Kleine Osterpause

Das law blog verabschiedet sich in eine kleine Osterpause. Ab dem 5. April geht es hier weiter. Bis dahin kann ich zumindest anderweitig für etwas Spannung, Unterhaltung und – womöglich – auch Vorfreude sorgen. Es gibt nämlich mal wieder was zu gewinnen.

Diesmal sind es vier Exemplare des neuen Kreuzberg-Krimis von Susanne Rüster. Das Buch heißt “Der letzte Tanz” und ist im Verlag Josefine Rosalski erschienen.

130327 der letzte tanz

Hierbei geht es im Buch:

Berlin Kreuzberg – Szeneviertel, Bars, Hinterhöfe, Künstler, Aussteiger, Fremde, und nun auch: Immobilien-spekulanten. In der Nacht des 1. Mai zerstört eine gewaltige Gasexplosion eine am Kreuzberger Spreeufer gelegene ehemalige Fabrik. – Die Tänzerin Samantha Dark, die mit ihrem Tanztheater Tanzart das Fabrikgebäude besetzt hatte, wird auf der Bühne von herabfallenden Trümmern getötet.

Staatsanwältin Natalia Kaiser und Kriminalkommissar Michael Pfeil ermitteln im Umfeld des Immobilienunternehmers Johan Belmonte, dem Eigentümer der Fabrik, und einer kämpferischen Kiezaktivistin. Ihre Recherchen führen sie in das von Eitelkeiten und alten Feindschaften durchdrungene Theatermilieu mit ehrgeizigen, nicht immer liebreizenden Tänzerinnen – da geschieht ein weiteres Verbrechen.

Die Autorin Susanne Rüster weiß, wovon sie erzählt. Sie hat lange als Staatsanwältin für Wirtschaftskriminalität gearbeitet und kennt bestens die Schauplätze ihres Krimis. “Der letzte Tanz” ist Susanne Rüsters erster Roman. Vorher hat sie schon viel fürs Radio gearbeitet; sie veröffentlichte Reisereportagen, Kriminalgeschichten und Glossen. Derzeit ist Susanne Rüster Richterin am Sozialgericht.

Hier geht’s zu einem Interview mit Susanne Rüster.

Ich darf vier Exemplare des Buches verlosen. Wer dabei sein möchte, schreibt einfach einen Kommentar zu diesem Beitrag und hinterlässt bitte eine gültige E-Mail-Adresse. Die Gewinner werden ab dem 6. April 2013 über die angegebene E-Mail-Adresse benachrichtigt. Sie bekommen das Buch dann an ihre Wunschadresse zugeschickt.

Der Krimi ist für 15 Euro im örtlichen Buchladen oder bei Amazon erhältlich. Die Kindle-Edition kostet 9,99 Euro.

Aufruf zum Schottern ist strafbar

Der Aufruf zum Schottern ist strafbar. Jedenfalls nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle. Die Richter bestätigten nun ein Urteil des Amtsgerichts Lüneburg gegen einen Mann, der sich namentlich auf der Unterstützerliste für die “Schotter-Aktion” gegen einen Castortransport eingetragen hatte.

Das Gericht sieht in dem Plan, den Castortransport durch Entfernung der Schottersteine auf dem Gleisbett zu verhindern, eine strafbare Störung öffentlicher Betriebe. Der Angeklagte habe über die Unterstützerliste deshalb öffentlich zu Straftaten aufgefordert, was wiederum selbst eine Straftat ist.   

Der Aufruf war nach Meinung des Oberlandesgerichts nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ebenso sei die Schwelle zwischen bloßer Billigung und konkreter Aufruf zu Straftaten überschritten gewesen. Die Veröffentlichung von Aktionsplänen im Rahmen des Aufrufs könne nicht mehr als Versuch der Sensibilisierung anders Denkender innerhalb eines politischen Streites gesehen werden. Vielmehr enthalte der Aufruf die Handlungsanweisung, an einem bestimmten Tattag und Tatort eine näher bezeichnete strafbare Handlung umzusetzen.

