PING

Stille SMS zur Aufenthaltsermittlung – wer hätte unseren „Dorfpolizisten“ soviel technischen Grips zugetraut? (Zumal die Armen meist noch nicht einmal einen Dienst-PC ihr eigen nennen.)

Übrigens: Es gibt immer noch genug Dummies, die fest davon überzeugt sind, dass Handies nicht abgehört werden können.

ANSPRUCH

Gestern sitzt mir ein schneidiger Herr Anfang 40 gegenüber. Erst mal beschwert er sich über meine Sekretärin. Die habe beim Türöffnen „unkonzentriert“ gewirkt. Und „hektisch“. Wir haben halt viel zu tun, sage ich, bitte um höflich um Nachsicht und hoffe auf einen Themenwechsel.

Die Frage, was ich für ihn tun könne, quittiert er mit einer Gegenfrage: Ob ich mich mit Strafrecht auskenne? Ich weise höflich darauf hin, dass der Titel „Fachanwalt für Strafrecht“ nicht vom Himmel fällt.

„Kennen Sie sich mit Wirtschaftsstrafrecht aus?“ Ich erwidere höflich, dass dies der Fall ist.

„Na ja“, sagt er abschätzig. „Könnte ja sein, dass sie einer von diesen Anwälten sind, die nur Dealer vertreten.“

Ich stecke das freundlich weg.

Er möchte wissen, ob ich genug Kapazitäten für seinen Fall habe.

Fangfrage: Habe ich Kapazitäten, bin ich in seinen Augen unterbeschäftigt. Und ein unterbeschäftigter Anwalt taugt nichts, oder?

Das ist der Punkt, einen Punkt zu machen. Ich beende das Schaulaufen mit der glasklaren Ansage, dass er mir jetzt sagen soll, um was es geht.

Er erzählt also sein Schicksal: Geschäftsführer einer GmbH, bei den Gesellschaftern in Ungnade gefallen, Ermittlungsverfahren wegen Untreue und Insolvenzverschleppung.

Dann der entscheidende Satz: „Ich möchte nur klarstellen, dass sie ihre Gebühren von der Staatskasse bekommen. Als Pflichtverteidiger…“

Er ist also nicht nur arrogant, sondern auch abgebrannt.

Eine Minute später stehen wir schon an der Ausgangstür. Er kriegt den Mund vor Staunen nicht zu, dass ich in Fällen wie dem seinen (gemeint ist: bei überheblichen Schnöseln wie ihn) nicht für Staatsknete arbeite, sondern ausschließlich zum festgelegten Stundensatz. Den er sich definitiv nicht leisten kann. Vom Vorschuss ganz zu schweigen.

Kurzer Händedruck; er hat es plötzlich eilig. Schließlich muss er unter den 2000 Anwälten in unserer Stadt noch einen finden, der vor ihm zu Kreuze kriecht. Ich hätte ihm vielleicht zwei, drei Adressen mit auf den Weg geben sollen…

HÖCHSTSTRAFE

HÖCHSTSTRAFE

Aus der Verfahrensordnung des Schiedsgerichts des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V.:

„§ 17 Abs. 1: Das Schiedsgericht kann das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen und sie unendlich zur Sache vernehmen.“

WAR DAS DIE?

Auch Göttinnen haben Sorgen.

Zum Beispiel mit ihrem neuen Cabrio. Fast 70.000 Euro hat sie für ihren Flitzer bezahlt. Und ein Auto bekommen, das klappert. Göttinnen sind geduldige Menschen. Aber scheppernde Armaturenbretter und schlecht verdrahtete Navigationssysteme machen auch die schönsten Frauen wild.

Sie will Schadensersatz. Für den Ärger. Für den Stress. Und einen Abschlag auf den Kaufpreis. Juristisch gesehen ist das mehr als heikel. Vor allem bei der Summe, auf die sie sich eingeschossen hat.

Kein Wunder, dass mir etwas flau ist vor dem Gerichtstermin. Normalerweise sollte man eine Anspruchsgrundlage haben, wie Juristen das nennen. Aber andererseits soll man Göttinnen nicht enttäuschen. Denn die ähneln Schmetterlingen. Sind sie mit einem Anwalt nicht zufrieden, flattern sie zum nächsten. Das haben sie mit Wirtschaftskapitänen gemeinsam.

