Die Polizei erklärt, wie ein Wheelie geht

Heute ein Musterbeispiel kriminalistischer Feinarbeit. Zwei Polizisten (m/w) schauten aus ihrem fahrenden Streifenwagen auf die durch einen Grünstreifen abgetrennte Gegenfahrbahn. Ihr Blick erspähte meinen Mandanten, wie dieser mit dem Motorrad in die Gegenrichtung fuhr. Fünf Minuten später war der Führerschein des Mandanten sichergestellt, sein Motorrad beschlagnahmt. Vorwurf: „illegales Autorennen gegen sich selbst“.

Die konkrete Geschwindigkeit meines Mandanten konnten die Beamten wegen der räumlichen Situation natürlich nicht angeben. Deswegen präsentierten sie in der Anzeige einen anderen unschlagbaren Beweis:

Der Beschuldigte beschleunigte sein zweirädriges Kraftrad so stark, dass im innerstädtischen Bereich die Ausführung eines „Wheelies“ ermöglicht wurde. Es ist hervorzuheben, dass ein „Wheelie“ ausschließlich in einer höchstmöglichen Geschwindigkeit und durch eine starke Beschleunigung des Kraftfahrzeugs ausführbar ist.

Ich schrieb dem Staatsanwalt folgendes:

Für einen Wheelie mit dem Motorrad bedarf es keinesfalls einer Höchstgeschwindigkeit. Vielmehr ist die Ausführung eines Wheelies stark von Motorradtyp, Motorleistung, Getriebeübersetzung und Fahrtechnik abhängig – aber gerade nicht von der Geschwindigkeit. Sogar Fahranfänger können Wheelies machen. Ihnen wird empfohlen, den Wheelie bei niedrigen Geschwindigkeiten um etwa 16 bis 25 km/h (!) im ersten Gang zu üben, da hier die Kontrolle leichter fällt und der sogenannte Kipppunkt – der Winkel, bei dem das Motorrad ohne Gas- oder Bremskorrektur gehalten werden kann – besser zu spüren ist (Suchanfrage auf Perplexity.ai: „Welche Geschwindigkeit benötigt ein Motorrad für einen Wheelie?“).

Der Wheelie meines Mandanten ist also kein Beleg für eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h an der fraglichen Stelle, und er ist schon gar kein Beleg für ein illegales Fahrzeugrennen gegen sich selbst.

Am übernächsten Tag war der Führerschein wieder da und das Motorrad freigegeben. Für eine mögliche Ordnungswidrigkeit, also ein Bußgeld, ist das Ordnungsamt zuständig. Aber auch von dort eher wenig zu befürchten. Ein Wheelie mit dem Motorrad ist nur verboten, wenn andere gefährdet werden. Davon stand in der Anzeige jedoch kein Wort.

Privatgutachten

Völlig anlasslos mal ein Blick in die Praxis. Heute geht es um sogenannte Privatgutachten, die Rechtsanwälte gern gegen ein anständiges Honorar schreiben.

Wenn man ein passendes Gutachten von einem Anwalt braucht, fragt man bei möglichst vielen an und beauftragt den, der schon am Telefon oder nach einer kurzen Infomail die gestellte Frage positiv beantwortet. Zur Sicherheit beauftragt man einen zweiten Willigen oder sogar ein paar mehr, falls einer doch noch Bedenken kriegt oder krank wird. Das ist aber kein Muss und hängt natürlich sehr von den finanziellen Mitteln ab, die zur Verfügung stehen.

Bei Eingang des oder der Gutachten nimmt man ebenso erfreut wie überrascht zur Kenntnis, dass der Gutachter die eigene Auffassung bestätigt. Wer hätte damit nur rechnen können.
Ist die Auswahl an Gutachten reichlich, nimmt man das Gutachten, das am schönsten klingt. Bei Gleichstand entscheidet die Imposanz des Kanzleibriefkopfs.

Ärger bringt so ein Vorgehen nie. Die anderen angefragten Anwälte, vor allem jene, die gleich mit dem Kopf geschüttelt haben, dürfen selbst auf Nachfrage nicht mal zugeben, dass sie kontaktiert wurden und womöglich sogar eine Ersteinschätzung gegeben haben, für deren Inhalt der potenzielle Auftraggeber dann doch eher nichts bezahlen wollte. In einem Wort: Schweigepflicht.

