Das Ende des Abmahnwahns?

In meiner aktuellen Kolumne für die Website der ARAG beschäftige mich mit der Frage, ob die Abmahnflut beim Filesharing ihren Scheitelpunkt längst hinter sich gelassen hat.

Jedenfalls war es nie erfolgversprechender als heute, sich gegen solche Abmahnungen zur Wehr zu setzen. Das liegt an mehreren Faktoren, unter anderem nutzerfreundlicheren Gerichtsurteilen und der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes.

Meine gesamte Bestandsaufnahme zum Theme Filesharing ist hier nachzulesen.

Abschiebehaft darf nicht im Knast vollzogen werden

Abschiebehäftlinge dürfen nicht in normale Gefängnisse eingesperrt werden. Der Europäische Gerichtshof erklärt diese Praxis in einem Urteil vom heutigen Tage für rechtswidrig. Das Urteil richtet sich in erster Linie gegen die Bundesrepublik Deutschland. Verhandelt wurden die Fälle von der Ausweisung bedrohter Ausländer, die in normalen deutschen Gefängnissen einsitzen mussten.

Die Rückführungsrichtlinie der EU untersagt im Normalfall ausdrücklich die Gefängnishaft für Menschen, die aus einem Mitgliedsland abgeschoben werden sollen. Vielmehr müssen die Mitgliedsstaaten Einrichtungen schaffen, die strikt von normalen Gefängnissen getrennt sind und im Zweifel lockerere Haftbedingungen bieten.

Daran hat man sich in Deutschland aber über viele Jahre nicht gehalten. Ihr Verhalten begründeten die betroffenen Bundesländer, etwa Bayern und Hessen, reichlich lapidar. Da es bei ihnen keine Einrichtungen für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen gebe, müssten diese halt gemeinsam mit Strafgefangenen eingesperrt werden.

Die für Abschiebehaft zuständigen Richter am Landgericht München I und am Bundesgerichtshof hatten Zweifel, ob so ein pragmatisches Argument eine EU-Richtlinie faktisch außer Kraft setzen kann. Sie wandten sich an den Europäischen Gerichtshof, der über die Auslegung des EU-Rechts abschließend zu entscheiden hat. Die Antwort fiel jetzt recht deutlich aus. Danach haben Bundesländer die Pflicht, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Das können sie ggf. auch gemeinsam mit anderen Ländern machen. Nichtstun, so das Gericht im Ergebnis, sei keine Alternative.

Klare Worte findet der Europäische Gerichtshof auch zu der Frage, ob ein Ausländer wirksam darin einwilligen kann, dass seine Abschiebhaft in einem Gefängnis vollzogen wird. Das Land Bayern hatte sich darauf berufen, eine Vietnamesin habe doch schriftlich ihrem Gefängnisaufenthalt zugestimmt. Eine derartige Erklärung, so der Europäische Gerichtshof, ist schlicht unbeachtlich (Link zum Urteil).

Anklage gegen Sebastian Edathy

Die Staatsanwaltschaft Hannover wird heute Anklage gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy erheben. Vorgeworfen wird Edathy in der Anklageschrift der Besitz kinderpornografischer Bilder und Videos, berichtet die Deutsche Presseagentur.

Laut dem Bericht sollen Links zu Internetseiten Edathy überführen, welche Ermittler in einer Sicherheitskopie von Edathys Dienst-Laptop gefunden haben wollen. Edathy selbst hatte das Gerät im Februar 2014 als gestohlen gemeldet.

Wenn die Nachricht zutrifft, hätte man bei Edathy selbst also nicht unmittelbar strafbare Inhalte gefunden. Die Beweisführung wird für die Anklagebehörde deshalb mit Unwägbarkeiten behaftet sein. Die wichtigsten:

1. Links als solche sind nicht strafbar, auch wenn sie zu kinderpornografischen Seiten gehen. Wenn sich im System eines Computers also lediglich Links finden, sind diese allenfalls ein Indiz dafür, dass der Beschuldigte die Seiten aufgerufen hat. Das wäre dann im einzelnen zu belegen, auch, dass dies vorsätzlich geschah – und zwar durch Edathy selbst. Außerdem müsste vorab natürlich genau geklärt werden, welche Inhalte zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich hinter dem Link stecken.