Die tatsächliche Verwirklichung der „Aktion-Schottern” sei vom Aufruf bezweckt und durch die Unterschrift des Angeklagten ausdrücklich erwünscht und angestrebt gewesen. Dass die Unterzeichner des Aufrufs jede Gefahr für Leib und Leben von Unbeteiligten und Polizisten ausschließen wollten und sich für ein überragend wichtiges politisches Anliegen einsetzten, spiegelt sich nach Darstellung des Gerichts in der sehr milden Strafe. Der Mann war zu einer Geldstrafe von einem halben Monatsgehalt (30 Tagessätze) verurteilt worden.   

Abgesehen von der Klärung der Frage, ob der Aufruf zum Schottern strafbar ist, ist das Urteil auch ein Grund, gegenüber der Polizei nicht allzu auskunftsfreudig zu sein. Der Betroffene konnte natürlich nur ermittelt und verurteilt werden, weil er sich zu seiner Unterschrift unter den Aufruf bekannte. Ansonsten gibt es ja regelmäßig erst mal keinen Beleg dafür, ob jemand sich selbst auf eine frei zugängliche Internetseite eingetragen hat.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 14. März 2013, Aktenzeichen 31 Ss 125/12

Plaudern über den Ex-Mandanten

Zu den eher unangenehmen Juristen zählen zweifellos jene, die ihre Klappe nicht halten können. Sei es, dass sie ohne Notwendigkeit aus dem Mandatsverhältnis plaudern und dabei Dinge erzählen, die ihrem Auftraggeber eindeutig schaden. Noch schlimmer ist aber eine Sorte Juristen, die einfach mal so über einen Ex-Mandanten herzieht, ohne überhaupt noch beauftragt zu sein.

So ein Exemplar tritt nun am Rande des Prozesses gegen Mario B. auf. Mario B. ist vor dem Landgericht Rostock angeklagt, eine damals 17-Jährige verschleppt, vergewaltigt und gefoltert zu haben. Vor Gericht vertritt ihn aktuell ein anderer Anwalt, aber sein Ex-Verteidiger meldet sich mit Statements zu Wort, die kaum mit Mario B. abgesprochen sein dürften und sicherlich auch nicht von ihm gebilligt werden. 

So berichtet der Jurist gegenüber der Printpresse, aber auch in Fernsehinterviews, wie das war, als er Mario B. in einem früheren Fall verteidigte. Dabei gibt er allerhand Details zum Besten, unter anderem aus einer nichtöffentlichen Verhandlung vor dem Schöffengericht. Das Ganze gipfelt dann in einer Zusammenfassung, mit der er Mario B. charakterisiert. Etwa gegenüber der Ostsee-Zeitung. Dem Blatt sagte er, er habe

eine solche Abgebrühtheit und Menschenverachtung noch nie und nie wieder erlebt.

So was geht natürlich nicht, unabhängig wie viel Wahres in den Äußerungen steckt. Der eigene Verteidiger ist eine Person, die sich mit solchen Werturteilen zurückzuhalten hat. Das hat ganz einfache Gründe: die Schweigepflicht. Ein Anwalt darf eben nur Dinge aus dem Mandatsverhältnis ausplaudern, wenn er hierfür einen berechtigten Grund hat. Sich auf Kosten eines Ex-Mandaten in den Medien zu profilieren, gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Na ja, immerhin tritt der Mann nicht mehr als Anwalt auf. Seiner Zulassung ist er schon vor geraumer Zeit verlustig gegangen. Den Falschen hat es in diesem Fall wohl nicht getroffen.

RA Christoph Nebgen zum gleichen Thema

Streit ums Vier-Augen-Prinzip

Nicht nur vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Gleiches gilt auch für Lasermessungen der Polizei. Gerichte haben in jüngster Zeit die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Messung runterdefiniert. Ein Beamter reicht aus, und der muss dem Angehaltenen noch nicht mal das Messergebnis auf dem Display zeigen.

Als unrühmliche Vorreiter profilieren sich die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf. Sie betonen unisono, bei Lasermessungen im Straßenverkehr sei das Vier-Augen-Prinzip nicht erforderlich. Jeder Betroffene muss also fest daran glauben, dass der Messbeamte ordentlich arbeitet und ihm auch keine Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob am Ende sogar ein Fahrverbot steht – nur die Aussage des einzelnen Beamten zählt.

