Masern: Behörde verlangt Impfnachweis für Kinder

Nach dem geänderten Infektionsschutzgesetz müssen Kita-Kinder und Schüler eine Masernimpfung nachweisen. Nun machen die Berliner Behörden: Mehreren Eltern, die für insgesamt drei Kinder keinen Impfpass vorlegten, droht das Gesundheitsamt 200,00 € Zwangsgeld an.

Die Nachweispflicht gilt seit 2020 für alle „Gemeinschaftseinrichtungen“. Darunter fallen auch Kindergärten und Schulen. Die betroffenen Eltern sehen in dem Gesetz eine verfassungswidrige Impfpflicht durch die Hintertür.

Das Verwaltungsgericht Berlin folgt dieser Auffassung im Eilverfahren nicht. Die Regelung sei kein Freiheitsrecht für Eltern, sondern ein Schutzrecht der Kinder. Der Zweck, eine ansteckende Krankheit einzudämmen, sei legitim. Die Impfung sei auch wirksam und wirke lebenslang (Aktenzeichen VG 14 L 210/23 u.a.).

Krankmeldung: Gericht klärt wichtige Fristenfrage

In den Hintern gekniffen sind erkrankte Arbeitnehmer oft, wenn sie der Krankenkasse nicht ihre Arbeitsunfähigkeit nachweisen – und zwar lückenlos. Schon ein Tag ohne AU-Bescheinigung kann dazu führen, dass die Krankenkasse das Krankengeld komplett streicht. Mit dieser Praxis macht das Bundessozialgericht nun Schluss.

Eine länger erkrankte Angestellte war bis 17.06.2018 krankgeschrieben. Völlig richtig ging sie am 18.06.2018 zu ihrem Hausarzt, um die AU zu verlängern. Die Sprechstundenhilfe wies sie jedoch ab, das Wartezimmer sei voll. Die Frau könne in zwei Tagen wiederkommen.

Die Kasse akzeptierte die Bescheinigung vom 20.06.2018 nicht, obwohl die AU rückwirkend bescheinigt wurde. Gegen die Streichung ihres Krankengeldes zog die Angestellte vor Gericht.

Das Bundessozialgericht stellt in seinem aktuellen Urteil klar: Es reicht, wenn der Arbeitnehmer am Tag nach Ablauf der AU zum behandelnden Arzt geht, und zwar „zu üblichen Öffnungszeiten“. Vertröstet das Personal den Patienten auf einen späteren Tag, sei diese an der Misere nicht schuld. Der Frau durfte das Krankengeld also nicht gestrichen werden (Aktenzeichen B 3 KR 11/22 B).

Früher hieß es Steckbrief

Die sogenannte „Öffentlichkeitsfahndung“ wird immer beliebter. Früher hieß das Steckbrief. Wie man eine Öffentlichkeitsfahndung nicht machen sollte, zeigt die Kriminalpolizei aus dem bayerischen Ansbach.

Nach einem Diskobesuch soll eine Frau von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Die Polizei konnte vor Ort keine Täter ermitteln, auch die Befragung von Zeugen blieb ohne Ergebnis. Deshalb startet die Polizei jetzt eine „Öffentlichkeitsfahndung“ nach vier Männern. Die Überwachungskamera in der Diskothek hat die Männer aufgenommen. Die Bilder stellt die Polizei ins Internet.

Aus dem Fahndungsaufruf erfährt man:

„Die Ermittlungsmaßnahmen haben bisher jedoch nicht zur Identifizierung der Tatverdächtigen geführt.“

Dabei bleibt an dieser Stelle des Textes völlig offen, ob die abgebildeten Personen die Tatverdächtigen sind und ob deswegen nach ihnen gefahndet wird.