Das kann gelingen, muss aber nicht. Nach meiner Erfahrung erheben Staatsanwälte in der Regel nur eine Anklage, wenn sich tatsächlich kinderpornografische Darstellungen im Besitz des Beschuldigten finden. Ob sich tatsächlich auch genau die Dateien finden, die Anlass für die Ermittlungen waren, spielt dabei allerdings keine Rolle.

2. Das Strafgesetzbuch stellt an der untersten Schwelle der Strafbarkeit den Versuch unter Strafe, sich den Besitz kinderpornografischer Schriften zu verschaffen. Das ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Wie allerdings der Begriff des „Besitzes“ zu verstehen ist, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.

Es gibt Urteile, die schon vom Besitz ausgehen, wenn strafbare Inhalte am Computer nur betrachtet werden. Begründet wird der nun mal vom Gesetz geforderte „Besitz“ dann meist mit dem Argument, die Dateien würden beim Betrachten ja immerhin im Arbeitsspeicher des Geräts zwischengespeichert. Das soll dann Unterschied ausmachen, etwa zu dem Fall, dass jemand in der Wohnung eines Dritten dessen kinderpornografische Schriften betrachtet. In diesem Fall läge weder Besitz noch Besitzverschaffungswille vor. Mit der Folge, dass das bloße Betrachten in dieser Konstellation straflos bleibt.

Die sehr weitgehende Interpretation des Besitzbegriffs wird von Juristen kritisiert, mitunter auch von Instanzgerichten. Sie verweisen darauf, dass Besitz als tatsächliche Verfügungsgewalt definiert ist und deshalb auch eine zeitliche Komponente gegeben sein muss. Also der Wille, über die Darstellungen länger als nur für das unmittelbare Betrachten nötig zu verfügen. Das wiederum würde dann voraussetzen, dass der Betrachter die Inhalte willentlich abspeichert.

3. Fraglich wird natürlich auch sein, ob sich Edathy nicht auf ein Verwertungsverbot berufen kann. Er macht ja geltend, seine Immunität als Bundestagsabgeordneter sei nicht beachtet worden. Außerdem stellt sich nach wie vor die Frage, ob die Durchsuchungen bei Edatyh überhaupt hätten stattfinden dürfen, da er Auslöser der Ermittlungen ja der Kauf nicht strafbarer Videos gewesen ist. Man kann also durchaus darüber nachdenken, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorgelegen hat.

Das Landgericht Hannover hat Edathys Beschwerde in diesem Punkt zwar zurückgewiesen. Das bedeutet aber nicht, dass Edathy diese Einwände nicht auch noch im ja noch anstehenden Strafprozess weiter erheben kann. Zunächst wird jetzt aber das für die Anklage zuständige Gericht prüfen müssen, ob es die Anklage überhaupt zulässt.

Mastkamera muss eingefahren bleiben

Das Verwaltungsgericht Hannover stärkt die Versammlungsfreiheit. Nach einer aktuellen Entscheidung müssen es friedliche Demonstranten nicht hinnehmen, wenn die Polizei eine vier Meter hohe Mastkamera ausfährt, um die Veranstaltung filmen zu können.

Ein Teilnehmer der Demo „Farbe bekennen – für Demokratie und Vielfalt“ in Bückeburg im Januar 2012 hatte dagegen geklagt, dass die Polizei ihren Beweis- und Dokumentationstrupp in eine Art Voralarm versetzte. Zu diesem Zweck war die Mastkamera auf etwa zwei Meter ausgefahren, hat das Geschehen laut Polizei aber nicht gefilmt. Die Bereitschaft war nach Meinung der Polizei notwendig, weil es möglicherweise Ausschreitungen geben könnte.

