SONNENSTRAND

Wenn die Berufswahl schon misslungen ist (vorstehender Eintrag), geht man als gescheiterter Jurist eben zum Sozialamt. Das bezahlt mir sogar die Miete am Sonnenstrand:

Zugegeben, der Mann ist vom Schicksal gebeutelt. Erst verlor er die Frau, schließlich den Job. Doch dann geschah Unglaubliches: Erst bescheinigte ihm ein Psychiater, dass ihm ein Leben in Deutschland nicht mehr zumutbar sei. Nun entschied ein Gericht, dass ihm das Sozialamt die Miete für eine teure Strandwohnung in Florida bezahlen muss. (Spiegel online)

Sommerloch – oder deutsche Realität?

VOLKES STIMME

Beliebter Spruch: 2 Juristen, 3 Meinungen. Aber leider ist da was dran. Wie zum Beispiel im folgenden Fall:

Gegen meinen Mandanten wurde ein Verfahren wegen Unterhaltsverletzung eingestellt. Als Auflagen musste er a) EUR 2.500,00 an einen gemeinnützigen Verein zahlen und b) den inzwischen mit seiner geschiedenen Frau vor dem Oberlandesgericht getroffenen Unterhaltsvergleich „für die Zeit von 6 Monaten“ nach dem Beschluss erfüllen.

Für die 8 Monate nach dem Einstellungsbeschluss hat ihm seine Exfrau dann später schriftlich die Zahlung erlassen, weil er mit seiner Firma Probleme hatte.

Der Staatsanwalt meint, die Auflage sei nicht erfüllt und will, dass das Strafverfahren wieder neu beginnt. Ich meine, dass die Staatsanwaltschaft ja nicht päpstlicher sein kann als der Papst. Wenn die Berechtigte aus freien Stücken auf die Zahlung verzichtet, dann reduziert sich die Verpflichtung meines Mandanten auf 0.

Der Richter meint, dass sich die 6 Monate ans Ende der Stundungsperiode verlagern. Demgemäß könne erst eingestellt werden, wenn tatsächlich 6 Monate gezahtl wurden. Die Frist zur Zahlung beginne aber frühestens, wenn die Ehefrau keine Stundung mehr gewähre.

Falls jemand eine Meinung hat, kann er diese gerne posten. Ich kann die Kommentare ja dann als Volkes Stimme verkaufen, in dessen Namen Urteile schließlich ergehen. (Aber natürlich nur, wenn meine Ansicht gewinnt.)

KAUGUMMI-VERFAHREN

Das Bundesverfassungsgericht hat lahmen Ermittlern und Richtern mal wieder einen auf den Deckel gegeben. Ein Kaugummi-Verfahren, in dem sich monate- oder jahrelang nichts tut, verstößt gegen die Grundrechte.

Der Beschuldigte muss deshalb deutlich milder behandelt werden.

Wenn ich Sachen in der Berufung oder Revision übernehme, stelle ich immer wieder fest, dass Anwälte häufig jahrelangen Verfahrensstillstand einfach so hinnehmen. Dabei haben viele Richter mittlerweile Verständnis für diesen Einwand. Sie ärgern sich nämlich auch darüber, dass sie ständig olle Kamellen auf den Tisch bekommen, in denen sich die Zeugen schon wegen des Zeitablaufes nicht mehr richtig erinnern.

(link gefunden bei Handakte WebLawG)

WENN …

WENN …

… schon eine dreiviertel Stunde lang 2 Polizeihubschrauber über dem Viertel kreisen, kann man beim besten Willen keine psychiatrischen Gutachten lesen. Deshalb gehe ich jetzt nach Hause.

WAHRHEIT

Die folgende Nachricht ist doppelt lehrreich:

Der Beaujolais wird von vielen Weinkennern weltweit geschätzt – ein Fachmann hat ihn dagegen als „Scheißwein“ angeprangert. Das ist allerdings nicht erlaubt, hat ein Gericht in Lyon in Frankreich festgestellt. (RP online)

1. Wer mal richtig schimpfen will, sollte es besser in Österreich tun (siehe auch hier).

2. In Frankreich darf man jetzt nicht mal mehr die Wahrheit sagen.

VERLOREN

Ein Kollege erzählt mir auf dem Gerichtsflur, dass ein Mandant bei ihm 114.000 Euro vergessen hat:

Wir haben den Prozess noch zu DM-Zeiten gewonnen. Die Gegenseite hat gezahlt. Als ich ihm das Geld schicken wollte, war er einfach nicht mehr da. Empfänger unbekannt. Telefon und Fax tot. Sogar die e-mails kamen zurück.

