WEEZE BEI DÜSSELDORF

Der Flughafen Frankfurt – Hahn darf sich so nennen, obwohl er nicht nur 100 Kilometer von der Mainmetropole entfernt liegt, sondern sogar in einem anderen Bundesland. Nicht so viel Glück hatte bisher der Airport in Weeze. Der liegt knapp 80 Kilometer von Düsseldorf entfernt, aber durchaus im Einzugsgebiet der Stadt. Und die meisten Kunden, die etwa mit Ryanair anreisen, wollen auch nach Düsseldorf. Doch der große Konkurrent „Flughafen Düsseldorf International“ wacht wie ein Schießhund über seine (vermeintlich) exklusiven Namensrechte.

Trotzdem arbeiten wir seit neuestem hart daran, dass Flugpassagiere künftig in „Düsseldorf Regional (Weeze)“ landen dürfen. Näheres zum Beispiel in der NRZ.

SCHÖNES NRW

Nordrhein-Westfalen ist einbeliebtes Umzugsland. Zumindest für Inhaftierte aus anderen Bundesländern. Nun berichtet auch der Express darüber, dass Strafgefangene gerne ihren Wohnsitz (den kann man trotz Haftstrafe weiter haben) an Rhein und Ruhr verlegen. Zuletzt soll Ex-Flowtex-Chef Manfred Schmieder versucht haben, von der großzügigeren Praxis, insbesondere beim offenen Vollzug, zu profitieren.

Vielleicht sollten die südlichen Länder nicht lamentieren, sondern mal ihre Vollzugspraxis überprüfen. Nach meiner Erfahrung ist der „Erfolg“ der Haft noch immer am größten, je früher Betroffene im offenen Vollzug wieder ein annähernd normales Leben führen dürfen.

BLIND

Das Sozialamt will einem blinden Mandanten die Sozialhilfe streichen. Begründung: Er habe nicht innerhalb von zwei Wochen seinen aktuellen Blindengeldbescheid vorgelegt. Seltsam, vor einigen Monaten haben wir mit dem gleichen Sozialamt noch darum gestritten, ob gespartes Blindengeld als Vermögen gilt und auf die Sozialhilfe angerechnet werden darf. Darf es nicht, das hat dann auch das Sozialamt eingesehen. Und sogar brav unsere Anwaltsgebühren bezahlt.

Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Höhe des monatlichen Blindengeldes schon aufgrund dieser Geschichte genauestens bekannt ist: Gibt es nicht eine Fürsorgepflicht gegenüber Menschen, die Behördengänge eben nicht so fix erledigen können wie andere? Wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn der Mann vom Sozialamt kurz beim Landschaftsverband anruft und sich eine Kopie des Bescheides faxen lässt?

ZÜNDEND

Heute in der Post eine Mahnung:

“ Haben sie den offenen Betrag schon überwiesen, so bitten wir sie, dieses Schreiben als gegenstandslos zu betrachten und es mit dem beigefügten Streichholz zu beseitigen.“

Das Zündholz ist aufgeklebt. Das hat was…

(Aus Juristisches und Sonstiges)

LIEBER POMMES

Lieber Pommes verkaufen statt in einer Großkanzlei arbeiten – als leidlich gut bezahlter Sachbearbeiter. So frustriert blickt in einem Bericht der Welt ein junger Anwalt auf seine Tage in einer law firm zurück. Der Bericht erzählt vorwiegend vom Alltag bei Clifford Chance Pünder in Berlin. Ausgerechnet ein Büro, das laut Alexander Hartmann und diesem Bericht auf JUVE gerade ohnehin auseinander bricht.

KÜNDIGUNG

Wie man sich gegen „stillschweigende“ Preiserhöhungen von Internetanbietern erfolgreich wehrt, zeigt ein (Muster-)Brief auf Vertretbar.de. Nicht selten kommt als Reaktion der Hinweis, dass Kundenmitteilungen nur über die (kostenpflichtige) Hotline entgegen genommen werden. Das kann man aber getrost ignorieren.

LEBENSZEICHEN

Ich lebe noch. Ziemlich gut sogar. Ein bisschen ungewohnt, so viel Zeit am Swimming Pool zu verbringen. Zum Glueck ist mein Notebook dabei. Wenn das so weiter geht, brauche ich wahrscheinlich nach meiner Rueckkehr einen Verleger :-)

BANGKOK

Dem Winter bin ich ja punktgenau entkommen. Während mich LH 477 ziemlich angenehm in 9:50 Stunden nach Bangkok schnurrt, entwickeln sich laut hiesigem Internet (scheint aber dasselbe zu sein) Schnee und Glatteis zur größten News in Deutschland; von „Arafat – Das Musical“ mal abgesehen. Schwer vorstellbar, wenn man aus dem klimatisierten Flughafen tritt und gleich doppelt erschlagen wird – von der Horde „Taxi, Taxi“ zischelnder Agents und satten 38, schwülen Grad Celsius.

