Der Null-Internet-Richter

In einem seit Jahren dauernden Strafverfahren in Koblenz hat es Befangenheitsanträge gehagelt. Der Vorsitzende Richter hat auf der Tür seines Dienstzimmers (Innenseite) einen Aufkleber, der dem hier aufrufbaren verdächtig ähnelt. Auf dem Aufkleber steht auch noch das Wortspiel „falsch verbunden“.

So eine Meinungsäußerung im Dienstzimmer ist schon problematisch. Stichwort: richterliches Mäßigungsgebot. Hier vor allem, wenn man wie der Vorsitzende nun schon seit Jahren nur noch diesen einen Großprozess führt – der sich gegen mutmaßliche, mutmaßlich gewaltbereite bzw. mutmaßlich gewalttätige Neonazis richtet. Der Fall erinnert an den eines ostdeutschen Richters, der sich auf seiner Facebook-Seite mit einem lustigen T-Shirt präsentierte. Das T-Shirt war aber gar nicht lustig. Jedenfalls erklärte der Bundesgerichtshof den Richter für befangen (mehr in einem früheren Beitrag).

Die Richter am Landgericht Koblenz erwähnen diese BGH-Entscheidung in ihrem Beschluss mit keinem Wort. Was ja schon mal ein gutes Zeichen für die Verteidigung ist. Stattdessen beschreiben die Richter das Büro des Vorsitzenden als Kuriositätenkabinett. „Nahezu jeder Quadratmeter des Dienstzimmers ist mit Objekten vollgestopft“, heißt es. Alle Objekte hätten die Gemeinsamkeit, dass sie einen „sprachlich-humoristischen Aspekt“ aufweisen.

Tja, möchte man fragen: Wo ist denn der sprachlich-humoristische Aspekt bei dem Anti-Burschenschafter-Aufkleber? Von Humor sehe ich da wenig. Zumal die Verteidiger ziemlich detailliert belegen, dass der Aufkleber lediglich aus Quellen bezogen werden kann, die man ungestraft als linksextrem einschätzen kann.

Doch der Vorsitzende bestreitet jeden Kontakt in dieser Richtung. Seine Begründung gibt das Landgericht Koblenz so wieder, und jetzt wird es doch noch humoristisch:

Der Vorsitzende hat glaubhaft angegeben, die linksgerichtete Internetseite „falsch-verbunden.net“ nicht zu kennen.

Jedem Verfahrensbeteiligten ist bekannt, dass der Vorsitzende weder willens noch in der Lage ist, selbst Internetseiten aufzurufen, da er den Umgang „mit der Maschine“ grundsätzlich ablehnt.

Vielleicht sollte man mal nach Zeugen suchen, die bestätigen können, dass der Vorsitzende Richter durchaus, wenn auch etwas ungelenk, in der Lage ist Internetseiten aufzurufen. Auch wenn der Gute sehr gerne mit seiner Antihaltung zum Internet kokettiert, erscheint es mir persönlich schlichtweg nicht glaubhaft, dass er nicht in der Lage sein will, Internetseiten aufzurufen.

Das Gegenteil zu belegen, wäre doch fast ein noch zugkräftigerer Befangenheitsgrund. Denn anlügen lassen muss sich kein Angeklagter. Auch nicht vom Vorsitzenden.