SCHMERZ

Eine Frau will in die Straßenbahn einsteigen. Ein 83-jähriger Autofahrer fährt auf der rechten Spur einfach weiter. Sein Auto erfasst die Frau. Sie stirbt vier Tage später, ohne nochmals aus dem Koma zu erwachen.

Das Schmerzensgeld wird sehr gering ausfallen. Es ist nicht einfach, den Hinterbliebenen dies zu erklären. Die Gerichte gehen in Deutschland davon aus, dass Schmerzensgeld in nennenswerter Höhe nur erhält, wer auch tatsächlich leidet. Mit anderen Worten: Wer schnell schnell stirbt oder lange bewusstlos ist und somit nicht leidet, spart dem Schädiger oder seiner Versicherung mächtig Geld.

Für mich ist diese Rechtsprechung nicht verständlich. Profitiert nicht der Schädiger, der – wenn auch nur fahrlässig – „ganze Arbeit“ leistet, auf geradezu perverse Art und Weise indirekt vom größtmöglichen Leid, das er seinem Opfer zufügen kann? Wäre es nicht fairer, den Tod schmerzensgeldmäßig mit Siechtum oder schwerer Behinderung zumindest gleichzustellen?

Wie zu erwarten, haben auch die Angehörigen in dieser Sache fassungslos reagiert. Nicht, dass ihnen Geld die Angehörige wieder bringt. Dass aber die Versicherung des Schädigers sich wegen des Todes besser stellt, ist auf jeden Fall ein Ergebnis, das ihren Schmerz vertieft.

Vielleicht sollte man mal Richter solche Gespräche führen lassen…