Außerdem heißt es:

„Die Ermittlungen ergaben, dass sich die Frau in den Stunden vor der Tat mit vier unbekannten Männern in der Diskothek aufgehalten hatte. Diese können möglicherweise wichtige Angaben zur Tat machen. Daher wenden sich die Ermittler nun mit folgenden Fragen an die Bevölkerung:

Wer kann Angaben zur Identität der Männer machen?
Wer hat in der betreffenden Nacht Fotos oder Videos gemacht, auf welchen die abgebildeten Personen zu sehen sind? Wer hat Wahrnehmungen zu dem Übergriff gemacht und kann hierzu sachdienliche Hinweise geben?“

Der Satz „Diese können möglicherweise wichtige Angaben zur Tat machen“ wirft erstmals die berechtigte Frage auf, welchen juristischen Status die Männer haben. Sind sie Beschuldigte? Oder Zeugen? Für letzteres spricht wenigstens zwischen den Zeilen, dass man wohl nur in einem schlechten Krimi auf die Idee kommen würde, bislang optisch, aber namentlich nicht bekannten Beschuldigten höflich um Kontaktaufnahme zu bitten, damit sie doch freundlichst aus ihrer Sicht den Ablauf der Vergewaltigung schildern.

Für eine Beschuldigtenrolle der Betreffenden spricht aber wieder der Absatz, der die Leser fragt, ob sie Angaben zur Identität der Männer machen können. Wenn die Männer nur Zeugen sind, wäre es an dieser Stelle mehr als angebracht, auch sie anzusprechen, und zwar so:

„Wenn Sie sich auf den Fotos wiedererkennen, melden Sie sich bitte bei der Kriminalpolizei Ansbach. Sie können als Zeuge möglicherweise wichtige Angaben machen.“

So bleibt der gesamte Aufruf ambivalent zur juristischen Rolle der Gesuchten. Das ist aber nicht zulässig – und es kann sogar zu Schadensersatzansprüchen der Betroffenen gegen das Land Bayern führen. Immerhin greift jeden Öffentlichkeitsfahndung tief in die Persönlichkeitsrechte ein. Die Reputation der Männer ist mit einiger Sicherheit hinüber. Man kann nämlich nie beweisen, eine Tat nicht begangen zu haben. Anders gesagt: Es bleibt immer was hängen.

Genau deshalb untersagt die Strafprozessordnung so einen ambivalenten Fahndungsaufruf. In § 131b StPO ist ausdrücklich vorgeschrieben:

„Die Veröffentlichung muss erkennbar machen, dass die abgebildete Person nicht Beschuldigter ist.“

Das wird in dem Aufruf schlicht nicht hinreichend deutlich. Sofern ein Richter den Fahndungsaufruf tatsächlich in dieser Form abgesegnet hat, ist das ein Armutszeugnis.

„Letzte Generation“: Am Ende steht Gefängnis

Eine Klima-Aktivistin ist in Berlin zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ohne Bewährung. Es ist wohl das bislang härteste Urteil wegen Straßenblockaden.

Die Akteure der „Letzten Generation“ erleben momentan, wie die deutsche Justiz auf Straftaten reagiert: lange zurückhaltend, oft auch nachsichtig, aber bei hartnäckigen Wiederholungstätern mit immer höherem Strafdruck.

Das erste Verfahren wird noch gegen Geld- oder Arbeitsstunden eingestellt, dann folgen die eine oder andere Geldstrafe, schließlich die erste Bewährung, die zweite Bewährung – und dann ist halt irgendwann Schluss mit lustig. Lustig deswegen, weil die „Letzte Generation“ dem Nachwuchs ja mehr oder wenig offen in Aussicht stellt, dass Geldstrafen von interessierten Dritten übernommen werden und somit nicht wehtun.

Bei Haftstrafen ist das natürlich nicht möglich. Auch wenn acht Monate eine lange Zeit sind, ist hier das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Für eine Nötigung kann es bis zu drei Jahre Gefängnis geben. Wenn sich jemand über einen längeren Zeitraum strafbar macht, liegen oft auch die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafe nicht mehr vor. Die Einzelstrafen werden dann nicht zusammengezogen. Sondern addiert.

Am Ende können also Gefängnisaufenthalte herauskommen, welche die eigentliche Höchststrafe in der Summe weit übersteigen. Man kann nur hoffen, dass Klimaklebern diese Konsequenzen für ihr eigenes Leben bewusst sind. Spätestens nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel wird es sich drastisch verändern, am Tag des Strafantritts.

Bericht auf rbb24

Die Deutschlandflagge als Fußabtreter

Das Foto zeigt den Treppenabgang eines Hauses. Am Ende der Treppe ist auf dem Boden eine größere Deutschlandfahne ausgelegt, am Treppenabsatz leigt ein handelsüblicher Fußabtreter drüber. So soll es in Räumlichkeiten ausgesehen haben, die Einsatzkräfte der hessischen Polizei durchsuchten. Es geht um mutmaßliche Clankriminalität, wie die Bildzeitung berichtet. Mir und hoffentlich auch euch stellt sich die Frage: Darf man die Deutschlandfahne als Fußabtreter verwenden?