Die Stadt selbst liegt noch immer unter der gleichen blauen Dunstglocke, die zu der Handvoll Erinnerungen meines letzten Besuches gehört. Das dürfte mehr als zehn Jahre her sein. Der Fahrer des blitzblanken Taxis zählt die neuesten Errungenschaften auf, die das Leben in Bangkok angenehmer machen sollen: Skytrain, Highways, weniger Tuk-Tuks. Doch links und rechts des Zubringers zur City belegen Dutzende neuer Hochhäuser, dass der Moloch (die Innenstadt Bangkoks ist dreimal so groß wie die Berliner) ungebremst wächst. Bei uns kämen die EU-Gesundheitsminister nicht darum herum, die ganze Stadt in eine Banderole zu wickeln, die mit einem Warnspruch zur tödlichen Wirkung von Kohlenmonoxid versehen ist.

Aber wahrscheinlich fängt man besser gar nicht damit an aufzuzählen, womit man sich in Thailand das Leben verkürzen kann. Auf die Unendliche Geschichte hat ohnehin jemand anderes ein Copyright. Deshalb schnell zu den weniger gesellschaftskritischen Seiten des ersten Tages, von dem sowieso nur noch sechs Stunden übrig waren.

Meine Begleitung hat mir natürlich nicht geglaubt, dass es masochistisch ist, in dieser Stadt viel zu Fuß zu gehen. Die knappen drei Kilometer von der Oriental Pier durch die Straßen des Bangrak erzielten aber erzieherische Wirkung. Der erste Mai Tai in einer schicken, weltstädtisch gestylten Bar an der Silom Road war dann auch der Erkenntnis zu verdanken, dass Abendhitze, Abgaswolken und mit Sand verschüttete Fußwege dem Entdeckerdrang Grenzen setzen.

Als die Shirts nicht mehr ganz so arg am Rücken klebten, stellte sich trotz der unvermeidlichen Erdnüsse die eher rhetorische Frage, ob und wie Bangkok das Lufthansa-Catering toppen kann. Ich überzeugte meine Begleitung von der alten Weisheit, dass man in Thailand überall am besten essen kann, wo man keinen Fuß über eine Türschwelle zu setzen hat.

Zum Beispiel in einer Seitengasse der Silom Road. Aber zunächst passierten wir ein auffallend prächtiges Gebäue, hinter dessen goldenen Zäunen offensichtlich muslimische Bürger speisten. Die Freundlichkeit, mit der sie zu uns Touristen herüberschauten, würde ich nicht unbedingt als herzlich bezeichnen. Ich habe mal die Überlegung gebookmarked, ob es wirklich sinnvoll ist, weiter in den Süden zu reisen als unbedingt nötig. Aber vielleicht bin ich ja auch nur ungerecht. Obwohl es einem ja schon zu denken gibt, wenn jedes Taxi, das am Hotel vorfährt, vor fetten Betonpollern mit Spiegeln auf Sprengkörper gecheckt wird. (Wieso aber direkt neben der Landebahn am Flughafen ein riesiger, belebter Golfplatz liegt, der noch nicht mal mit einem Zaun abgetrennt ist, dürfte wohl nur mit buddhistischer Dialektik zu erklären sein.)

Wir setzten uns am Straßenrand an einen Tisch mit hoher Einheimischenquote. Dass die Chefin der Garküche hinter ihrem Wok außer Chicken und Fish kein Wort Englisch konnte, ließ auf authentisches Food hoffen. Ihre Tochter spielte im Rinnstein stolz mit einem Hündchen. Hoffentlich ein Indiz dafür, dass die Köchin weiß, dass Chicken normalerweise nicht bellt.

Nachdem die T-Shirts – diesmal wegen der unausweichlichen Dosis Chili – wieder klebten, waren Entscheidungen angesagt. Ein deutscher Touri, mit aufgedunsenem Gesicht und viel zu junger „Freundin“, wies uns singhabierselig darauf hin, wenige Straßen weiter sei nachtlebenmäßig richtig was los. Andererseits behauptet der Marco-Polo-Reiseführer, Patpong sei abends genauso gefährlich wie Bielefeld und auch Touristinnen seien dort willkommen (in Patpong).

Verrucht, aber gleichzeitig sicher und familientauglich. Das klang so spannend, dass wir akuten Jetlag vorschützten und uns sagten, morgen ist ja auch noch eine Nacht. Gar keine schlechte Idee. Denn so kriegten wir nach einer halsbrecherischen Fahrt mit einem Tuk-Tuk noch mit, dass es im Royal Orchid Sheraton eine Freiluft-Dinnershow am Flussufer gibt. Die verfolgten wir der Einfachheit halber aus der unmittelbar angrenzenden Uferbar.

Das abendgekleidete Publikum, ein bisschen Paderborner Theaterabend und sehr viel texanisches Barbecue, goutierte die traditionelle thailändische Tanz- und Gesangskunst mit sichtlicher Hingabe. Ein Herr aus Deutschland jedoch (Tipp: Rechtsamtsleiter a.D.) und seine Gattin wären aber nicht hingegangen, wenn sie vorher gewusst hätten, dass die Künstler nach dem Auftritt Sammeln kommen. Wobei die beiden martialischen Schwertkämpfer natürlich zielsicher an seinem Tisch den Tip kassierten.

