Keine vorzeitige Haftentlassung für Chefarzt

Ein ehemaliger Chefarzt, der Operationswunden und Geschwüre seiner Patienten mit Zitronensaft behandelt hatte, kann derzeit nicht auf eine vorzeitige Haftentlassung hoffen. Das Oberlandesgericht Köln lehnte es jetzt ab, den auf Bewährung zu entlassen, nachdem er die Hälfte seiner Freiheitsstrafe abgesessen hat.

Der Arzt hatte, so das rechtskräftige Urteil, nicht indizierte medizinische Eingriffe vorgenommen, zum Teil die erforderliche Aufklärung über die Eingriffe unterlassen und Patienten mit nicht anerkannten Methoden behandelt. Unter anderem hatte er
Operationswunden und Geschwüre mit frisch gepresstem Zitronensaft behandelt. Er wurde in mehreren Fällen der Körperverletzung mit Todesfolge, der fahrlässigen Tötung und wegen einfacher Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt.

Weil das Verfahren sehr lange dauerte, galten elf Monate direkt als verbüßt. Im Dezember 2011 hatte der Mann dann rechnerisch die Hälfte seiner Strafe hinter sich und beantragte, nun auf Bewährung rauszukommen. Das ist juristisch möglich, kam aber nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln in diesem Fall nicht in Frage.

Die Richter wollen dem Arzt nicht zu Gute halten, er habe ja nur in heilender Absicht und nicht aus wirtschaftlichen Gründen gehandelt. Sie attestieren ihm vielmehr, in einer Mischung aus Selbstüberschätzung, Überforderung und Blindheit gegenüber den Belangen seiner Patienten vorgegangen zu sein.

Der Mediziner habe seine ärztlichen Berufspflichten in vielfacher Weise grob verletzt und den Tod von vier Patienten verursacht, die sich ihm als Arzt in herausgehobener Position anvertraut hatten. Sein Verhalten sei geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Arztberufes ernstlich zu beschädigen.

Außerdem kreiden die Richter dem Mann an, seine Haftpflichtversicherung habe erst in einem Fall Entschädigung geleistet. Er selbst habe überhaupt keine Bemühungen nachgewiesen, die Opfer zu entschädigen.

Insgesamt, so das Oberlandesgericht, sei eine Entlassung aus der Haft bereits nach der Hälfte der Zeit für die Allgemeinheit unverständlich. Der Betroffene kann es jetzt noch mal probieren, wenn er zwei Drittel seiner Haft abgesessen hat. Dann sind die Voraussetzungen auch nicht mehr ganz so streng.

Eine Entlassung nach der Hälfte der Freiheitsstrafe ist heute ohnehin selten. Die meisten Gerichte raffen sich dazu nur auf, wenn der Verurteilte auch im Knast ein absoluter Musterknabe ist, extrem viel Einsichtsfähigkeit zeigt und wirklich hervorragende Aussichten bestehen, dass er im Leben wieder Fuß fasst. Realistisch ist für die absolute Mehrzahl von Gefangenen nur eine Entlassung nach zwei Dritteln.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 27. März 2012, Aktenzeichen 2 Ws 223/12