Tatsächlich wird es nach § 90a StGB bestraft, wenn man die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik verunglimpft – selbst wenn einem die Flagge selbst gehört. Allerdings muss das „öffentlich“ geschehen, also etwa mit einem Post auf Social Media, einer Demo oder einem Ort mit Publikumsverkehr. Von daher ist jedes Fahnen-Voodoo in den eigenen vier Wänden risikolos. Ob das Treppenhaus eines Mietshauses in diesem Zusammenhang schon öffentlich wäre, ist bislang nicht entschieden. Nach dem Foto und dem Polizeibericht dürfte es sich aber um Privaträume gehandelt haben.

Die Verwendung als Fußabtreter ist als solche auch keine Verunglimpfung. Eine kleine Online-Suche ergibt viele Shops, die Fußabtreter in den Farben schwarz-rot-gold verkaufen, meist neben den zu besseren Fußballzeiten sehr beliebten Rückspiegel-Kondomen in Staatsfarben. Ohne besondere zusätzliche Anhaltspunkte wird man also kaum dazu kommen können, dass hier eine Deutschland-Fahne im Sinne des Gesetzes verunglimpft wird.

Letztlich betont das Bundesverfassungsgericht immer, dass Kritik am Staat auch laut, unflätig und geschmacklos sein darf. So ging ein Mann straflos aus, der auf einer Collage scheinbar auf eine Deutschlandfahne uriniert. Der Mann wollte gegen die Militarisierung protestieren. Auch das Wortspiel „Schwarz-Rot-Senf“ billigte das Gericht.

Gegen die mutmaßlichen Clankriminellen wird nach der Razzia wegen zahlreicher Straftaten ermittelt, unter anderem wegen Betrug, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung, Sozialleistungsbetrug und Geldwäsche. Die Verunglimpfung der deutschen Flagge wird nicht erwähnt. Vermutlich bewerten die Staatsanwälte die Rechtslage ebenso und machen deshalb wegen dieser Sache kein Fass auf.

Rechtswidrig hoch zehn

Das Arbeitsgericht Berlin muss über die Kündigung einer Ex-RBB-Direktorin nicht entscheiden. Weil es den gesamten Vertrag für nichtig hält. Ein „wucherähnliches Rechtsgeschäft“ wird den Verantwortlichen bescheinigt, berichtet Business Insider.

„Sittenwidrig – das ist die größte Ohrfeige, die du bekommen kannst“, sagte Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. „Das ist sozusagen rechtswidrig hoch zehn.“ Und in der Rechtssprechung „absolut exotisch“, so Wolf Reuter, ebenfalls Arbeitsrechtler.“

Wenn das Bestand hat, muss die Ex-Direktorin nicht nur auf 1,8 Millionen Euro Ruhegeld verzichten. Man wird sicher auch (noch) mal schauen müssen, wie es bei so krassen Verstößen um die zivil- und strafrechtliche Verantwortung derjenigen steht, die solche Verträge auf Kosten der Beitragszahler abgeschlossen haben.

Haben Bild und B.Z. „journalistische Standards“ gebrochen?

Die taz beklagt sich, dass Bild und B.Z. geplante Straßenblockaden offengelegt haben. Was es der Berliner Polizei sicher erleichterte, diese Blockaden zu verhindern.

Dann folgt ein interessanter Vorwurf:

„Mit der Veröffentlichung der Orte, noch bevor sich dort Blockaden bilden konnten, hat Springer nicht nur diese Verabredung gebrochen und damit journalistische Standards verletzt, sondern sich auch zum Erfüllungsgehilfen der Polizei gemacht.“

Dabei steht im gleichen Text, dass nur „ausgewählte Journalisten“ vorab informiert wurden. Und dass Springer-Blätter gar nicht zu den Auserwählten gehörten. „Möglicherweise erreichten diese Informationen die Springer-Redaktion über Umwege“, heißt es.