Das Verwaltungsgericht Hannover verweist darauf, dass es auch eine „innere“ Versammlungsfreiheit gibt. Diese sei nicht mehr gewährleistet, wenn Demoteilnehmer den Eindruck hätten, dass die Polizei die gesamte Versammlung filmt. Schon die mögliche Beobachtung schrecke Menschen ab, von ihrem Grundrecht Gebrauch zu machen. Ob tatsächlich gefilmt wird, spiele hierbei keine Rolle.

Laut dem Gericht darf die Polizei nach dem niedersächsischen Versammlungsgesetz nur dann filmen, wenn ein unfriedlicher Verlauf der Versammlung unmittelbar bevorstehe. Diese konkrete Gefahr lag aber auch nach Angaben der Polizei nicht vor. Dass die eingefahrene Mastkamera erst nach ca. 40 Sekunden einsatzbereit ist, muss im Ernstfall hingenommen werden, so das Gericht (Aktenzeichen 10 A 226/13).

Links 949

FragDenStaat.de gewinnt gegen die Bundesregierung

Widerruf eines Verbraucherkreditvertrags kann sich lohnen

Bayern wünscht flächendeckendes WLAN

Abmahnanwalt Urmann steht wegen Insolvenzvergehen vor Gericht

Amtsgericht Düsseldorf reduziert Schadensersatz beim Filesharing

Im Visier der Hacker

Es wird alles nachverhandelt

“Kids these days just want to live in their fucking own little worlds in their bedrooms watching Netflix and becoming obese”

Japan kehrt zur Atomkraft zurück

Beate Zschäpe mag ihre Anwälte nicht mehr

Die im Münchner NSU-Verfahren angeklagte Beate Zschäpe hat dem Oberlandesgericht heute mitgeteilt, sie habe kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger. Das twittert ARD-Korrespondent Holger Schmidt. Nach weiteren Meldungen hat der Strafsenat die Verhandlung für heute und morgen daraufhin abgesagt.

Noch ist unklar, worauf Zschäpe die Vorbehalte gegen ihre Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl stützt. Alle drei sind als Pflichtverteidiger tätig. Somit steht jedenfalls eines fest: Einfach feuern kann Zschäpe ihre Anwälte nicht. Das geht komplikationslos nur bei sogenannten Wahlanwälten. Diese sind nicht als Pflichtverteidiger vom Gericht beigeordnet. Der Angeklagte bezahlt sie – im Idealfall – aus eigener Tasche.

Das Gericht muss an sich nun prüfen, ob die Gründe für eine förmliche Entpflichtung der Anwälte, also die Aufhebung des Pflichtverteidigermandates, ausreichen. Hierzu bedarf es aber normalerweise eines schwerwiegenden Pflichtverstoßes durch den Anwalt. Oder das Vertrauen muss aus nachvollziehbaren Gründen so zerrüttet sein, dass es offensichtlich nicht mehr geht. Anders gesagt: Nur vorübergehende (oder gar eingebildete) Friktionen zwischen Angeklagtem und Anwalt reichen nicht aus.

Allerdings vermute ich, dass weder die bisherigen Anwälte noch Zschäpe ausgerechnet den Strafsenat zu tief in die Problematik blicken lassen wollen. Ein anderes Szenario erscheint viel wahrscheinlicher. Nämlich dass Zschäpe und die Anwälte das Gericht einvernehmlich um Auflösung der Mandate bitten. Gleichzeitig wird Zschäpe Anwälte benennen, die bereit sind, sie weiter zu verteidigen, ohne dass es zu Zeitverzögerungen – etwa durch einarbeitungsbedingte Verhandlungspausen – kommt.

Wichtigster Punkt dürfte allerdings die Zusage der neuen Anwälte sein, dass durch ihre Beiordnung keine Mehrkosten entstehen. Das würde bedeuten, sie könnten gegenüber der Staatskasse nur künftige Verhandlungstage abrechnen. Nicht aber die diversen allgemeinen Grundgebühren für sonstige Tätigkeiten, die zusätzlich anfallen. Bei einer kostenneutralen Lösung versperren sich Gerichte normalerweise keinem Wechsel des Pflichtverteidigers.