Wir haben ein bisschen überlegt, wann der Rückzahlungsanspruch wohl verjährt. Aber eigentlich ist das gar nicht so wichtig. Der Kollege:

Der Mandant macht mir doch die Bude platt, wenn ich in ein paar Jahren sage: Ätschibätsch, ihr Geld ist jetzt der Porsche vor der Tür.

Na ja, wenigstens freut er sich jetzt schon ein paar Jahre über die Festgeldzinsen.

Btw: Falls bei jemandem jetzt ganz laut ein Groschen fällt, die Adresse für den „Finderlohn“ steht im Impressum.

GESCHENKT

Es ist doch schön, wenn mal als gutbezahlter Angestellter daran denkt, für den Fall der Kündigung eine Abfindung zu vereinbaren. Weniger schön ist es, wenn der Arbeitgeber diese nicht zahlen will.

Dann braucht man Anwälte, am besten aus einer angesehenen anglo-amerikanischen Kanzlei, die sich für keine juristische Verrenkung zu schade sind:

Die Klausel ist unwirksam, weil sie gemäß § 518 Abs. 1 S. 1 BGB zu ihrer Gültigkeit der notariellen Beurkundung bedurft hätte. Bei der Abfindungsvereinbarung handelt es sich nämlich um ein Schenkungsversprechen…

Dieses Statement veranlasste den Arbeitsrichter zu der launigen Bemerkung, dass er noch keinen Arbeitgeber getroffen hat, der seinen Mitarbeitern etwas schenkt. Und dass damit ja wohl die meisten Verträge in Chefetagen und Fußballvereinen unwirksam wären. Der Richter: „Dann hätten wir aber einige golfspielende Millionäre weniger in unserem Land“.

SCHAUERLICH

Wusstet ihr, dass man sich durch das Betreten eines Spielplatzes strafbar machen kann? In München kein Problem:

Es war ein warmer Sonnentag Anfang Mai, und Stefan M. hatte es sich gemütlich gemacht auf einer Parkbank im Alten Botanischen Garten. Doch dann kamen zwei Polizisten, nahmen seine Personalien auf und zeigten ihm die Hinweisschilder: Die Bank stand am Spielplatz, und den dürfen Erwachsene nur betreten, wenn sie Kinder dabei haben. Vier Wochen später bekam Stefan M. Post: Ein Strafbefehl, 150 Euro sollte er bezahlen, wegen Hausfriedenbruchs. (Weiter in der SZ)

Gut, dass ich diese schauerliche Geschichte noch gelesen habe. Nächsten Mittwoch bin ich in München. Mal überlegen, ob ich mein Patenkind Julius in die Aktentasche gefaltet krieg´…

(link gefunden in den Kommentaren bei it & w)

MASSENSENDUNG

Lieber Udo Anwalt,

mir sind eingesperrt unschuldig hier in Knast. Bitte sie mir helfen. Ganz dringend. Ich frage meine Verwandten, die zahlen alles, was sie wollen. Aber komm´en mich erstmal besuchen, wir sprechen über alles. Bitte, bitte, ich brauch Hilfe.

Die finanziellen Versprechungen – geschenkt. Was mich aber stört, sind Leute, die dir bei deinem Besuch vom Vollzugsbeamten ausrichten lassen, sie hätten kein Interesse mehr an einem Gespräch. Kein Wunder, wenn schon 5 der etwa 30 Anwälte, denen sie den gleichen Brief geschickt haben, vor dir da gewesen sind.

RATIONELLES ARBEITEN

Das Arbeitsamt Düsseldorf schreibt mir einen Brief:

Wir bitten um Mitteilung, ob die Unterhaltssache bereits vom Familiengericht entschieden wurde. Falls ja, geben sie uns bitte das Urteil bekannt. Erst dann kann abschließend über den Widerspruch entschieden werden. Ansonsten bitten wir um eine Mitteilung zum Sachstand.

Ich rufe also die Sachbearbeiterin an. Sie klingt auch ganz nett. Ich erkläre ihr den Stand des Verfahrens, dass demnächst eine Beweisaufnahme ansteht, wir aber auch über einen Vergleich reden. Undsoweiterundsofort.

Als ich alles gechildert habe, sagt sie nur:

Schicken sie mir das Ganze doch als Fax.

