BÖSER ANWALT

BÖSER ANWALT

Ein junger Richter flippt völlig aus, als er erfährt, dass ich vor der Hauptverhandlung mit einer wichtigen Zeugin gesprochen habe. Die Frau erzählt bei ihrer Vernehmung auch, dass ich ihr vorgeschlagen habe, den Strafantrag zurückzunehmen. Ich hatte ihr für diesen Fall die unbürokratische Zahlung von 2.000 Euro als Schadensersatz und Schmerzensgeld in Aussicht gestellt.

Der Richter ist hellauf empört. Er erzählt was von „versuchter Strafvereitelung“ und von „Begünstigung“, droht mir mit einem Strafverfahren und einer Anzeige bei der Anwaltskammer..

Überdies will er mich gleich als Pflichtverteidiger abberufen. Vor der Entscheidung gibt er dem Staatsanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme. Der erbittet 15 Minuten Bedenkzeit. Dann gibt er folgende Erklärung ab:

„Die Staatsanwaltschaft widerspricht der Entpflichtung des Verteidigers. Der Verteidiger ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes befugt, in jedem Stadium des Verfahrens mit Zeugen zu sprechen. So lange er sich keiner unzulässigen Methoden wie Nötigung, Täuschung oder sogar Erpressung bedient, darf er auch Einfluss auf Zeugen nehmen. Er darf Zeugen darum bitten, einen Strafantrag zurückzunehmen oder von einem gesetzlichen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Hierbei ist es ihm nicht verwehrt, einen finanziellen Ausgleich für materielle oder immaterielle Schäden anzubieten. Die Staatsanwaltschaft kann im vorliegenden Fall kein Fehlverhalten erkennen.“

Ich dachte eigentlich, jetzt schäumt der Richter wie Henckell Trocken. Falsch: Er setzte den Prozess in freundlichem Ton fort. Das Urteil war so mild, dass wir noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel verzichtet haben.