Sollte das nicht so laufen, könnte Zschäpe auch zunächst auf eigene Kosten weitere Anwälte an Bord holen. Bis zu drei Verteidiger kann jeder Angeklagte frei beauftragen. (Vorhandene Pflichtverteidiger zählen hierbei nicht.) Allerdings würden die dann eben zunächst ohne Pflichtverteidigermandat tätig werden müssen. Das Gesetz sagt zwar weiter, dass Pflichtverteidiger entpflichtet werden sollen, wenn sich gewählte Anwälte melden. Allerdings hat das Gericht das Recht, dies doch nicht zu tun – wenn es zur Sicherung des Verfahrens dient.

Davon würde der Strafsenat hier aber garantiert Gebrauch machen und nicht das Risiko eingehen, dass Zschäpe plötzlich eines Morgens ganz ohne Anwälte da sitzt. Zschäpe müsste sich also damit arrangieren, dass ihre bisherigen Anwälte sie neben den neuen Anwälten weiter verteidigen. Das wäre sicher keine angenehme Situation. Gerade nicht für Sturm, Stahl und Heer, die dann ja faktisch so was wie ein fünftes Rad am Wagen wären. Wehren könnten sich die drei Verteidiger allerdings kaum. Wie der Begriff Pflichtverteidigung schon sagt.

Gerichtsunterlagen gehören nicht ins Netz

Das Web 2.x machte uns alle zu Publishern – wenn wir es denn möchten. Das führt natürlich dazu, dass auch Betroffene von Strafverfahren Dokumente ins Netz stellen. Zum Beispiel die Anklageschrift. Das ist jedoch meist keine gute Idee, denn die Veröffentlichung ist ihrerseits eine Straftat. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Beschluss bestätigt.

Ein Angeklagter hatte Teile der Anklageschrift und den Eröffnungsbeschluss des Gerichts auf seine Homepage gestellt. Hierfür kassierte er gleich noch eine Anklage – wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen. Die Vorschrift untersagt die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten aus Ermittlungs- und Gerichtsakten, bevor diese in der Hauptverhandlung erörtert worden oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Um diese Strafvorschrift gibt es immer wieder Ärger, denn sie schränkt die Meinungsfreiheit ein, und zwar ganz erheblich. Dennoch sieht auch das Verfassungsgericht einen praktischen Nutzen. Die Vorschrift soll demnach verhindern, dass Zeugen, Gericht und andere Beteiligte durch die Veröffentlichung beeinflusst werden. Mit einem vermeintlichen Schutz des Angeklagten vor sich selbst mochte das Gericht doch nicht argumentieren. Stattdessen weist es darauf hin, es könnten ja auch Mitangeklagte und Nebenkläger in ihren Persönlichkeitsrechten betroffen sein.

Das alles heißt freilich nicht, dass die fraglichen Dokumente tatsächlich „geheim“ bleiben müssen. Denn das Gesetz untersagt nur die Wiedergabe „im Wortlaut“. Es ist also durchaus zulässig, den Inhalt der Papiere in indirekter Rede mitzuteilen. Wer nicht nur scannen, sondern auch formulieren kann, ist hier klar im Vorteil. Trotz dieser Umgehungsmöglichkeit hält das Verfassungsgericht die Vorschrift im Ergebnis (noch) für nützlich. Immerhin, so meinen die Richter, erwecke nur die wörtliche Wiedergabe den „Eindruck amtlicher Authentizität“.

Strafbar ist übrigens auch nur die Wiedergabe des gesamten Dokuments oder „wesentlicher“ Teile (Aktenzeichen 2 BvR 429/12).

Schaum drüber

Schon mal gewundert, woher die unterschiedlichen Hinweise zur Haltbarkeit auf Kosmetikverpackungen herkommen? Das Landgericht Wuppertal erklärt diese komplexe Materie – es geht schließlich um EU-Verordnungen – anhand eines Nassrasierers mit integriertem Seifenblock.

Gestritten wurde darum, ob ein Rasierer mit dem schönen Namen Intuition Naturals Sensitive Care (Amazon Partner-Link) ein Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen muss. Klingt erst mal ungewöhnlich, da Rasierer eher als nicht verderblich gelten.

