Saloppe bis derbe Redensart

Wann ist ein Richter befangen? Wir sind in dieser Frage um eine Erkenntnis reicher: Die Äußerung, der Beklagte ziehe den Schwanz ein, macht einen Vorsitzenden am Landgericht noch nicht untragbar. So hat es das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden.

In einem Prozess wollte der Richter die Streithähne persönlich sprechen, um die Sache nach Möglichkeit gütlich beizulegen. Der Beklagte sagte jedoch vor dem Termin ab, weil er unaufschiebbare Termine in Indien habe. Das verärgerte den Richter. Er sagte zum Anwalt des Beklagten, dieser wäre besser erschienen statt den Schwanz einzuziehen.

Das wollte der Beklagte nicht auf sich sitzen lassen. Er lehnte den Richter als befangen ab. Sein Anwalt führte auch einige Präzedenzfälle an, die ziemlich ähnlich klingen:

Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben Sie auf allem sitzen.

Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten.

Jetzt reicht es mir! Halten Sie endlich den Mund! Jetzt rede ich!

Bei diesen Äußerungen waren die Richter jeweils als befangen angesehen worden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart sieht aber denn noch einen Unterschied. Es bescheinigt dem Richter zwar eine “saloppe bis derbe Redensart”. Allerdings müsse halt immer geguckt werden, in welchem Zusammenhang sich ein Richter vom fraglos dezenteren Juristendeutsch entfernt.

Der Spruch sei jedenfalls nicht aus dem Nichts gekommen. Der Richter sei vielmehr zu Recht verärgert gewesen, dass sich der Beklagte nicht sehen ließ. Immerhin habe der Termin drei Monate Vorlaufzeit gehabt.

Die Äußerung kritisiere zwar das Verhalten des Beklagten. Allerdings lasse sich hieraus noch nicht schließen, dass der Richter insgesamt voreingenommen gegenüber der vielbeschäftigten Prozesspartei ist. Auch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, der Richter könne seine Verärgerung so verarbeiten, dass er womöglich unsachlich zu Lasten des Beklagten entscheidet.

Es hat also nicht ganz gereicht. Aber immerhin ist die Liste Checkliste “Befangen – ja oder nein” um einen Punkt reicher.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2012, Aktenzeichen 14 W 2/12