Allerdings gibt es auch Gerichte, die sich nicht so ganz mit dieser etwas bizarren Wirklichkeit abfinden wollen. Dazu gehört das Amtsgericht Sigmaringen. Der zuständige Richter musste sich von den erwähnten Oberlandesgerichten sogar der “freien Rechtsschöpfung” bezichtigen lassen. Dabei hat er nur die Richtlinien herangezogen, welche für die Polizei in seinem Bundesland gelten.

In einem aktuellen Beschluss zitiert das Gericht die Vorgaben in Baden-Württemberg:

Die Geschwindigkeitsmessungen sind grundsätzlich als Anhaltekontrollen mit mindestens zwei uniformierten Beamten/Beamtinnen (einem Messbeamten/Messbeamtin und einem zweiten Beamten/Beamtin) und als Einzelmessungen durchzuführen.

Das Messergebnis muss immer von diesen beiden Beamten/Beamtinnen abgelesen werden (Vier-Augen-Prinzip). Der zweite Beamte/Beamtin muss nicht zwingend die Laser-Schulung absolviert haben. Dies wird jedoch empfohlen.

Das aus dem Display angezeigte Geschwindigkeitsmessergebnis kann dem Betroffenen auf dessen Wunsch gezeigt werden, soweit der Messbetrieb dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Ganz so fernliegend ist die Idee vom Vier-Augen-Prinzip deshalb nicht. Auch der Kollege Detlef Burhoff wundert sich in seinem Blog, dass soch ansonsten immer so viel Wert auf die Einhaltung von Vorschriften gelegt wird.

Früherer Eintrag im law blog

Wer betrachtet wen?

Verdeckte Videoüberwachung ist eine heikle Angelegenheit. Gerade im öffentlichen Raum. So wird derzeit diskutiert, ob Verkehrsbetriebe in ihre Haltestellenwände kaum erkennbare Minikameras einbauen dürfen, um den Bahnsteig zu überwachen. Aus den USA kommt jetzt die Meldung, dass dort Schaufensterpuppen womöglich lebendiger sind, als man vermuten könnte. Auch bei namhaften Labels sollen Kameras in den Augen der Puppen installiert sein, um das Verhalten potenzieller Kunden zu analysieren.

Im Vordergrund steht bei solchen Kameras weniger die Sicherheit. Dafür soll festgestellt werden, wer wann die Auslagen bewundert, achtlos daran vorbeigeht und wie Kunden sonst auf das Angebot reagieren. In Deutschland, so viel ist klar, stoßen die technischen Möglichkeiten auf rechtliche Probleme. Hierbei geht es gar nicht um die Frage, ob und wie die Aufnahmen ausgewertet werden. Oder ob sie gar mit Kundeprofilen zusammengeführt werden, was zum Beispiel mit RFID-Chips in der Ware oder die Verknüpfung mit Kundenkarten ja zumindest denkbar ist.

Nein, die Überwachung des öffentlichen Raums durch Private ist bei uns grundsätzlich verboten. Videokameras, die zum Beispiel Ladeneingänge überwachen, dürfen nicht gleichzeitig das Geschehen auf dem Fußweg aufzeichnen. Oder per Weitwinkel gar etliche Meter links und rechts des Gebäudes. Bei Kameras, die auf Kunden gerichtet sind, die vor einer Auslage stehen, gilt natürlich nichts anderes.

Aber es gibt da auch noch andere Vorschriften. Hierauf weist der Kölner Anwalt Arno Lampmann hin. Im Telekommunikationsgesetz gibt es nämlich eine – wenig beachtete – Vorschrift, die getarnte Kameras sogar unter Strafe stellt. Danach ist es verboten,

Sendeanlagen oder sonstige Telekommunikationsanlagen zu besitzen …, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.

Man wird sicher noch darüber diskutieren können, ob solche Kameras tatsächlich “Telekommunikationsanlagen” im Sinne des Gesetzes sind. Aber die Stoßrichtung der Vorschrift ist klar. Ladenmanager, die sich in Deutschland auf so eine Überwachung tatsächlich einlassen, könnten deshalb sogar Gefängnis riskieren. Das ist etwas mehr als die Bußgelddrohungen, mit denen die meisten Datenschutzverstöße bedacht sind. Immerhin würde die Stafdrohung bis zu zwei Jahren Gefängnis reichen. 