Allerdings beanstandete die Konkurrenz, der Hersteller umgebe seine Rasierklingen mit einem Seifenblock, der laut der Werbung bei der Nassrasur praktischerweise schäumt und ganz doll pflegt. Mit dieser Sonderausstattung, so das Gericht, sei erst mal eindeutig ein kosmetisches Produkt im Sinne der einschlägigen EU-Verordnung gegeben. Bei kosmetischen Produkten müsse die Mindesthaltbarkeit genannt werden, sofern das Produkt weniger als 30 Monate haltbar sind. Ist das kosmetische Produkt – wie die schäumenden Einmalrasierer – mehr als 30 Monate haltbar, muss auf der Packung nur stehen, wie lange es nach dem Öffnen verwendet werden kann.

Wieder was gelernt (Aktenzeichen 12 O 38/13).

Die Sache mit dem Handtuch

Es geht um Stalking. Oder doch eher um angebliches. Die Betroffene fühlt sich jedenfalls von meinem Mandanten verfolgt. Angeblich spürt sie, so sagt sie bei der Polizei, ständig „seinen Atem im Rücken“. Sie habe schon Angst, ihr Haus zu verlassen. Und wenn sie mal rausgeht, drehe sie sich ständig um.

Nur – es ist dann niemand da. Keine Spur von meinem Mandanten. Über anderthalb Seiten erstreckt sich die Strafanzeige. Eine freundliche Polizistin protokolliert all die Ängste, welche die Betroffene schildert. Das ist natürlich sehr traurig. Aber irgendwann scheint die Beamtin dann mal vorsichtig gefragt zu haben, was der Beschuldigte denn eigentlich konkret so gemacht hat. Die Antwort:

Ich hatte neulich ein Handtuch draußen auf der Leine hängen. Am nächsten Tag war es weg.

Ich glaube, die Verteidigungsschrift für meinen Mandanten fällt nicht sonderlich üppig aus.

Google wehrt sich

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum „Recht auf Vergessen“ sind Suchmaschinen verstärkt in der Pflicht. Am einfachsten wäre es für die Betreiber natürlich, jedem Löschantrag stattzugeben. Google scheint diesen Weg allerdings nicht zu gehen.

Das zeigt eine Antwort von Google, die der Mainzer Anwalt Karsten Gulden veröffentlicht hat. Gulden hatte für einen Mandanten beantragt, ein negatives Suchergebnis zu tilgen. Der Betroffene war in einem Blogeintrag in die Nähe einer Sekte gerückt worden. Seiner Meinung nach zu Unrecht.

Google hat nach Guldens Angaben den Antrag nun abgelehnt. Begründung:

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anzeige der entsprechenden Suchergebnisse fortbesteht.

Dementsprechend weigert sich Google, den Eintrag zu löschen. Sollte der Betroffene nicht mit dieser Entscheidung einverstanden sein, könne er sich „unter Umständen … an die zuständige Datenschutzbehörde wenden“. Google scheint also zumindest in Einzelfällen den Konflikt nicht zu scheuen. Ob das sogar ein Trend wird, muss man abwarten.

Kein Passwort = Gefängnis

In Großbritannien ist ein Student zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Nicht wegen der eigentlichen Tat, wegen der die Polizei ermittelt. Sondern weil er den Fahndern nicht das Passwort für seinen Computer gab. Beziehungsweise geben konnte.

In England ist es seit mehreren Jahren möglich, Beschuldigte zur Herausgabe von Passwörtern zu zwingen. Im Fall des 22-Jährigen Christopher Wilson ist allerdings sogar offen, ob Wilson das Passwort tatsächlich absichtlich verschweigt. Wie die britische Zeitung Chronicle berichtet, gab Wilson 50 Passwörter heraus. Davon soll jedoch keines für seinen Computer funktioniert haben.

Wilson selbst soll am Asperger-Syndrom leiden, einer Unterform des Autismus. Der Fall zeigt auch, welches Risiko es möglicherweise in England bedeutet, wenn man sich an ein Passwort mal tatsächlich nicht mehr erinnern kann.

