstatus; das hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach klargestellt. Dass ein Amtsrichter sich angesichts dessen jedes Wort dazu spart, wie er ausgerechnet zu einer Strafe von 12 Monaten kommt, lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Der Richter hat sich schlicht und einfach keine Gedanken gemacht. Oder er wollte dem Angeklagten richtig eine reinwürgen, wobei ihm allerdings dann der Mut fehlte, die Gründe hierfür auch belastbar zu Papier zu bringen.

Ich habe das Urteil 1. Instanz nicht zu verantworten, sondern die Sache erst jetzt im Berufungsverfahren übernommen. Auch wenn es gerade beim Beamtenstatus um einiges geht, bin ich doch bedingt optimistisch. Das merkwürdige Schweigen des Urteils zu dieser wichtigen Frage wird ja auch der nächsten Instanz nicht verborgen bleiben.

Ohne Anwalt ist schlecht

Ich habe ans Amtsgericht geschrieben:

… habe ich von den Angeklagten J. und S. wenige Tage vor dem Verhandlungstermin erfahren, dass diese bislang keine Verteidiger haben.

Aus meiner Sicht handelt es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung, schon wegen der Anklage zum Schöffengericht. Hinzu kommt, dass zwei der Angeklagten – darunter mein Mandant – verteidigt sind, zwei dagegen nicht. Weiter ist auf den Beschluss des Gerichts zu verweisen, der dem Nebenkläger Akteneinsicht verwehrt. Bei der dort ausdrücklich festgestellten Aussage-gegen-Aussage-Konstellation wird eine notwendige Verteidigung vorliegen (KG StV 2015,16).

Ich weise auf diese Situation lediglich hin, weil spätestens in der Hauptverhandlung damit zu rechnen ist, dass die nicht verteidigten Angeklagten das Thema aufbringen. Einer der nicht verteidigten Angeklagten hat mir auch gesagt, dass er keinesfalls ohne Anwalt sein will, sofern er Anspruch auf einen Pflichtverteidiger hat.

Wie nicht anders zu erwarten, hat das Gericht den Verhandlungstermin auf diesen freundlichen Hinweis hin aufgehoben. Die beiden Angeklagten, die bislang ohne Anwalt sind, können sich jetzt erst mal Verteidiger suchen. Weiter geht’s dann zwischen November 2018 und Februar 2019. Für diesen Zeitraum hat sich das Gericht jedenfalls nach freien Termine erkundigt.

Klares Urteil?

Die sogenannte Urteilsformel eines Strafurteils soll klar zum Ausdruck bringen, wegen welcher Straftaten jemand verurteilt wird. Jetzt lest euch das mal durch:

Der Angeklagte ist schuldig des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 5 Fällen, davon in 3 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellung kinderpornografischer Schriften, und der Herstellung kinderpornografischer Schriften in 3 Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und mit Herstellung kinderpornografischer Schriften und des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Herstellung kinderpornografischer Schriften in 2 Fällen und des Besitzes kinder- mit Besitz jugendpornografischer Schriften.

Immerhin hat das Gericht in die Urteilsbegründung eine Tabelle eingefügt. Darin werden die aufgezählten juristischen Tatbestände in Bezug gesetzt zu den konkreten Tatkomplexen. Ich bin dafür wirklich dankbar, so konnte ich einigermaßen schnell nachvollziehen, ob die Urteilsformel wirklich mit dem Inhalt des Urteils übereinstimmt.

Das tut sie. Wer aber möchte und sich dazu imstande sieht, kann ja ohne die Tabelle mal sagen, über wie viele Taten wir reden, welche Tatbestände miteinander in Tateinheit stehen, wo Tatmehrheit vorliegt und so weiter. Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion.

Vorfahrt gilt in jede Richtung

Hier in Düsseldorf stießen zwei Radfahrerinnen zusammen. Die eine bog aus einem Waldweg heraus auf den Radweg. Meine Mandantin befuhr genau diesen Radweg, allerdings auf der für sie linken Seite. Meine Mandantin fuhr also entgegengesetzt der Richtung, für die ihr Radweg eigentlich freigegeben ist.

Eine alltägliche Situation, wäre die Dame, die aus dem Waldweg gefahren ist, sich ihrer Sache nicht so übermäßig sicher. Sie bombardiert Polizei, Staatsanwaltschaft und die beteiligten Haftpflichtversicherungen mit Stellungnahmen dazu, wie übel ihr mitgespielt worden ist. Geradezu ein Skandal, dass eine junge Frau (meine Mandantin) entgegengesetzt der eigentlichen Fahrtrichtung radelt und böswillig einen Unfall verursacht. Das soll für meine Mandantin sehr teuer werden, zumindest nach den Vorstellungen der Frau. Mal abgesehen vom Jugendknast, in dem sie meine Mandantin wahrscheinlich gerne sehen würde.