Beitrag von Arno Lampmann

Selbstverständliche Pflicht

Wer sich als Kunde nicht beschwert, zahlt einen Aufschlag. Diese eigentümliche Regelung hatte ein Kreuzfahrtveranstalter in seiner Preisliste. Damit fiel das Unternehmen nun auf die Nase. Das Kammergericht Berlin untersagte der Firma, ihren Kunden Zuschläge für einwandfreie Dienstleistungen zu berechnen.

Geworben hatte der Anbieter mit einem Preis von 555 Euro für die siebentägige Reise. Im Kleingedruckten fand sich folgender Hinweis:

Preise zzgl. Service Entgelt. Am Ende der Kreuzfahrt fällt zusätzlich ein Entgelt in Höhe von € 7,- pro Erw. und beanstandungsfrei an Bord verbrachter Nacht an. Ausführliche Informationen zum Service Entgelt finden Sie im aktuellen Kreuzfahrtenkatalog.

Der Veranstalter war der Meinung, die sieben Euro seien nur eine Art Trinkgeld und somit eine freiwillige Leistung. Außerdem stehe vorher gar nicht fest, wie viele “beanstandungsfreie Nächte” der Gast auf dem Schiff verbringe. Das hänge im übrigen von ihm selbst ab, da er sich ja beschweren könne. Das Kammergericht Berlin wollte diese Verdrehung der Tatsachen nicht mitmachen.  Die Richter merken nüchtern an:

Einen beanstandungsfreien Service zu liefern, ist die selbstverständliche Pflicht des Reiseveranstalters.

Dementsprechend sahen sie einen Verstoß gegen die Pflicht, Preise klar auszuzeichnen. Der Anbieter wurde dementsprechend zur Unterlassung verurteilt.

Kammergericht Berlin, Urteil vom 12. Februar 2013, Aktenzeichen 5 W 11/13

Ein teurer Sahnefleck

Es genügt, wenn die Verkaufsflächen in einem Supermarkt alle 15 Minuten kontrolliert werden. Rutscht in der Zwischenzeit ein Kunde aus und verletzt sich, kann er vom Markt keinen Schadensersatz verlangen. Denn der Betreiber hat seinen Kontrollpflichten genügt. So urteilte jetzt das Landgericht Coburg und wies die Klage einer Frau ab. Diese hatte nach einem Sturz vor dem Kühlregal 15.000 Euro Schmerzensgeld verlangt.

Zwar ging das Gericht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass die Kundin auf einem Sahnefleck ausgerutscht ist. Eine andere Kundin hatte nämlich bestätigt, dass sie kurz vor dem Zwischenfall Sahnespritzer im Bereich des Kühlregals gesehen hatte. Allerdings meinte das Gericht, der Supermarkt habe nicht gegen seine Kontrollpflichten verstoßen. Es genüge nämlich, wenn die Laufflächen alle 15 Minuten auf Verunreinigungen überprüft werden und das Personal die verschüttete Ware sofort entfernt.

Eine Angestellte hatte in dem Prozess bestätigt, sie habe weniger als 15 Minuten vor dem Unfall das Kühlregal nachgefüllt. Dabei habe sie, wie immer, auch nach verschütteter Ware geschaut. Das Landgericht wies die Klage deshalb ab.

Landegericht Coburg, Urteil vom 24.10.2012, Aktenzeichen 21 O 281/12

Urteile graben Massenabmahnern das Wasser ab

Dieses Urteil dürfte den Hauptmietern von Wohngemeinschaften eine große Sorge nehmen. Sie haften nämlich als Inhaber von Internetanschlüssen nicht für Urheberrechtsverletzungen, die ihre Mitbewohner begangen haben. Das hat das Landgericht Köln in einem aktuellen Urteil entschieden.

Die Musikindustrie hatte gegen den Betreiber eines Internetanschlusses geklagt, der seine Wohnung mit anderen teilte bzw. sogar teilweise gar nicht selbst in der Wohnung lebte. Jedenfalls bestand zwischen den Bewohnern keine “häusliche Gemeinschaft”. Dennoch waren die Rechteverwerter der Meinung, der Inhaber hafte dafür, dass sein Mitbewohner Musik und Filme herungeladen habe.