Das sind natürlich super ausgebuffte Tricks. So was kennen nur forensisch tätige Juristen und Pitbulls in Unternehmens-Rechtsabteilungen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Professor oder eine Professorin, die fast nur im Schreibstübchen, in Vorlesungen oder allenfalls mal in einer Enquete-Kommission sitzen, auf so was kommen könnten.

So schnell ist nicht mal die Post

Auch Anwälte werden mal krank. Wenn mehrere Angeklagte vor Gericht stehen, ist es vom Grundsatz her natürlich sehr nett, die anderen Anwälte vom Krankheitsfall zu informieren. Damit sie nicht unnötigerweise zum Gericht fahren. Bei einem Verhandlungstermin am 30.06. um 12.30 Uhr macht es allerdings wenig Sinn, diese Information in einen Brief zu packen, der am 30.06. in die Post geht. Siehe hier:

Der Brief ging übrigens heute ein. Wir schreiben den 16.07.2025.

Die Folgen des Seifenmangels

Gestern abend durfte sich die als Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht vorausgewählte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz präsentieren. Ziel der wegen ihrer juristischen Positionen unter Beschuss geratenen Professorin war es, ihren vermeintlichen Anspruch mit Nachdruck geltend zu machen. Gefallen hat das Interview mir nicht.

Wie schon eingangs erwähnt: Das Auftreten der Kandidatin erweckte bei mir stark den Eindruck, als sei das höchste Richteramt in der Republik in ihren Augen eine höher dotierte Vollzeitstelle im öffentlichen Dienst und die kritische Gegenöffentlichkeit so was wie ein unliebsamer Juristenkollege, den man halt aus dem Wege schieben muss. Mit solchen Leuten müssen sich Interessenten für hohe Gerichtsposten ja tatsächlich öfter im Wege der sogenannten Konkurrentenklage herumschlagen, wie zuletzt etwa beim jahrelangen Streit um den Präsidentenposten am Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Nur ist der Posten eines Verfassungsrichters doch noch mehr als eine herausgehobene Richterstelle mit Dienstwagen. Im Zweifel ist ein einzelner Senat in Karlsruhe mächtiger als der Kanzler und sein Kabinett.

Was man Frauke Brosius-Gersdorf zu Gute halten muss: Sie ist nicht schuld an der Situation. Schuld ist das seit Jahrzehnten praktizierte Hinterzimmersystem, mit dem Parteien die Posten nach Quoten besetzen nach dem bewährten Motto: manus manum lavat, eine Hand wäscht die andere. Stimmst du also für meinen Kandidaten, stimme ich für deinen. Wobei keine Fragen gestellt und unliebsame Oppositionsparteien natürlich knallhart übergangen werden. Nur so lässt es sich etwa erklären, dass die in Richtung 10 % – Marke geschrumpfte SPD nun zwei Richtertickets einlösen kann. Die AfD kann bis auf weiteres keine Kandidaten durchsetzen, obwohl sie stärkste Oppositionspartei ist.

Das beschriebene System funktionierte bisher gut. Sicher, mal war ein CDU-Kandidat der SPD zu rechts, dann wurden die Stellen halt im Wege eines Kompromisses anders besetzt. Das war im Fall Brosius-Gersdorf erstmals komplett anders. Die Positionen der Kandidatin wurden Gegenstand inhaltlicher und noch dazu öffentlicher Debatten (zuerst übrigens in der FAZ). Der Gegenwind fiel – zu Recht – so heftig aus, dass viele CDU-Abgeordnete kalte Füße bekamen und sich daran erinnerten, wem sie laut Grundgesetz einzig und allein verpflichtet sind: ihrem Gewissen.

Die Zuspitzung wäre also vermeidbar gewesen, aber wer mag als vielbeschäftigter Fraktionsmanager sich schon vorstellen können, dass Hände schnell rau werden, wenn jemand Unerwartetes wie eine kritische Öffentlichkeit von der Seitenlinie ins Spielfeld greift und die Seife stibitzt.