Die drei Richter blinzeln mir müde entgegen. Der dritte Fall für heute. Der Vorsitzende will mir gerade eröffnen, dass wir keine Chance haben. Der Gegenanwalt stützt gelangweilt das Kinn auf seine Hand.

Da schwebt sie in den Raum.

Schwarzes Netz, an den wichtigen Stellen ein bisschen Leder. Das Jäckchen von Versace. Und ein Lächeln, bei dem man(n) sogar freiwillig den Blick von ihren Kurven löst. Sie schildert den Ärger mit dem Autohaus. Flötet von der Inkompetenz der Werkstatt.

Der junge Richter rechts, direkt vor uns, ist hypnotisiert. Sein Blick wandert von ihren grünen Augen bis zu der Stelle, wo das Klägerpult alles weitere verbirgt. Es ist ein sehr niedriges Pult.

Der Vorsitzende kriegt langsam rote Wangen. Er ist plötzlich interessiert. Der Richter links verflucht den Moment, als er sich heute morgen für den Stuhl auf der Beklagtenseite entschieden hat.

„Ich kenne sie“, sagt der Richter. „Sie sind ja bekannt in der Medienwelt.“ Die Göttin schenkt ihm ein zauberhaftes Lächeln. „Ja, und eigentlich wollte ich mit dem Auto nur ein bisschen Spaß…“

Plötzlich stellt sich die Sach- und Rechtslage anders dar. Der Vorsitzende spannt die schlaffen Beamtenschultern und nimmt den Gegenanwalt in die Mangel. „Ein gewisses Prozessrisiko besteht für ihre Seite ja schon. Wenn das alles stimmt, was die Klägerin uns hier erzählt.“ Und dass so eine Frau nur die Wahrheit sagt, nichts als die Wahrheit, schwingt in seiner Stimme deutlich mit.

Fünf Minuten später ist der Gegenanwalt zu einem Vergleich geprügelt. Er hat sich noch nicht mal gewehrt.

Die Göttin ist hochzufrieden. „Mir ging´s in erster Linie ums Prinzip“, sagt sie hinter ihrer Sonnenbrille und rührt im Latte Machiato . „Ich habe ja zuerst gar nicht geglaubt, dass wir gewinnen.“ Dann strahlt sie mich an. „Es ist schon unglaublich, wie wichtig ein guter Anwalt ist. Ohne ihren Einsatz hätte ich den Prozess garantiert verloren.“

Ich wage nicht, zu widersprechen.

Gleich morgen, verspricht sie zum Abschied, will sie mich einer Kollegin empfehlen. Soweit ich weiß, keine Göttin. Aber immerhin ein Engel aus einer Vorabendserie. Und ausgerechnet dieser Himmelsbewohner hat Ärger mit einem Typen, der sichere Renditen versprach…

Zum Abschied – sie muss um halb eins den Flieger kriegen – fragt sie nach meiner Handynummer. „Für alle Fälle, falls mal was wichtiges ist.“

Auf dem Rückweg ins Büro treffe ich einen Kollegen. „Sagen sie mal, war das heute morgen die …“ „Anwaltsgeheimnis, Herr Kollege.“

Manchmal liebe ich diesen Job…

FACHANWALT

Das schreibt der Justitiar einer Baufirma in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht:

„Ausweislich der Angaben in seinem Briefbogen ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Fachanwalt für Strafrecht. Er ist damit den Umgang mit Mandanten gewohnt, die sanktionslos vor Gericht lügen dürfen, um sich einer Verurteilung im Strafprozess zu entziehen. Im Zivilprozess liegen die Dinge anders: Hier sind die Parteien an die prozessuale Wahrheitspflicht gebunden. Die Grenzziehung hat sich im vorliegenden Prozess nivelliert: Die Klägerin lügt schon durchgängig.“

Wer solche Tiraden nötig hat, der hat nicht nur eine Schraube locker, sondern auch keine Argumente in der Sache…