Welche Verabredung haben die Zeitungen also gebrochen und damit „journalistische Standards“ verletzt, wenn jemand von den erlauchten Journalisten, mit denen die Letzte Generation redet, die Klappe nicht halten konnte – oder wollte. Im Pressekodex heißt es überdies: „Nachrichtensperren akzeptiert die Presse grundsätzlich nicht.“

Der Vorwurf, die Zeitungen hätten sich zum „Erfüllungsgehilfen der Polizei“ gemacht, ist ähnlich absurd. Dass die Polizei aktuelle Berichte über geplante Straftaten zur Kenntnis nimmt, kann ihr doch nicht verwehrt werden. Im übrigen ist die Begründung der Zeitungen, sie wollten Autofahrer vor stundenlangen Staus bewahren, nicht gerade aus der Luft gegriffen.

Polizeikontrolle: 114 Anzeigen bei 550 Fahrzeugen

Die Polizei in Magdeburg hat mit einer Großkontrolle 550 Autofahrer überprüft. Vorrangig sollte die Fahrtüchtigkeit geklärt werden.

Das Ergebnis macht, nun ja, schon etwas nachdenklich. Hier die Bilanz:

31 x Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen wegen des Verdachts des Fahrens unter Betäubungsmitteln
2 x Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen wegen des Verdachts des Fahrens unter Alkohol
51 x sonstige Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeigen
10 x Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
9 x Anzeigen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
1 x Anzeige wegen Trunkenheit im Verkehr
1 x Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs
5 x Anzeigen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz
2 x Verstoß Pflichtversicherungsgesetz
2 x Verstoß Aufenthaltsgesetz

Insgesamt ist also gegen jeden fünften Autofahrer ein Verfahren eingeleitet worden. Und oft nicht nur wegen Bagatellen, wie man sieht.

Pressemitteilung der Polizei

Starbucks vor Gericht: Keine Mango im Mangodrink

Bei Subway-Sandwiches hat mal jemand in den USA nachgemessen und festgestellt, das „footlong“-Sandwiches deutlich kleiner sind. Es fehlten bis zu 2,5 Zentimeter. Wurde ein teurer Prozess, und seitdem sollen die Mitarbeiter in den Filialen ein Maßband bereit halten. Nun trifft es Starbucks. Die Kette wird von Verbraucherschützern verklagt, weil in einigen Fruchtdrinks vieles drin ist – nur nicht die beworbenen Früchte.

Konkret geht es um um folgende Drinks, die in den USA zwischen 3,95 und 5,95 Dollar kosten:

– Mango Dragonfruit
– Mango Dragonfruit Lemonade
– Pineapple Passionfruit
– Pineapple Passionfruit Lemonade
– Strawberry Açai
– Strawberry Açai Lemonade

Das etwa als „Mango Dragonfruit“ verkaufte Getränk enthält hauptsächlich Wasser, Traubensaftkonzentrat und Zucker. Aber jedenfalls keine Mango. Starbucks bestreitet vor Gericht gar nicht, dass die genannten Früchte in den Getränken fehlen. Das Unternehmen macht geltend, es werde nur die Geschmacksrichtung beschrieben.

Über diesen Punkt hat der zuständige Bundesrichter nachgedacht. Starbucks‘ Argumentation erscheint ihm nicht überzeugend. Anders als etwa beim sehr vagen „Vanille-Geschmack“ deutet für ihn nichts drauf hin, dass bei Mango, Passionsfrucht und Acai es jemand für möglich halte, dass tatsächlich keine von den Früchten enthalten ist.

Das Gericht hat die Sammelklage auf mindestens fünf Millionen Dollar zugelassen.

Bericht bei Reuters

Größte Mordserie: Behörde macht Verjährung geltend

Von 1999 bis Mitte 2005 beging der Krankenpfleger Nils H. in norddeutschen Krankenhäusern zahlreiche Morde. Verurteilt wurde er wegen 80 Morden, ermittelt wurde in 332 Fällen. Die größte Mordserie der Bundesrepublik hat auch heute noch juristische Nachspiele. So müssen Hinterbliebene vor Gericht um Hinterbliebenenrenten kämpfen. Nicht immer erfolgreich, wie ein Urteil aus Niedersachsen zeigt.