Wer, bitte, klaubt meinen Kopf von der Tischplatte?

SPEICHERPFAD

Die Autoversicherungen sind klamm. Behaupten sie jedenfalls. Deshalb arbeiten sie hart daran, dass Geschädigte nicht an ihr Geld kommen. Oder möglichst spät. Eine Mandantin von mir wurde wochenlang hingehalten. Erst fehlte die Ermittlungsakte. Dann sollte noch ein eigener Gutachter ran. Schließlich sollte sie weitere Fotos einreichen – obwohl mittlerweile 2 Gutachter den Wagen vor der Linse hatten.

Schließlich hatte die Versicherung alles, was sie braucht. Aber dann meldete sie sich einfach nicht mehr. Briefe blieben ohne Antwort. Am Telefon nur Ausflüchte.

So kam ich ins Spiel. Per Fax forderte ich die Versicherung auf, den Schaden auszugleichen. Das war am Donnerstag, 31. Juli, 9.38 Uhr.

Gestern bringt mir meine Mandantin ein Schreiben der Versicherung. Der Brief datiert auf den 30. Juli. Angekommen ist er am 11. August. Darin teilt die Versicherung mit, dass der Ersatzbetrag überwiesen wird.

Das Schreiben ist nur ein weiterer Versuch, Geld zu sparen. Unsere Anwaltsgebühren. „Tja“, säuselte der Sachbearbeiter ins Telefon, „wenn wir die Regulierungszusage vor ihrem Fax rausgeschickt haben, müssen sie sich die Kosten von ihrer Mandantin holen. Wir sind ja nicht verantwortlich für die Schneckenpost.“

Meine Bitte an ihn: „Wenn sie schon Daten fälschen, dann bitte richtig.“ Er brauste auf. „Wollen sie mir was unterstellen?“ Genau, dass er das Schreiben nämlich zurückdatiert hat. „Es wäre schon ganz sinnvoll“, riet ich ihm, „in solchen Fällen den Speicherpfad unten auf dem Briefbogen auszublenden.“ Daraus ergibt sich nämlich, dass er den Brief erst am 1. August geschrieben hat. Um 8.14 Uhr, um genau zu sein.

Das fehlende Geld ist schon auf unserem Konto. Sie können schon schnell – vor allem wenn man mit dem Vorgesetzten droht.

KÖRPERVERLETZUNG 2

KÖRPERVERLETZUNG 2

Willkommen in unserem Strafrechtsseminar. Gestern haben wir gelernt, dass Schuhe, insbesondere Springerstiefel, gefährliche Werkzeuge sein können.

Heute widmen wir uns folgendem Fall:



Ein 26-jähriger Chorsänger muss hinter Gitter, weil er seiner 24 Jahre älteren Geliebten die Nase abgebissen hat.
(RP online)

Einfache Körperverletzung, da machen wir ein Plus.

Gefährliche KV?

Das Gebiss müsste ein gefährliches Werkzeug sein. Tröndle/Fischer, die Standardkommentatoren zum Strafgesetzbuch, klären uns auf:

Rechtsprechung und herrschende Meinung nehmen an, dass Körperteile selbst kein „Werkzeug“ (des Körpers) sein können. Das liegt nach dem Wortsinn nahe; im Grenzbereich, der nicht erst in skurrilen Fallbeispielen (künstliches Gebiss; „Piraten“-Haken als Handprothese) beginnt, ist es gleichwohl zweifelhaft…

Eine andere Möglichkeit wäre „mittels eines hinterlistigen Überfalls“. Der ist aber noch nicht einmal bei einem plötzlichen Angriff von hinten gegeben. Von hinten einem anderen die Nase abbeißen, stößt ohnehin an anatomische Grenzen, so dass wir diese Möglichkeit verneinen können.

Bleibt die schwere Körperverletzung. Hier wäre aber Voraussetzung, dass das Opfer in „erheblicher Weise dauernd entstellt“ worden ist. Das hat das Gericht offensichtlich geprüft und zu Gunsten des Angeklagten – vielleicht auch unter dem Eindruck des liebeskranken Opfers – befunden, dass die kreisrunde Narbe gut verheilt.

Fazit: Beissen kann deutlich günstiger sein als treten. Zu den Gründen fragen Sie Ihren Gesetzgeber.

Danke für die Aufmerksamkeit. Die Seminarbescheinigung erhalten Sie am Ausgang.