Das sahen die Richter in Köln ganz anders. Sie betonen, dass der Hauptmieter praktisch überhaupt keine Möglichkeit hat, die Internetnutzung seines Untermieters zu kontrollieren. Immerhin würde es nachhaltig die Privatsphäre des Mitbewohners verletzen, wenn er sich von seinem Vermieter kontrollieren lassen müsse. Ebenso wenig sieht das Landgericht Köln aber auch eine Verpflichtung des Anschlussinhabers, Mitbewohner von der Nutzung des Anschlusses auszusperren. Dem Hauptmieter mochten die Richter auch kein “überlegenes Wissen” zu den Gefahren des Internets zubilligen, das eventuell Aufklärungspflichten begründet hätte.

Damit festigt sich die Rechtsprechung, wonach die “Störerhaftung” eines Anschlussinhabers längst nicht so weit geht, wie es die Musik- und Filmindustrie gerne hätte. Ähnliche Entscheidungen gibt es auch schon für erwachsene Kinder und Lebensgemeinschaften. Das Urteil (Aktenzeichen 14 O 320/12) ist noch nicht rechtskräftig.

Gestern hatten die Anwälte von Vodafone bekanntgegeben, dass der Internetanbieter keine dynamischen IP-Adressen seiner Kunden speichern muss. Dies hat nach ihren Angaben das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden. Hintergrund des Streeits ist, dass Vodafone insbesondere bei seinen UMTS-Kunden keine IP-Adressen speichert. Das macht technisch auch wenig Sinn, weil sich im Mobilfunknetz alle Nutzer, die in eine Funkzelle eingebucht sind, die IP-Adresse teilen.

Die Rechteindustrie wollte Vodafone verpflichten, die IP-Adressen wenigstens “auf Zuruf” zu speichern. Dafür sah das Oberlandesgericht Düsseldorf aber keine Verpflichtung. Nach geltender Rechtslage müsse ein Access Provider gar keine IP-Adressen der Kunden speichern. Für ein Quick Freeze durch die Rechteinhaber gebe es keine juristische Grundlage. Internetanbieter müssten lediglich die Daten herausgeben, die ihnen im Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung zur Verfügung stehen. Sie seien nicht verpflichtet, Daten erst zu produzieren.

Das Urteil ist auch deshalb interessant, weil es einen anderen Weg aufzeigt, um der Landplage Massenabmahnung Herr zu werden. Wenn Internetanbieter einfach nicht mehr die genutzten IP-Adressen ihrer Kunden für einen bestimmten Zeitraum speichern, hätten sie auch keine Daten, die sie an die Musik- und Filmindustrie herausgeben können. Gerade bei Flatrates stellt sich ja seit jeher die Frage, wozu die Provider eigentlich festhalten müssen, welcher Kunde wie lange online war.

Richter haben ein Herz für Tiere

Der Bundesgerichtshof zeigt ein Herz für Tiere. Vermieter dürfen es ihren Mietern nicht generell untersagen, in der Wohnung Hunde oder Katzen zu halten. Eine entsprechende Klausel in allgemeinen Vertragsbedingungen ist stets unwirksam, befindet der Bundesgerichtshof in einer heute bekanntgegebenen Entscheidung.

Die neuen Mieter einer Genossenschaftswohnung in Gelsenkirchen hatten ihren Mischlingshund mit in die Wohnung gebracht. Hierbei missachteten sie ein grundsätzliches Hundehaltungsverbot, das die Vermieterin in alle ihre Verträge reinschrieb. Die Genossenschaft versuchte daraufhin, den Hund aus der Wohnung zu klagen.

Laut dem Urteil werden Mieter unangemessen benachteiligt, wenn sie generell keine größeren Haustiere wie Hunde oder Katzen halten dürfen. Eine solche Klausel widersprache dem Grundgedanken des Mietrechts, wonach der Vermieter für die “Gebrauchsgewährung” an der Wohnung Geld erhält – und der Mieter im Gegenzug alles machen darf, was noch als vertragsgemäße Nutzung durchgeht.

Auch Hund und Katz könnten durchaus zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, heißt es in dem Urteil. Von daher komme es immer auf den Einzelfall an, ob die Tierhaltung noch angemessen ist.