Geklagt hatte eine Frau, deren Vater 2003 von H. zu Tode gespritzt wurde. Sie hatte sich 2014 an die Staatsanwaltschaft gewandt. Zur gleichen Zeit erfuhr auch die zuständige Berufsgenossenschaft von den Taten. Vor Gericht ging es nun darum, ab wann die Hinterbliebenenrente zu zahlen ist.

Die Berufsgenossenschaft beruft sich auf die vierjährige Verjährungsfrist bei sozialrechtlichen Ansprüchen. Diese Verjährung sei erst durch Bekanntwerden der Fälle 2014 unterbrochen worden. Für die Zeit bis Ende 2009 seien die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente somit verjährt.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen billigt diese Auffassung. Die Richter sehen keinen Rechtsmissbrauch. Die Hinterbliebene hatte eingewandt, die Berufung auf Verjährung sei bei solchen „Schadensgroßereignissen“ rechtsmissbräuchlich.

Fakt bleibt aber, dass die Verjährung eine Einrede ist. Die Berufsgenossenschaft hätte also in diesem doch sehr speziellen Fall darauf verzichten und zahlen können (Aktenzeichen L 14 U 117/22).

Gericht: Anwalt musss Schriftsätze nicht vorlesen

Blinde und sehbehinderte Menschen stehen im Umgang mit der Justiz vor einem gravierenden Problem. Prozesse werden zum großen Teil schriftlich geführt. Sehbehinderte dürfen nicht einfach darauf verwiesen werden, sich die Schriftsätze von ihrem Anwalt vorlesen zu lassen. Das ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts München.

Im Gerichtsverfassungsgesetz (§ 191a GVG) ist ausdrücklich festgelegt, dass alle Schriftsätze barrierefrei zugänglich gemacht werden müssen – und zwar kostenlos. In dem entschiedenen Fall ging es um eine ältere Dame, die wegen einer Augenkrankheit erblindet war. Sie sollte aus ihrer Wohnung geklagt werden. Blindenschrift beherrscht sie nicht. Deshalb beantragte sie, dass ihr die Schriftsätze als Audiodatei zur Verfügung gestellt werden.

Das Amtsgericht war ernsthaft der Auffassung, die im Gesetz an sich festgelegte Verpflichtung zum barrierefreien Zugang könne auch der jeweilige Anwalt umsetzen. Er müsse die Schriftsätze halt vorlesen.

Die Beschwerderichter schauten etwas näher hin. Wer gesundheitlich eingeschränkt sei, habe das Recht, die Dokumente selbst und eigenständig zur Kenntnis zu nehmen. Und zwar so oft wie gewünscht. Eine Vorlesestunde durch den Anwalt erfülle das nicht. Deshalb müsse die Betroffene Audiodateien erhalten (Aktenzeichen 14 T 9699/23).

Das Wort „Transe“ ist (noch) nicht verboten

Das Landgericht Dortmund hat kein Verbot des Worts „Transe“ ausgesprochen – auch wenn viele Medien dies heute so berichten. Es geht um einen Rechtsstreit des Berliner Entertainers Riccardo Simonetti. Dieser hatte gegen einen Instagram-Post geklagt.

Das Landgericht Dortmund erließ wegen des Posts eine einstweilige Verfügung. Untersagt wurde folgende Äußerung:

„Kann diese übergriffige Transe, die selbst nie eigene Kinder haben wird, mal irgendwer wegsperren bitte, damit sie sich nicht an anderer Leute Kinder vergeht!“.

Die Richter haben sich mit der Aussage insgesamt auseinandergesetzt und darin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gesehen. Allerdings geht es eben um den Gesamtkontext – und nicht um die Bezeichnung „Transe“ im Speziellen. In einer besonderen Pressemitteilung des Landgerichts Dortmund heißt es dazu wörtlich:

„Aus den Gründen der Entscheidung geht hervor, dass die Äußerung als Gesamtes einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers darstellt. Zu der alleinigen Verwendung des Begriffes „Transe“ verhält sich die Entscheidung nicht.“

Das Wort Transe ist also (noch) nicht verboten.

Gutachten: Auch AfD-Stiftung müsste Geld erhalten

Die politischen Stiftungen der Parteien können sich jährlich über 700 Millionen Euro freuen. Während es bei der Linken keinerlei Berührungsängste gibt, erhält die der AfD nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung keinen Cent. Das Bundesinnenministerium hilft nun mit einem Gutachten, dass dies auch so bleibt.