Dass es in diesem Fall halt mal nicht nach dem Motto „Machen wir schon immer so“ gelaufen ist, begründet aber keine Opferrolle für Frauke Brosius-Gersdorf. Sie setzte sich gestern ins Fernsehen und verkündete ernsthaft, die Kritik an ihren Positionen sei ja nicht richtig. Punkt. Dabei übersieht sie geflissentlich, dass es etwa in der Debatte um die Menschenwürde Ungeborener kein richtig und kein falsch gibt. Vielmehr gilt der universale Grundsatz: zwei Juristen, drei Meinungen. Frau Brosius-Gersdorf geht dagegen von der Prämisse aus, dass es zwar Meinungen geben darf. Aber am Ende entscheidet sie, ob die andere Meinung über ihre Person formal zulässig und begründet ist. Ansonsten droht die Verdammung ins Tal der Fußnoten, wohin die „herrschende Meinung“ im Juristenzirkus ja seit jeher gern unbequeme Stimmen endlagert.

In der öffentlichen Debatte gibt es aber keine angearbeitete oder gar ererbte Deutungshoheit. Es stellt sich letztlich nur die Frage: Führen die Positionen von Frau Brosius-Gersdorf dazu, dass ich sie nicht als Richterin am Bundesverfassungsgericht haben möchte? Wenn ja, darf ich das sagen, auch ohne anspruchsvolle, juristisch fundierte Begründung, das Ganze im Rahmen des geltenden Strafrechts und problemlos auch anonym (andere Auffassung offenbar: Frauke Brosius-Gersdorf). Dementsprechend spielt es auch keine Rolle, wo sich die Kandidaten selbst im demokratischen Spektrum verortet. Sie kann mir gerne tausendmal sagen, dass sie tragender Teil von dem ist, was auch sie gerne und nervenzermübend oft „unsere Demokratie“ nennt. Aber es ist letztlich mein Recht öffentlich zu sagen, dass ich das anders sehe oder ihre Demokratie dann halt nicht meine ist.

Die Kandidatin kann mit Kritik nicht richtig umgehen und hat ein fragwürdiges Verständnis der Meinungsfreiheit. Schon deswegen hat sie mich nicht überzeugt.

Und wann muss man sich für ein Spiegel-Abo schämen?

In der Berichterstattung zum möglichen Datenleak bei NIUS wird genüsslich darauf rumgeritten, dass zahlende Nutzer des Portals ja eine Art gesellschaftliche Ächtung zu fürchten haben könnten, wenn ihr dunkles Laster bekannt wird.

Wie weit sind wir eigentlich gekommen, wenn man sich wegen eines Abos oder vielleicht sogar nur wegen einer Registrierung bei einem Nachrichtenportal genieren und sorgen soll? So ein scheinheiliges, perfides Geraune ist für mich auch nur ein Brandbeschleuniger auf dem Weg zum Kulturkampf á la USA. Aber diesen Kulturkampf wollen doch angeblich nur die bösen Rechten anzetteln. Ja, ja.

Wenn es allerdings knallt und schlecht läuft, muss man sich dann eines Tages womöglich wegen eines Spiegel-Abos ducken. Wer das in Kauf nimmt, sollte fleißig auf diese Art und Weise weiter zündeln.

„Frau Brosius-Gersdorf hat uns gebeten…“

Zu den kleineren, aber nicht ganz unwichtigen Merkwürdigkeiten im löwenhaften Kampf der Professorin Frauke Brosius-Gersdorf um eine Richterstelle am Bundesverfassungsgericht gehört ihre heutige öffentliche Stellungnahme. Nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch wegen der Art der Veröffentlichung.

Es ist nämlich keineswegs so, dass Frauke Brosius-Gersdorf – wie in vielen Medien berichtet – eine Anwaltskanzlei beauftragt hat, für sie Stellung zu nehmen. Vielmehr veröffentlicht die Anwaltskanzlei Redeker lediglich die eigene Stellungnahme der Kandidatin. Das ist auf der Presseseite von Redeker selbst nachzulesen:

Frau Prof. Dr. Frauke Brosius‑​Gersdorf hat uns gebeten, ihre folgende Erklärung den Medien zur Verfügung zu stellen.