Ich habe die Tiraden der Frau mit Staunen gelesen. Man braucht nämlich nicht lange juristische Datenbanken oder Google zu bemühen, um auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu stoßen, der die Frage mal grundsätzlich geklärt hat (Link). Aus dem Beschluss:

Ein Radfahrer auf der Vorfahrtstraße hat auch dann die Vorfahrt gegenüber den aus einer untergeordneten Straße kreuzenden oder einbiegenden Fahrzeugen, wenn er … den in seiner Fahrtrichtung … nicht freigegebenen linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt.

Zur Begründung heißt es zusammengefasst, Verkehrsregeln müssen klar und einfach sein. Ansonsten bricht Chaos aus. Das Chaos erwarte ich auch, wenn jemand dem mutmaßlichen Unfall“opfer“ mal erklärt, wieso ihr als völlig unschuldigen Menschen ein Strafbefehl ins Haus geschickt wird.

Nicht telefonieren darf nichts kosten

Mobilfunkanbieter dürfen bei einem monatlichen Paketpreis den Kunden nicht zusätzlich zur Kasse bitten, wenn dieser nicht telefoniert oder keine SMS schreibt. Genau diese „Nichtnutzungsgebühr“ von monatlich 4,95 Euro hatte die Firma mobilcom-debitel über Jahre verlangt, wenn Kunden mehr als drei Monate ihr Handy nicht nutzten. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein erklärte diese Praxis jetzt für rechtswidrig.

Moblilcom-debitel muss 419.000 Euro an den Bundeshaushalt abführen. Das ist der Betrag, den die Firma nach Berechnung des Gerichts zu Unrecht von den Kunden kassiert hat. Mobilcom-debitel scheiterte mit dem Versuch, fiktive Kosten gegenzurechnen. Das hält das Gericht für unzulässig.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte die gesetzlich möglich „Gewinnabschöpfung“ angestoßen, weil mobilcom-debitel auch nach einer Abmahnung im Jahr 2011 die Gebühren 13 Monate weiter berechnete. Die Verbraucherzentrale betrachtet das Urteil als großen Erfolg. Unternehmen werde deutlich gemacht, dass erhebliche Rechtsverstöße sich nicht lohnen. Gleichwohl wäre es nach Auffassung der Verbraucherschützer besser, wenn das erstrittene Geld nicht in den Staatshaushalt, sondern an die betroffenen Kunden zurückfließt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützt deshalb eine EU-Initiative für einen „New Deal“ bei Verbraucherrechten. Dieser soll Verbandsklagen ermöglichen, mit denen eine Gewinnabschöpfung zu Gunsten der Geschädigten möglich wird.

Link zum Urteil

Ein Strafbefehl, zu dem man nicht nein sagen kann

Der polnische Führerschein meines Mandanten stammte nicht aus Polen. Sondern aus einer Fälscherwerkstatt in Mazedonien. Jedenfalls kamen jene Leute von dort, die meinem Mandanten erzählten, ihre Führerscheine sind so super, dass er durch jede Kontrolle kommt. Das sei doch 3.000 Euro wert.

Nun ja, bei so herausragender Dokumentenqualität muss der Mandant nächtens an einen besonderes qualifizierten Polizisten geraten sein. Nach drei Minuten hörte er nämlich schon den Tatvorwurf: Fahren ohne Fahrerlaubnis, Gebrauchmachen von einer gefälschten Urkunde.

Letztlich erging gegen den Mandanten ein Strafbefehl. Er wollte eigentlich Einspruch einlegen und es auf eine Verhandlung ankommen lassen. Irgendwie schien er immer noch unter dem Eindruck dessen zu stehen, was ihm die Fahrerlaubnisdealer erzählt haben. Absolut wasserdichte Sache und so.

Ich konnte dem Mandanten den Einspruch aber ausreden. Ein Detail war ihm nämlich nicht aufgefallen. Der Richter hat vergessen, die an sich fällige Sperre für die Neu- bzw. Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis anzuordnen (§ 69a StGB). Üblicherweise gibt es in solchen Fällen eine Sperre zwischen 9 und 12 Monaten, gerne auch mal etwas mehr. Doch genau die steht nicht im Strafbefehl. Der Einspruch wäre geradezu eine Sünde, denn dann würde der Strafbefehl erst mal verpuffen – und der Richter könnte nachbessern und die Sperre noch verhängen.

Es wird ohnehin für den Mandanten schwer, wenn er das Straßenverkehrsamt überzeugen möchte, ihm seine erste echte Fahrerlaubnis auszustellen. Dass das Gericht laut Urteil eine Sperre nicht für nötig hielt, kann da als Argument jedenfalls nicht schaden.