Staatsrechtler haben im Auftrag des Ministeriums untersucht, welche Möglichkeiten es zum Ausschluss der „Feinde der Freiheit“ (FDP-Politiker Johannes Fechner) gibt. Nach der Holzhammer-Methode in Form eines schlichten „Ausschluss-Vermerks“ im Bundehaushalt geht es jedenfalls nicht mehr. Das Bundesverfassungsgericht stellte Anfang des Jahres fest, dass parteinahe Stiftungen nur aufgrund eines Bundesgesetzes von der Förderung ausgeschlossen werden können, und das auch nur aufgrund belastbarer Tatsachen. So ein Gesetz gibt es bislang nicht.

Das nun vorliegende Gutachten zeigt, dass eine Ungleichbehandlung durch Bundesgesetz nicht ganz einfach sein wird. So lange die AfD nicht verboten sei, müsse es bei ihrer parteinahen Stiftung allein auf deren Programm, Personal und Aktivitäten ankommen. Als Prüfungmaßstab sehen die Professoren nicht erst mal die bekannte Frage, ob sich die betreffende Stiftung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet. Hier müsste eine aktive Gegnerschaft zu Demokratie, Rechtsstaat, Menschenwürde und Völkerverständigung nachgewiesen werden.

Das könnte natürlich schwierig werden, so lange ein AfD-Verbot nicht mal ernsthaft im Raume steht. Deswegen haben sich die Professoren eine „Pflicht zu verfassungsfreundlichen Aktivitäten“ ausgedacht. Die Stiftungen müssten also nicht nur nachweisen, dass sie nichts gegen die Verfassung haben. Vielmehr müssten sie belegen, dass sie diese auch supertoll finden und sich mit aller Kraft dafür einsetzen. Was damit letztlich konkret gemeint sein könnte, wird allerdings nicht gesagt.

Ganz klar sagen die Gutachter, dass eine Stiftung nicht von vornherein per Gesetz ausgeschlossen werden kann. Vielmehr bedürfe es einer genauen Prüfung, wobei einzelne Verstöße nicht ausreichen würden. Wer über den Ausschluss entscheiden sollte, ist die nächste große Frage. Der Rechtsweg lasse sich keinesfalls ausschließen und würde lange dauern. Deshalb überlegen die Juristen, ob nicht gleich das Bundesverwaltungsgericht als „oberste“ Instanz tätig werden könnte.

Nach aktuellem Stand wird es also sehr schwierig werden, der AfD als demokratisch gewählter und nicht verbotener Partei jede Förderung zu entziehen.

Bericht in der Legal Tribune Online

Düsseldorf zeigt Schwarzfahrer nicht mehr an

Ich will meine Heimatstadt Düsseldorf nicht als Schwarzfahrer-Paradies bezeichnen. Aber ein klein wenig geht es schon in diese Richtung. Im Hoheitsgebiet der örtlichen Rheinbahn müssen ertappte Schwarzfahrer zwar nach wie vor das erhöhte Beförderungsentgelt von 60,00 € bezahlen. Auf ein Strafverfahren verzichten die Verkehrsbetriebe aber. Sie zeigen Schwarzfahrer einfach grundsätzlich nicht mehr an.

Dabei handelt die Rheinbahn auf „Anweisung von oben“. Die Zurückhaltung bei der Strafverfolgung ordnete eine Mehrheit von Grünen, SPD, Linken, FDP und der Partei-Klima-Fraktion im Stadtrat förmlich an. An diese Weisung ist die Rheinbahn als stadteigenes Unternehmen wohl gebunden.

Selbst wer in Düsseldorf permanent schwarz fährt, muss also keine Geldstrafen oder gar Freiheitsstrafe fürchten. Beförderungserschleichung kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden.

Tatsächlich hat häufigeres Schwarzfahren für viele Menschen drastische Folgen. Rund 7.000 Schwarzfahrer landen jährlich im Knast. Die meisten, weil sie ihre Geldstrafen nicht bezahlen können. Momentan gibt es Gesetzesiniativen, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren, zum Beispiel durch Herabstufung auf ein Bußgeld.

Wenn das Düsseldorfer Modell Schule machte, könnte man sich das Ganze allerdings sparen.

Bericht zum Thema