AUCH BUNDESRICHTER TRÖDELN

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut zu Gunsten eines Untersuchungsgefangenen entschieden. Diesmal nehmen die Richter nicht nur den Schlendrian ihrer Kollegen und der Staatsanwälte aufs Korn, sondern die mitunter schwerfällige Arbeitsweise der Geschäftsstellen.

Beanstandet wird zum Beispiel die verspätete Fertigstellung des Protokolls, die zu einer sechswöchigen Verzögerung führte:

Abgesehen davon, dass sich auch kleinere Verzögerungen bei einer Gesamtbetrachtung zu einer nicht unerheblichen Verzögerung summieren können, ist darauf hinzuweisen, dass die genannten Tätigkeiten überwiegend den nicht richterlichen Bereich betreffen. Die Organisation des Schreibdienstes und der Geschäftsstellen wie auch des Aktentransports hat ebenfalls dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen. Berücksichtigt man, dass für Schreib- und Routinearbeiten in diesem Bereich alleine mehr als sechs Wochen vergingen, ist dies bereits bezogen auf den zu erledigenden Vorgang kaum zu rechtfertigen.

Dies gilt umso mehr, als sich die Hauptverhandlung lediglich über einen Zeitraum von einem Monat mit sechs Sitzungstagen erstreckt hat und damit auch das Protokoll der Hauptverhandlung keinen außergewöhnlichen Umfang erreicht. Berücksichtigt man ferner, dass es sich hierbei im Wesentlichen um die Übertragung vorhandener Aufzeichnungen in die Form einer Reinschrift und die Kontrolle der ordnungsgemäßen Beurkundung und die Prüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit handelt, so ist es in Haftsachen keineswegs angängig, dass die Fertigstellung des Protokolls der Hauptverhandlung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, als für die Absetzung des Urteils benötigt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht kritisiert außerdem folgende Punkte: Erst fünf Wochen nach Anordnung wurden die Akten vom Landgericht an die Staatsanwaltschaft übersandt. Beim Bundesgerichtshof wurde ein Beschluss erst am 23. November 2005 versandt, obwohl er seit dem 14. November 2005 fertig war. Die Richter am Landgericht ließen sich über einen Monat Zeit mit ihren dienstlichen Erklärungen zur Verfahrensrüge.

Insgesamt addieren die Verfassungsrichter die Verfahrensverzögerung auf drei Monate. Nach ihrer eindeutigen Aussage deutlich zu viel. Dem Oberlandesgericht wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als den Beschuldigten, dem mehrfache Vergewaltigung zur Last gelegt wird, zu entlassen.

Bemerkenswert ist, wie eng das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung die Maschen zieht. Dass dem Bundesgerichtshof sogar explizit vorgehalten wird, zehn Tage mit der Versendung eines Beschlusses „getrödelt“ zu haben wird. belegt eins: Karlsruhe meint es derzeit mehr als ernst mit der Beschleunigung im Strafverfahren.

Es darf also künftig munter gerechnet werden.

(Beschluss vom 16. März 2006)