Es handelt sich also nicht um eine Stellungnahme der Anwälte im Namen ihrer Mandantin. Unterschrieben ist der Text ja auch ausschließlich von Brosius-Gersdorf. Es wird nicht mal mit einem Wort transparent gemacht, ob und wieweit sich die Kanzlei Redeker hier für ihre Mandantin exponiert bzw. überhaupt exponieren will, und sei es nur beratend. Üblich ist das bei anwaltlicher Vertretung jedenfalls nicht.

Für mich legt das Ganze nahe, dass die sehr schlauen Juristen bei Redeker eher nicht von der Idee angetan waren, dass sich eine Kandidatin fürs höchste Richteramt per Stellungnahme rechtfertigt. Juristische Unterstützung manifestiert sich bei Anwälten jedenfalls normalerweise nicht nur darin, den einen eigenen Text der Mandantin auf die Kanzleihomepage zu klatschen. Aber was ist schon normal in dieser Geschichte…

Die Kandidatin und die Meinungsfreiheit

In ihrer etwas verbittert klingenden, also in der Tonalität wenig überraschenden Stellungnahme redet sich Richter-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ohne Grund selbst weiter um Kopf und Kragen.

So schreibt sie:

Kritik müssen sich auch einzelne staatliche Funktionsträger gefallen lassen. Welchen Grund gibt es, sich als Mitglied einer Landesregierung, zumal aus dem Bereich der Justiz, in einer Debatte um eine Verfassungsrichterwahl anonym zu äußern?

Warum äußern sich Personen und auch Politiker zu einem Thema? Weil sie es dürfen. Warum äußern sie sich anonym? Weil sie es dürfen. Die Freiheit, seinen Senf zu jedem Thema sagen zu dürfen, ist, wie es das Bundesverfassungsericht ständig sagt, für unsere Grundordnung schlichtweg konstituierend.

Wenn die Kandidatin dagegen eine Art sachlichen Grund für erforderlich hält, dass Menschen ihre Meinung sagen und dies dann überdies nur unter Nennung von Namen und Adresse dürfen sollen, lässt das nichts Gutes für ihre Tätigkeit am Verfassungsgericht erwarten.

Gericht verbietet Warnhinweise in Büchern

Das Oberverwaltungsgericht NRW untersagt der Stadtbücherei Münster „Warnhinweise“ in Büchern.

Die Bibliothek hatte Bücher geprüft bzw. auf ihre Inhalte prüfen lassen. Ergebnis waren Warnungen, welche die Kunden der Bibliothek dann in den betreffenden Werken fanden. Das Ganze wurde als „Einordnungshinweis“ verkauft und lautete wie folgt:

Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt.

Das verletze den Autor in seiner Meinungsfreiheit, stellt das Gericht fest. Außerdem greife der Hinweis in das Persönlichkeitsrecht des Verfassers ein. Der Hinweis werte das Werk herab. Nutzer könnten sich von dem Warnhinweis abgeschreckt fühlen.

Diese Grundrechtseingriffe seien nicht durch die geltenden Gesetze in Nordrhein-Westfalen gedeckt. Die Bibliothek könne zwar entscheiden, ein Buch nicht anzuschaffen. Wenn sie es aber in den Bestand aufnimmt, dürfe sie keine negativen Bewertungen oder Warnhinweise anbringen. Der Gesetzgeber wolle vielmehr, dass Bibliotheksnutzer als mündige Bürger selbstbestimmt und ohne Lenkung Informationen aufnehmen und sich eine eigene Meinung bilden. Der Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (Aktenzeichen 5 B 451/25).

Vor Gericht muss man sich nicht gendern lassen

Muss sich der Bürger in einem Gerichtsurteil wegen eines angeblichen Tempoverstoßes als „betroffene Person“ bezeichnen lassen? Darf der Sachverständige vom Gericht als „sachverständige Person“ tituliert werden und der angehörte Messbeamte als „messverantwortliche Person“? Nein, sagt das Oberlandesgericht Naumburg. Gendern, noch dazu krampfhaftes, kommt laut dem Gericht nur in Betracht, „wenn die betreffenden Verfahrensbeteiligten ausdrücklich um eine geschlechtsneutrale Bezeichnung nachsuchen“.