In Deutschland ist die Rechtslage – noch – anders. Wer einer Straftat beschuldigt wird, hat ein praktisch umfassendes Schweigerecht. Das bedeutet auch, dass man keine Auskunft über Passwörter geben muss. Ebenso wenig kann ein Beschuldigter gezwungen werden, seinen Computer oder sonstige Hardware zu bedienen. Ein bislang nicht geklärter Grenzfall sind allerdings Maßnahmen, bei denen der Betroffene selbst nicht aktiv werden muss. Etwa wenn der Beschuldigte einen Fingerabdruck- oder Irisscan „dulden“ soll.

Presse geht auch ohne Presseausweis

Das Urteil im Verfahren der Podcaster von Metronaut gegen die Polizei liegt nun schriftlich vor. Die Polizei hatte während der laufenden Berichterstattung über einen Castortransport den Podcastbus der Metronauten beschlagnahmt. Die Gründe hierfür überzeugten das Verwaltungsgericht Lüneburg nicht.

Die Metronauten geben das Urteil selbst in einigen Passagen wieder. Es geht im wesentlichen um die Frage, wann die Polizei eine ausreichende „Gefahr“ bejahen darf, die Maßnahmen wie Sicherstellungen rechtfertigt. Laut dem Gericht muss die Polizei, kurz gesagt, erst mal belastbare Tatsachen feststellen und darf nicht ins Blaue hinein tätig werden.

Sehr interessant ist eine Urteilspassage, die sich mit der Frage beschäftigt, ob die Pressefreiheit nur für Inhaber von Presseausweisen gilt:

Die Kläger wurden durch die Sicherstellung des VW-Busses nebst der darin befindlichen Gegenstände in ihrem Recht auf freie Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GG) verletzt. Der Schutzbereich war unabhängig davon eröffnet, ob die Kläger Inhaber eines Presseausweises waren oder nicht.

Presseausweise werden – anders als beispielsweise Rechtsanwaltausweise – nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern vom Deutschen Journalistenverband ausgegeben. Voraussetzung für den Erhalt ist die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist, die aber gerade nicht Bedingung für einen Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG ist. Der Schutzbereich umfasst nicht nur die Berichterstattung selbst, sondern auch alle wesensmäßig damit zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere auch die Beschaffung der zu berichtenden Informationen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Älterer Bericht im law blog

Vorsicht mit der Liste

Die „geheime“ Sperrliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist seit einigen Tagen nicht mehr geheim. Jemand hat die Liste ins Netz gestellt, so dass jetzt für jeden Interessierten ohne Probleme nachlesbar ist, welche Inhalte im Netz als jugendgefährdend oder gar strafbar eingestuft werden.

Der Link zur Liste hat schon weite Kreise gezogen. Zahlreiche Empfänger haben sich angeschaut, was hinter dem Link steckt. Manche haben auch darauf verwiesen oder ihn geteilt. Nun hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sich sogar an die Seite netzpolitik.org gewandt und verlangt, die geleakte Liste nicht zu verlinken.

Auch wenn weitere Schritte derzeit nicht bekannt sind, stellt sich natürlich die Frage, ob und was Nutzer im Zusammenhang mit der „Verbreitung“ der Liste eventuell zu befürchten haben. Mein Anwaltskollege Thomas Stadler hat sich hierzu bereits völlig richtige Gedanken gemacht.

Danach ist es durchaus riskant, direkt auf strafbare Inhalte – etwa kindepornografische Darstellungen – zu verlinken. Allerdings ist das hier nicht der Fall, da die Liste der Bundesprüfstelle in der veröffentlichten Form selbst schon gar keine klickbaren Links enthält, sondern nur die URLs in Textform.

Andererseits kann man sich natürlich nie sicher sein, ob Behörden das Ganze nicht anders bewerten und den berühmten Anfangsverdacht bejahen, welcher dann erst mal das komplette Programm (Hausdurchsuchung etc.) in Gang setzt. So liefe es ja nicht zum ersten Mal.

Etwas Vorsicht ist also angebracht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Liste, die ja zu Recht viele Fragen aufwirft, ist ja auch ohne Verlinkung möglich.