Mit einem Federstrich hat der Bundesgerichtshof damit alle entsprechenden starren Klauseln in Mietverträgen für unwirksam erklärt. Auch bei bestehenden Mietverträgen muss der Vermieter künftig im Einzelfall beweisen, dass das Tier tatschlich unzumutbar ist. Das erfordert in jedem Fall eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Somit müssen künftig Richter das letzte Wort über ein Hunde- oder Katzenverbot sprechen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2013, Aktenzeichen VIII ZR 168/12

Keine Telefonsperre bei Kleinbeträgen

Wenn es um (angebliche) Zahlungsrückstände ihrer Kunden geht, greifen Telefonanbieter nach wie vor gern rigoros durch. Da wird halt einfach der Anschluss gesperrt, auch wenn es sich um geringfügige Beträge handelt. Dagegen können Betroffene durchaus was machen, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Baden-Baden zeigt.

Per einstweiliger Anordnung wurde ein Anbieter verpflichtet, den Anschluss seiner Kundin sofort wieder freizuschalten. Es ging um stolze 33,34 Euro. Mit diesem Betrag soll eine Kundin im Rückstand gewesen sein. Dabei beachtete die Telefonfirma aber nicht, dass eine Anschlusssperre bei Bagatellbeträgen unzulässig ist. Die offene Summe muss sich auf mindestens 75 Euro belaufen.

Die Kundin hatte dargelegt, sie sei dringend auf den Festnetzanschluss angewiesen, weil die Netzabdeckung für Handytelefonate an ihrem Wohnort schlecht sei. Damit war auch ein “Verfügungsgrund” gegeben, um den Anbieter zu einer sofortigen Reaktion zu verpflichten. Entsprechend ließe sich sicher auch argumentieren, wenn man unterwegs aufs Handy angewiesen ist.

Überdies kreidet das Landgericht Baden-Baden der Telefonfirma an, dass sie die Kundin nicht ausreichend aufgeklärt hat. Selbst eine zulässige Sperre müsse in jedem Fall mindestens zwei Wochen vorher angekündigt werden. Außerdem sei der Kunde darüber zu informieren, dass er sich ans Gericht wenden kann.

Gerade bei streitigen Kleinbeträgen muss man sich also nicht von einem Telefonanbieter die Pistole auf die Brust setzen lassen.

Landgericht Baden-Baden, Beschluss vom 3. Dezember 2012, Aktenzeichen 2 T 65/12

Entschlüsselung ist keine Entschlüsselung

Die Bundesregierung möchte sehr gern ihren De-Mail-Dienst als Standard durchdrücken. An der angeblichen Sicherheit des Systems gibt es schon länger Zweifel. Im Vordergrund steht, dass die De-Mail-Anbieter jede Mail bei der Durchleitung auf ihren Systemen entschlüsseln wollen. Angeblich, um nach Schadsoftware zu suchen. Nun soll diese offenkundige Sicherheitslücke nicht beseitigt, sondern durch einen gesetzgeberischen Trick geschönt werden.

Die zwischenzeitliche Entschlüsselung auf den De-Mail-Servern soll erforderlich sein, damit keine infizierten De-Mails zugestellt werden. So die offizielle Begründung. Dabei könnte es ja auch ausreichen, wenn die De-Mail-Kunden auf ihren eigenen Rechnern entsprechende Software einsetzen, um erhaltene Mails selbst zu prüfen. Was ja schon heute nichts Besonderes ist. Antivirensoftware gibt es genug. Bei deren Einsatz wäre es jedenfalls nicht nötig, dass auf den De-Mail-Rechnern jede (!) Mail entschlüsselt, geprüft und wieder verschlüsselt wird.

Faktisch bedeutet das für jeden De-Mail-Kunden, dass er bei jeder seiner De-Mails auf die Integrität des Systems und seiner Betreiber vertrauen muss. Dritten mit Zugang zum De-Mail-System ist es nach den bisherigen Planungen jedenfalls möglich, Mails nach der kurzzeitigen Entschlüsselung zu lesen und sogar zu ändern. Letzteres wiegt bei De-Mail besonders schwer, weil die Korrespondenz ja als sicher und rechtsverbindlich gelten soll. Der Absender muss sich juristisch später das zurechnen lassen, was als Inhalt auf dem Server des Empfängers ankommt.