Der Senat am Oberlandesgericht folgt inhaltlich dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft. Diese attestiert dem zuständigen Richter am Amtsgericht Dessau-Roßlau heftige Sprachverwirrung. Das Geschlecht eines Verfahrensbeteiligten sei ein „wesentliches Persönlichkeitsmerkmal“. Deshalb könne die nicht erbetene sprachliche Reduzierung des Betroffenen auf ein Neutrum dessen persönliche (Geschlechter)-Ehre verletzen und sei despektierlich. Schon der Verteidiger des Betroffenen hatte darauf hingewiesen, dieser sei unzweifelhaft ein Herr.

Aufgehoben wurde das Urteil allerdings nicht wegen sprachlicher Mängel. Vielmehr weist die Entscheidung auch zahlreiche sachliche Fehler auf.
Sich selbst hat der Richter übrigens als solchen im Urteil bezeichnet – und nicht als „richtende Person“ (Aktenzeichen 1 ORbs 133/25).

Bis zu 45 Monate…

Keine Hausdurchsuchung, ohne dass Computer, Handys und USB-Sticks mitgenommen werden. Welche Folgen das insgesamt für die Dauer von Strafverfahren haben kann, zeigt das folgende Schreiben eines Polizeipräsidiums aus Nordrhein-Westfalen:

Wir nähern uns also mittlerweile der Vier-Jahresgrenze. Falls jemand – privat oder geschäftlich – auf seine Daten angewiesen ist, sind das sicher keine guten Nachrichten. Für mich übrigens auch nicht. So lange möchte ich eigentlich gar nicht mehr arbeiten…

Unkooperatives Verhalten

Ein Polizist zeigt meinen Mandanten an, und zwar ausdrücklich wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen (§§ 113, 115 StGB)“.

Ich zitiere die Anzeige:

Der Beschuldigte verhielt sich im Rahmen der Sachverhaltsaufnahme unkooperativ und zeigte kein Verständnis für die Maßnahme und die Reaktion des Unterzeichners.

Mehr steht da nicht zum Tatvorwurf des Widerstands. Ich schwöre. Wer bitte erklärt dem eifrigen Beamten, dass mangelnde Unterwürfigkeit noch keine „Gewalt“ oder „Drohung mit Gewalt“ ist, wie sie die betreffenden Paragrafen nach wie vor fordern. Ich hoffe, alsbald der Staatsanwalt und nicht irgendwann erst das Bundesverfassungsgericht.

Schwer geschädigtes Kind bekommt 720.000 Euro Schmerzensgeld

Das Kind hat seit seiner Geburt schwere Hirnschäden, es ist erblindet und hat eine starke Hörschwäche. Das alles sind die Folgen schwerer Behandlungsfehler in der Geburtsklinik, stellt das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Urteil fest. Die Folge ist ein Schmerzensgeld von 720.000 Euro.

Eine 37-jährige Frau war mit Zwillingen schwanger. Der für sie zuständige Arzt behandelte sie in der Geburtsklinik wochenlang stationär – bis einer der Föten im Mutterleib verstarb. Der darauf hin notwendige Notkaiserschnitt rettete dem zweiten Kind zwar das Leben. Es wurde dabei aber schwer geschädigt.

Im wesentlichen kritisiert das Gericht die Ausstattung der Klinik. Die hat nämlich keine neonatologische Intensivstation. Bei einer Hochrisikoschwangerschaft (Zwillinge, Alter der Mutter) müsse aber immer damit gerechnet werden, dass es zu einer Frühgeburt oder schweren Komplikationen kommt. Eine Notfallbehandlung müsse in solchen Fällen von vornherein gewährleistet sein. Das war hier nicht der Fall (Aktenzeichen 8 U 8/21).

