Die neue Lust am Strafen

Vernünftiges Strafrecht oder „Lizenz zur Grausamkeit“? Der Hamburger Kriminologe Prof. Fritz Sack zeichnet im Gespräch mit Telepolis ein bedrückendes Bild der aktuellen Entwicklung zu härteren Gesetzen und rigorosem Vollzug. Er meint, dass sich der frustrierte Bürger auf diese Weise rächt – an den noch schwächeren Gliedern der Gesellschaft. Seine Erklärung für die neue Lust am Strafen:

Meines Erachtens liegt die Hauptursache darin, dass den Menschen das Sicherheitsempfinden abhanden gekommen ist, damit meine ich, dass viele enormen Existenzängsten ausgesetzt sind. Die Menschen sehen keine Perspektive, haben ihre Arbeitsplätze verloren oder sind bedroht davon, erwerbslos zu werden. Dafür ist aber in vielen Fällen niemand persönlich verantwortlich zu machen, irgendwelche Vorstände treffen solche Entscheidungen und die Entscheidungsträger sind oftmals nicht greifbar. Ein Straftäter ist indes real vorhanden, an dem kann das Bedürfnis nach Rache konkret ausgelebt werden.

Abgesehen von dieser kontroversen These schildert Sack anschaulich, wie grotesk das Missverhältnis zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit ist.

In aller Form

„Von einer Kündigung wissen wir nichts.“

„Wenn Sie gekündigt haben, haben Sie die Kündigung bestimmt zurückgenommen. Hat Sie mal einer unserer Mitarbeiter angerufen?“

„Nachträglich kann man da sowieso nichts mehr machen. Sie müssen den Vertrag noch bis Ende des Jahres erfüllen.“

Nur einige der Sprüche, die sich mein Mandant auf der Hotline eines Mobilfunkunternehmens anhören musste. Auf seine Kosten. Dabei war man partout nicht bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ihm seine Kündigung schriftlich bestätigt wurde. Und zwar zu einem Zeitpunkt, der jetzt schon sieben Monate zurückliegt.

Wie es aussieht, werden Anwaltsschreiben an anderer Stelle bearbeitet. Die Übersendung einer Kopie der Bestätigung hat jedenfalls erfreulichere Resultate:

„Wir entschuldigen uns bei Ihrem Mandanten in aller Form.“

Na ja, meint mein Mandant, mit einer Telefonkarte über 50 Euro würde das Bedauern ehrlicher klingen. Aber er sieht natürlich ein, dass es darauf keinen Rechtsanspruch gibt.

Bestellungsarbeiten

Tatort: Der Norden Düsseldorfs, der Süden Duisburgs und überall sonst, wo Felder an Wohnhäuser grenzen. Tatzeit: Die aktuellen Nächte, die kommenden Sonn- und Feiertage. Die Täter: Landwirte. Der Sommer dieses Jahres bringt den Bauern klimabedingt schon jetzt viel Arbeit. Drei bis vier Wochen früher als sonst sind Getreide und andere Pflanzenfrüchte reif. Nächtliche Ernteeinsätze mehren sich, auch die an den Sonntagen. Das sorgt für Verärgerung der Nachbarschaft, zumal Wohngebiete bis an die Felder reichen.

Die Menschen werden vom Lärm der Häckselmaschinen, Traktoren und Mähdrescher gequält. Doch die Landwirte haben das Recht auf ihrer Seite. Andreas B., einem Polizeibeamter im Kreis Mettmann stinkt in diesen Tagen wieder einmal die Praxis der Bauern wortwörtlich: „Ausgerechnet bei großer Hitze düngen die ihre Felder, ich muss alle Fenster und Türen schließen“.

Eine Anzeige war vergeblich. „Wenn die Gülle bodennah ausgebracht und unverzüglich in den Boden eingearbeitet wird“, sagt Volkmar Nies von der Landwirtschaftskammer Rheinland in Bonn, „ist die Geruchsbelästigung von der nordrhein-westfälischen Düngeverordnung abgedeckt“.

So ähnlich sieht es mit der Ernte am sonnigen Sonntag aus. Während sich Hauseigentümer und Mieter auf etwa das Grillen im Freien freuen, donnern die Maschinen auf sie zu. Jurist Nies sieht den Lärm gerechtfertigt. Durch den Paragraphen 4 des Feiertagsgesetzes. Darin sind „unaufschiebbare Arbeiten“ erlaubt, die erforderlich sind „zur Befriedigung dringender …landwirtschaftlicher Bedürfnisse“. Denn schon am nächsten Tag könnte heftiger Regen oder ein Gewittersturm eine ganze Ernte vernichten.

Für schikanös mögen Stadtrand- Menschen es halten, wenn ihr Landwirt-Nachbar ausgerechnet in der frühen lauen Sommernacht laaangsam mit dem Traktor Runde um Runde fährt, um seine Pflanzen vor Krankheiten zu schützen. Doch Pestizide, das weiß Inge Bantz vom Umweltamt in Düsseldorf, dürfen „bei Bedarf aufgebracht werden“.

Zwar schützt das Landes-Immissionsschutzgesetz NRW zwischen 22 und 6 Uhr vor Betätigungen, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind“. Indes: Vom Verbot sind „Ernte- und Bestellungsarbeiten“ zwischen 5 und 6 Uhr und zwischen 22 und 23 Uhr ausgenommen. Bestellungsarbeiten kennt nicht einmal das international gespickte Internet-Lexikon „Wikipedia“. Gemeint ist, ganz schlicht, das Beackern des Feldes. (pbd)

Das kann nicht sein

Da blökt mich die Mitarbeiterin einer Staatsanwaltschaft an. Wir hätten ein Schreiben geschickt, das passe gar nicht in die Akte. Das genannte Aktenzeichen beziehe sich auf einen ganz anderen Beschuldigten. Sie müsse fast schon den halben Tag suchen, weil „irgendwelche Anwälte“ die Aktenzeichen nicht auf die Reihe bekommen.

Ich gucke in die Akte und stelle fest: Das von uns angegebene Aktenzeichen steht auf dem einzigen Schreiben, das unsere Mandantin von der Staatsanwaltschaft erhalten hat. Und zwar genau in der Sache, um die es, so viel ist jedenfalls klar, eigentlich geht. Genau das erkläre ich der Dame.

„Das kann nicht sein.“

Mit einer anderen Reaktion habe ich nicht gerechnet.

Gerührt ins Wochenende

„Ihr Mandant mag sich insoweit keine Sorgen machen. Ich bin hier nicht beauftragt, Probleme entstehen zu lassen, wo keine bestehen.“

Und das aus der Feder einer Fachanwältin für Familienrecht. Es gibt noch Hoffnung für die Welt.

Regeländerung

Im Sportstudio haben sie die Trainingsordnung geändert. Bisher galt:

Das Trainieren in ärmellosen Shirts ist nicht gestattet.

Ab sofort lautet die Regelung:

Das Trainieren in ärmellosen Shirts ist Männern nicht gestattet.

Weit weg

Vor zwei, drei Stunden ist ein Mandant von mir festgenommen worden. Er soll am Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt werden. Leider spielt alles weit weg, so dass ich nicht hinfahren kann. Aber immerhin habe ich schon erfahren, dass der Richter heute seinen letzten Tag hat. Er geht in Pension.

Da sollte was zu machen sein. Sagt mir mein Gefühl.