Statt den Bedenken Rechnung zu tragen, will die Bundesregierung laut Spiegel online De-Mail einfach per Gesetz für sicher erklären. Laut dem Bericht soll folgender Passus ins Gesetz eingefügt und damit die schon für sensible Behördendaten geltende Verschlüsselungspflicht aufgehoben werden:

Die kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung, die beim Versenden einer De-Mail-Nachricht durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht erfolgt, verstößt nicht gegen das Verschlüsselungsgebot des Satzes 3.

Das bedeutet nichts anderes, als dass für das staateigene System schlichtweg eine Ausnahme gemacht wird. Passend dazu werden dann sicher auch andere Vorschriften geändert. Tenor: Wir definieren selbst, was sicher ist. Und was nicht passt, wird passend gemacht.

Das wäre ja alles noch zu ertragen, wenn die Benutzung von De-Mail nur für den Staat verpflichtend wäre. Aber auch die Bürger sollen ja auf diesem “sicheren” Weg kommunizieren. Ob allerdings ausreichend Vertrauen durch hanebüchene Definitionen geschaffen wird, bezweifle ich.

Der Deal bleibt

Der gesetzlich verankerte “Deal” im Strafprozess ist grundsätzlich zulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Allerdings sehen die Verfassungsrichter ein erhebliches “Vollzugsdefizit”. Richter und Staatsanwälte müssen künftig stärker die geltenden Regeln beachten – sonst droht laut dem Gericht ein verfassungswidriger Zustand.

Im Kern geht es um die Frage, wie sehr die Möglichkeit einer Verständigung die Gefahr von Fehlurteilen steigert. In einem der entschiedenen Fälle war einem Polizeibeamten schwerer Raub vorgeworfen worden, weil er bei der angeblichen Straftat seine Dienstwaffe bei sich trug. Das Gericht stellte eine Freiheitsstrafe von etwa vier Jahren in Aussicht. Für den Fall eines Geständnisses könne der Betroffene aber mit zwei Jahren auf Bewährung rechnen.

Der Angeklagte gestand die Tat – und wurde lediglich aufgrund seines Geständnisses verurteilt. Was sich wirklich zugetragen hatte, klärte das Gericht wegen des Geständnisses gar nicht mehr. Später widerrief der Polizist sein Geständnis und klagte gegen seine Verurteilung, die auch zu seiner Entlassung aus dem Dienst führte, bis zum Verfassungsgericht.

Dort hatte er neben anderen Betroffenen heute Erfolg. Sein Fall muss neu verhandelt werden, weil sich das Gericht nicht an die Voraussetzungen für einen Deal gehalten hat. Dazu gehört unter anderem, dass niemand alleine aufgrund seines Geständnisses verurteilt werden darf.

Außerdem betonen die Verfassungsrichter die Notwendigkeit transparenter Absprachen. Sämtliche Umstände müssen in der Hauptverhandlung besprochen und protokolliert werden. Die “informelle” Absprache, also ein Deal ohne Einhaltung der Formvorschriften, sei untersagt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Prozessbeteiligte die Regeln für Absprachen oft für zu kompliziert betrachten und den “kurzen Dienstweg” vorziehen.

An solchen informellen Absprachen dürfen sich insbesondere Staatsanwälte nicht mehr beteiligen, betont das Verfassungsgericht. Gegen solche Deals müssten sie sogar Rechtsmittel einlegen. Auch die Revisionsgerichte müssten künftig bei Verstößen gegen die Transparenzregeln davon ausgehen, dass das Urteil wegen der Verfahrensfehler unrichtig ist. Bis dato werden fehlerhafte Absprachen oft in den höheren Instanzen akzeptiert, weil das Urteil nicht auf den Verfahrensfehlern beruhe.

Auch wenn das Verfassungsgericht viele mahnende Worte findet, bleibt am Ende nur ein Ergebnis: Der Deal vor dem Strafgericht wird auch künftig zum Alltag gehören. Selbst wenn sich alle Beteiligten – was zu hoffen ist – künftig etwas mehr Mühe bei einer Verständigung geben, bleiben die beteiligten Menschen das schwächste Glied. Sofern alle bereit sind, Fünfe gerade sein zu lassen oder gar mit Drohungen zu agieren, kann es zu Fehlurteilen kommen, weil Unschuldige in der Hoffnung auf einen Strafrabatt oder Bewährung falsch gestehen.