So, um 5.17 Uhr am Morgen ist der erfolgreich simulierte Jetlag Realität. Aber es gibt wirklich Schlimmeres, als ziemlich hoch oben, mit Blick auf Fluss und Skyline, im bläulichen Licht des Monitors Reiseblog zu üben. Thailändische Gesangskunst zum Beispiel. Aber das bleibt bitte unter uns.

KLEINE VERLOSUNG

Ich verabschiede mich bis zum 25. November 2004 in den Urlaub. Gute Gelegenheit für eine kleine Verlosung. Zu gewinnen gibt es fünf Anwaltskalender 2005 von wulkan, frei Haus und garantiert noch vor Weihnachten. Kostproben sind unten abgedruckt.

Wer mitmachen will, trägt sich einfach mit E-Mail-Adresse in die Kommentare ein.

PS. Den Kalender kann man auch kaufen. Nähere Informationen hier.

KREUZZUG

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin führt einen Kreuzzug gegen die Bekleidungsfirma Thor Steinar. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung klagt die Behörde Kunden des Unternehmens an, die dessen Produkte tragen. Begründung: Die als Logo auf den Klamotten verwendete pfeilähnliche Tyr-Rune sei einst Abzeichen der SA-Reichsführerschulen gewesen und die Gibor-Rune, einer Wolfsangel gleich, sei von der Waffen-SS benutzt worden. Bei einem Neonazi-Aufmarsch in Potsdam soll die Polizei sogar die Auflage gemacht haben, dass kein Teilnehmer Kleidung von Thor Steinar tragen darf.

Nach § 86a StGB in Verbindung mit § 86 StGB ist es verboten, Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zu verwenden. Hört sich einfach an, ist in der Praxis aber schwer zu entscheiden. Schon die gesetzliche Regelung hat einige Schranken aufgestellt. Und über allem schwebt das hohe Gut der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz. Ich wäre mir nicht sicher, dass die erwähnten Verurteilungen einer Revision standhalten.

Wenn das im Übrigen der Stil ist, mit dem der Staat künftig die Auseinandersetzung mit Teilen seiner unzufriedenen Jugend führen will, dann sage ich schon jetzt mal gute Nacht.

(Link gefunden bei jurabilis)

MÜNDIG

20 Kilogramm Katjes-Fruchtgummi muss ein Verbraucher essen, um seinen Tagesbedarf von 80 Gramm Fett zu stillen. Deshalb darf die Firma ihre Süßigkeiten auch weiter mit dem Slogan „ohne Fett“ bewerben, entschied das Landgericht Aachen laut beck-aktuell. Dass die Fruchtgummis 75 % Zucker enthalten und deshalb trotzdem dick machen können, spielt nach Auffassung des Gerichts keine Rolle.

Ich finde das Urteil gut, weil es offensichtlich vom Bild des „mündigen Verbrauchers“ ausgeht und sich damit an der neuen Rechtslage orientiert. Spätestens seit der eindeutigen Änderung des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb am 1. Juli 2004 dürfen die Gerichte nicht mehr den dummen, manipulierbaren und über die Maßen schutzbedürftigen Bürger zum Maßstab ihrer Bewertung machen. Vielmehr müssen sie davon ausgehen, dass der Verbraucher intellektuell so auf der Höhe ist, dass er nicht jede Werbebotschaft wörtlich nimmt.

Diese Botschaft müssen wir in einem komplexen Rechtsstreit derzeit auch dem Landgericht Köln vermitteln. Da könnte das Katjes-Urteil hilfreich sein.

NOVITEL / OLBERTZ

In der Sache Novitel / Olbertz liegt jetzt das Urteil des Amtsgerichts Berlin Mitte vor. Ich zitiere die wichigsten Ausführungen zur Haftung von Weblogprovidern:

Bei dem vom Verfügungsbeklagten eingerichteten Weblog handelt es sich erkennbar um eine Plattform zum Austausch von Meinungen und Informationen privater Personen. Insofern war es dem Verfügungsbeklagten im voraus nicht zuzumuten, alle von Dritten eingestellten Äußerungen auf mögliche Rechtsverletzungen Dritter zu überprüfen.

Der Verfügungsbeklagte musste noch nicht einmal wissen, ob es die Verfügungsklägerin als Firma gibt und ob die Behauptungen über deren Angestellten falsch sind. Er konnte erst auf Grund des Anschreibens … handeln.

Dem Verfügungsbeklagten ist es aber auch zukünftig nicht zumutbar, jedwede Einstellung ins Weblog darauf zu kontrollieren, ob hier irgendetwas negatives über die Verfügungsklägerin gesagt wird und ob dies der Wahrheit entspricht oder nicht. Die Verfügungsklägerin hat daher jeweils nur Anspruch auf Löschung konkret von ihr gerügter Behauptungen.

Das Gericht erwähnt die Impressumsfrage nicht ausdrücklich. Indirekt kann aber geschlossen werden, dass das Gericht keine verschärfte Haftung annimmt, wenn der Weblogprovider weder ein Impressum zur Pflicht macht noch die Identität der Blogger überprüft.

(AG Berlin Mitte 15 C 1011/04)