Ein Jahr später

Ein guter Tag, bisher. Jetzt nimmt auch noch ein Staatsanwalt seinen Antrag auf einen Strafbefehl zurück. Unter anderem hatte er meinen Mandanten wegen versuchten Prozessbetrugs beschuldigt. Das Gericht hatte auch einen Strafbefehl erlassen. Der Sohn meines Auftraggebers war verklagt worden. Mein Mandant reichte im Namen seines Sohnes einen Befangenheitsantrag gegen den Richter ein und bestritt den Sachverhalt. Dabei war nicht erkennbar, dass er und nicht sein Sohn den Schriftsatz verfasst hatte.

Worin der Prozessbetrug liegen sollte, war für mich nicht mal ansatzweise zu erkennen. Ich zitiere aus meiner Verteidigungsschrift:

Der Vorwurf des Betrugs ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unbegründet.

1. Da mein Mandant ordnungsgemäß von seinem Sohn bevollmächtigt war, durfte er Prozesserklärungen abgeben. Vertretung durch Dritte ist im Zivilverfahren möglich, so lange es sich nicht um einen Anwaltsprozess handelt. Auch eine verdeckte Stellvertretung ist im Zivilverfahren zulässig, das ist einhellige Auffassung.

Da sämtliche Prozesserklärungen von der Vollmacht gedeckt waren, handelte mein Mandant rechtmäßig.

2. Eine Täuschung liegt aus den Gründen zu 1) deshalb nicht vor. Selbst wenn man eine Täuschung annehmen wollte, fehlte es an der notwendigen Kausalität zwischen Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung, überdies an der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils.

a) Der Umstand, dass ein Nichtbevollmächtigter einen Prozess führt und dies Gericht und die Gegenpartei nicht wissen, führt zwar zu einem Irrtum. Dieser Irrtum wäre aber nicht kausal für die Vermögensverfügung.

Die Vermögensverfügung erfolgte lediglich auf Grund des zusprechenden Urteils zu Gunsten des Klägers, weil die betreffende Partei in der Sache Recht hat. Hierüber hat das Gericht nach eigenständiger materieller Prüfung der vorgebrachten Tatsachen zu entscheiden. Wer diese Tatsachen vorgetragen hat, spielt letztlich keine Rolle. Insoweit hatte mein Mandant keine andere Funktion als ein Rechtsbeistand, zum Beispiel ein Anwalt.

Eine relevante Täuschung könnte nur dann vorliegen, wenn mein Mandant für seinen Sohn vorsätzlich falsch vorgetragen hätte. Dies wird aber im Strafbefehl nicht einmal behauptet und es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte aus der Ermittlungsakte. Alleine das „Bestreiten“ ist kein falscher Sachvortrag. Vielmehr steht es jedem Beklagten frei, den klägerischen Vortrag zu bestreiten; auch dies ist einhellige Auffassung.

Wollte man einen falschen Vortrag annehmen, würde sich letztlich die Frage nach der Tätereigenschaft stellen, da mein Mandant gar nicht Prozesspartei war.

b) Verfahrenserklärungen wie ein Befangenheitsantrag sind überhaupt keine tauglichen Täuschungshandlungen. Ein erfolgreicher Befangenheitsantrag hätte lediglich zur Auswechslung des Richters geführt. Der inhaltliche Ausgang des Prozesses bleibe hiervon jedoch völlig unbeeinflusst.

Die Verteidigungsschrift ist vom 14. Dezember 2006. Es hat also nur ein gutes Jahr gedauert, bis man sich meiner Rechtsauffassung nicht mehr verschließen wollte. Oder konnte.