GESCHWÄNZT

Ich zwinge niemanden, bei Gericht zu erscheinen. Allerdings finde ich es immer angenehm, wenn Mandanten mir Bescheid sagen. Dass sie nicht kommen. Aber auch Leute, die ihr Leben eigentlich im Griff haben, lassen sich öfter einfach nicht blicken. Obwohl man Tage vorher noch alles besprochen hat. Ihr Handy ist natürlich abgeschaltet, welche Überraschung.

Dabei gibt es mitunter Situationen, in denen Mandanten sich sogar nützen, wenn sie schwänzen. In einem Fall ist zum Beispiel Anklage beim Strafrichter erhoben. Fahrlässige Körperverletzung, Straßenverkehrsgefährdung, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Bei der üblichen Plauderei vor Beginn spricht der Rechtsreferendar, den die Staatsanwaltschaft in die Sitzung geschickt hat, von knallharten Vorgaben.

Mit einer Geldstrafe sei nicht zu rechnen. Aber Bewährung, die sei wohl noch drin.

Gut geplant, aber keine Verurteilung ohne den Angeklagten. Der ist nicht da, und was machen wir jetzt? Der Referendar will eine zwangsweise Vorführung zum nächsten Termin. Immerhin keinen Haftbefehl.

Aber es gibt noch die Möglichkeit, in der Sitzung einen Strafbefehl zu erlassen. Damit könnte die Sache dann im schriftlichen Verfahren erledigt werden. Der Strafbefehl muss natürlich eine Strafe aussprechen, die nicht jenseits von Gut und Böse ist. Weil der Angeklagte sonst Einspruch einlegt und eine neue Verhandlung nicht vermieden werden kann.

Gericht und Verteidiger bearbeiten also in seltener Eintracht den Referendar. Es gibt ja zahlreiche gute Gründe, es bei einer Geldstrafe zu belassen. Der Referendar ruft seinen Staatsanwalt an; der gibt – widerwillig – sein Plazet.

Der Strafbefehl entspricht dann letztlich dem, was ich mir für eine erfolgreiche Hauptverhandlung ausgerechnet hatte.