Auf der anderen Seite hat die Verständigung nicht nur Schattenseiten. Oft gibt sie eben auch die Möglichkeit, einen Angeklagten vor einem harten Urteil zu bewahren. Dummerweise ist hier nicht alles schwarz und weiß. Und einfach schon gar nicht. Deshalb kommt es auch künftig immer auf die konkreten Umstände an, ob und wie ich mich als Verteidiger auf eine Verständigung einlasse.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. März 2013, Aktenzeichen 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10,  2 BvR 2155/11 –

Tempomessung muss nachvollziehbar sein

Der Name „PoliScan Speed“ ist Autofahrern ein Begriff. Das Tempomessgerät der Firma Vitronic hat schon vielen Punkte und Bußgelder beschert – und Fahrverbote natürlich auch. Dabei hält sich der Hersteller ziemlich bedeckt zu der Frage, wie sein Gerät überhaupt funktioniert. Diese fehlende Transparenz sorgt jetzt für eine aufsehenerregende Gerichtsentscheidung.

Das Amtsgericht Aachen hält eine Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed für nicht verwertbar. Damit stemmt sich der Richter auch gegen Oberlandesgerichte, die mit PoliScan Speed bislang wenig Probleme hatten und Bußgelder regelmäßig mit dem Hinweis bestätigten, PoliScan Speed sei ein standardisiertes Messverfahren.

Laut dem Amtsgericht ist es dagegen nicht möglich, die Messergebnisse zu überprüfen. Das liege ganz einfach daran, dass Hersteller Vitronic den Messablauf weitgehend geheim halte – zum Schutz der eigenen Patente und Urheberrechte. Selbst Sachverständige, so der Richter, könnten nicht feststellen, wie Poliscan Speed genau arbeitet, weil sie die Unterlagen nicht einsehen dürfen. Aus dem Urteil:

Es gebe ein erhebliches Informationsdefizit zulasten der Sachverständigen, weshalb das Gerät als eine „Black Box“ beschrieben werden müsse. Aus diesem Grund sei lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des sogenannten „Smear-Effekts“ möglich. Hierbei handele es sich nur um eine „Pseudoauswertung“, die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun habe. Es komme dabei zu Abweichungen von bis zu 15% zu dem auf dem Messfoto angezeigten Wert.

Richtig sei zwar, dass die Phyiskalisch Technische Bundesanstalt (PTB) Poliscan abgenommen habe. Jedoch sei es schon zweifelhaft, ob die PTB tatsächlich jede Geräteentwicklung ausreichend verfolgt, zum Beispiel bei der Software. Unabhängig davon dürfe ein Gericht nicht einfach einem “Prüfsiegel” vertrauen. Vielmehr müsse es stets auch selbst überprüfen können, ob Bußgelder tatsächlich berechtigt sind, schon wegen der durchaus heftigen Folgen von Tempoverstößen:

Es ist zwar leicht einsehbar, dass es für die Herstellerfirmen bequemer ist, den unbefugten Nachbau ihrer Geräte durch Geheimhaltung der technischen Spezifikationen als durch die Führung von Patentprozessen zu verhindern. Andererseits werden aufgrund von Messungen mit „Poliscan Speed“ bundesweit jährlich tausende Fahrverbote verhängt, die gravierende berufliche Folgen für die Betroffenen haben. Aufgrund der heute von den Arbeitnehmern verlangten Mobilität und der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es der Regelfall, dass bereits ein einmonatiges Fahrverbot zum Verlust des Arbeitsplatzes führt. Dieser Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich durch Geheimhaltungsinteressen der Herstellerfirmen nicht rechtfertigen

Freuen kann sich zunächst die betroffene Autofahrerin. Sie soll 48 Stundenkilometer zu schnell gefahren sein. Dafür hätte sie eigentlich ein Bußgeld von 170 Euro, zwei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot geben müssen. Die Frau wurde freigesprochen.

Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10.  Dezember 12.2012, Aktenzeichen 444 OWi-606 Js 31/12-93/12