Dorf streitet sich um „Minipigs“

Im allgemeinen Wohngebiet sind Haustiere erlaubt. Aber nur, wenn es sich um „Kleintiere“ handelt – zum Beispiel Katzen und Hunde. Ein Ehepaar aus Haßloch setzte allerdings nicht auf das Konventionelle. Stattdessen schafften die Eheleute zwei Minipigs an, die künftig in ihrem Garten lebten. Das wiederum empfanden Nachbarn als Schweinerei. Sie beklagten sich über Lärm und Gestank. So landete der Fall nun vor Gericht.

Minipigs sind kleinwüchsige Hausschweine. Sie wurden wurden ursprünglich für Forschungszwecke gezüchtet, werden aber zunehmend auch als Haustiere gehalten. Problem ist nur, dass der Name der Tiere leicht in die Irre führt. Denn die Minipigs, um die vor dem Oberwaltungsgericht Koblenz gestritten wurde, bringen immerhin 70 Kilogramm auf die Waage. Jedes. Manche Minipig-Sorten werden bis zu 150 kg schwer. Zum Vergleich: Ein Hängebauchschwein wiegt meist nicht mehr als 70 Kilogramm.

Auch wenn Haßloch sich selbst gern als „größtes Dorf Deutschlands“ rühmt, wollten die Koblenzer Richter nicht von den allgemeinen Regeln abweichen. Danach gilt: Im ausgewiesenen Wohngebiet sind nur Haustiere im „Handtaschenformat“ erlaubt, auch wenn die Gegend durchaus ländlichen Charakter hat. Nachbarn im Wohngebiet haben nach Auffassung der Richter einen „Gebietserhaltungsanspruch“. Die Haltung von Ziegen, Schafen und Schweinen sei in solchen Gegend nicht mehr üblich und damit unzulässig.

Dem betroffenen Ehepaar bleibt es allerdings unbenommen, ihre Schweine woanders zu halten. In Haßloch und Umgebung gebe es noch genügend Dorfgebiete oder „Gemengelagen mit Dorfcharakter“, so das Gericht. Dort seien auch Minipigs durchaus erlaubt (Aktenzeichen 8 A 11067/24 OVG).

„Sie bauen mir absichtlich die Schaden“

Dass bei uns was mit der Meinungsfreiheit im Argen liegt, zeigt sich nicht nur an den Klagen vermeintlich beleidigter Politiker. Ein eindrucksvolles Beispiel ist auch der Fall einer Deutsch-Polin. Diese war mit der Leistung ihres Anwalts in einem Zivilprozess nicht zufrieden und kritisierte diesen in einem Brief. Sehr schnell fand sie sich dafür auf der Anklagebank.

Was hatte die Frau ihrem Anwalt geschrieben? „Ich habe das Gefühl, dass sie bauen mir absichtlich die Schaden“, „Weil Sie mich mit Ihrem Gelderschleichen versuchen zu betrügen“ und „jetzt werden wir ihre Betrug klären, ihre Inkompetenz“. Für diese Äußerungen sollte die Frau eine Vorstrafe kassieren (50 Tagessätze zu 30 Euro). Erst das Bundesverfassungsgericht gebot dem jetzt Einhalt.

Die Karlsruher Richter verweisen darauf, dass schon mangels „schwerwiegender Schimpfwörter“ keine – immer strafbare – Schmähung oder eine sogenannte Formalbeleidigung gegeben sei. Auch sei gar nicht geprüft worden, ob die Äußerungen einen sachlichen Zusammenhang mit der Mandatsführung des Anwalts hatten, im Kern also Kritik in der Sache darstellen können. Ebenso wenig hätten die Gerichte geprüft, ob die Äußerungen öffentlichkeitswirksam erfolgten. Auch blieb völlig unberücksichtigt, dass die Betroffene offensichtlich keine fundierten Deutschkenntnisse hat.

Am witzigsten fanden die Richter sicherlich das Argument des Amtsgerichts, die Frau habe sich strafbar gemacht, weil sie den Anwalt auch auf nicht beleidigende Weise hätte kritisieren können. Diese pauschale Aussage sei nicht mehr als ein Zirkelschluss, heißt es trocken. Die Sache muss jetzt neu verhandelt werden (1 BVR 1182/24).