MERKWÜRDIGER RICHTER

Die schreibmaschine berichtet über einen merkwürdigen Verwaltungsrichter. Der lehnte den Terminsverlegungsantrag eines verhinderten Anwalts ab. Dabei erwähnte er, dass er sowieso nicht verstehe, wieso der Prozess geführt werde.

Der Klägeranwalt lehnte den Richter wegen der Äußerung als befangen ab. Der Richter behandelte das Ablehnungsgesuch als rechtsmissbräuchlich und verhandelte stur durch.

Wenn er damit mal nicht auf die Nase fällt.

Anscheinend ist der Richter der Meinung, dass auf die berechtigten Interessen von Prozessparteien, die Verhinderung des Anwalt, nur Rücksicht zu nehmen hat, wenn er sich etwas vom Verhandlungstermin verspricht.

Das ist absurd. Es gibt keine Verhandlung zweiter Klasse in weniger aussichtsreichen Fällen. Wenn das Gericht gefrustet ist, weil der Kläger, wie ich vermute, gegen einen Gerichtsbescheid protestiert und damit die mündliche Verhandlung erzwungen hat, ist das noch lange kein Grund, so allergisch auf die Verhinderung des Klägeranwalts zu reagieren.

Dass der Richter in der mündlichen Urteilsbegründung die Kläger als verbohrt bezeichnet, wirft auch kein sonderlich gutes Licht auf ihn. Möchte mal sehen, wie er sich verhält, wenn man sein Verhalten auf entsprechendem Niveau adjektiviert.

HAFTPRÜFUNG OHNE ANTRAG

Es gibt doch immer noch neue Erfahrungen. Nächste Woche steht meine erste Haftprüfung an, die ich gar nicht beantragt habe. Das Gericht verhandelt von Amts wegen. Konkret geht es darum, einen Haftbefehl in einen einstweiligen Unterbringungsbefehl umzuwandeln. Der Betroffene kann dann aus dem Gefängnis in eine psychiatrische Klinik überstellt werden. Keine Frage, dass er dort besser aufgehoben wäre.

Trotzdem: An sich ist für eine eine Haftprüfung nach § 117 Strafprozessordnung ein Antrag des Beschuldigten oder seines Verteidigers erforderlich. Von sich aus kann das Gericht Haftprüfung nur in Ausnahmefällen anordnen, zum Beispiel wenn der Beschuldigte keinen Verteidiger hat und schon länger als drei Monate in Untersuchungshaft sitzt (Meyer-Goßner, StPO, § 118 Randnummer 23).

Das ist hier nicht der Fall. Jetzt könnte man sagen, das Gericht überschreitet seine Kompetenzen. Aber der Termin ist, wie gesagt, insbesondere im Interesse des Beschuldigten. Notfalls helfe ich also gern aus und erkläre einen Haftprüfungsantrag zu Protokoll. Den Verzicht auf Formen und Fristen gibt es gratis dazu.

LÄCHELN FÜR DIE KAMERAS

In Frankfurt an der Oder begann heute der Prozess um eine Frau, die neun ihrer Kinder dem Tod ausgeliefert haben soll.

In elf Jahren als Anwalt habe ich einiges über das Leben in Gefängnissen gelernt. Über die Hierarchien unter den Gefangenen. Wer King ist. Und wer Underdog. Deshalb habe ich nur eine Frage:

Warum um alles in der Welt lässt die Angeklagte sich im Gerichtssaal fotografieren?

Ich finde keine Antwort.

(Spiegel online)

VERLÄNGERT

Die Firma ish macht es sich einfach. Im Vertragstext, den Herr S. unterschrieben hat, steht zur Kündigungsfrist:

Die Standardvertragslaufzeit beträgt zunächst 3 Monate. … Die Laufzeit verlängert sich automatisch auf unbestimmte Zeit, wenn der Vertrag nicht mit einer Frist von 30 Tagen schriftlich gekündigt wird. Danach ist er jederzeit mit einer Frist von 30 Tagen zum Monatsende schriftlich kündbar.

Herr W. kündigte. Doch ish möchte, dass er weit länger als einen weiteren Monat zahlt. Nämlich ein gutes Jahr. Nachdem Herrn S. ein Grund hierfür nicht genannt wurde, schreibt mir ish:

Aufgrund unserer Änderung der Besonderen Geschäftsbedingungen digital TV zum 1. November 2005 hat sich die Kündigungsfrist bzw. die Vertragsverlängerung geändert. … Der Vertrag verlängert sich automatisch um ein Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von einem Monat … gekündigt wird.

Wann und wie ish gegenüber Herrn S. die Besonderen Geschäftsbedingungen geändert haben will, steht leider nicht in dem Schreiben. Herr S. hat jedenfalls keine Mitteilung erhalten. Zumindest wird ish nachweisen müssen, dass er sie erhalten hat. Machen andere ja auch so. Die GEZ weist zum Beispiel auf ihrer Internetseite abmeldewillige Bürger sogar ausdrücklich darauf hin, dass der Absender im Zweifel beweisen muss, dass seine Kündigung bei der GEZ eingegangen ist. Wenn die sich ganz entspannt zurücklehnen können, dürfen wir das auch.

Selbst wenn die Mitteilung angekommen sein sollte, ist es zweifelhaft, ob sich der Vertrag einseitig so gravierende zum Nachteil des Kunden ändern lässt – sofern der Kunde nicht ausdrücklich zustimmt. In den Bedingungen verpflichtet ish den Kunden, einer Vertragsänderung zu widersprechen, wenn er nicht einverstanden ist. Ich tippe hier mal auf eine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Folge: Unwirksamkeit der Klausel.

Außerdem sind die Besonderen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Vertragsformulars abgedruckt. Die Vertragslaufzeit steht aber bei Herrn S. im Vertragstext selbst. Der ist aber laut Schreiben von ish gar nicht geändert worden.

Ish ist jetzt informiert, dass Herr S. nichts über die Änderung der Bedingungen erhalten hat. Ich bin gespannt, wie das Unternehmen nachweist, dass sein angebliches Schreiben zugegangen ist. Falls das gelingt, können wir ja mal detailliert über die Wirksamkeit der Klausel grübeln.

TÜRSTEHER IN UNIFORM

Was ich zum Prozessauftakt noch als „großes Kino“ bezeichnet habe, kam beim zweiten Verhandlungstag am Amtsgericht Siegburg überhaupt nicht mehr gut an. Der angeklagte Türsteher – im Hauptberuf Soldat – erschien wieder in seiner Ausgehuniform.

Hatte die Richterin das Outfit am ersten Tag nicht kommentiert, faltete sie den Soldaten jetzt zusammen. Er riskiere nach ihren Informationen Ärger, wenn er ohne dienstlichen Anlass und ohne Zustimmung seines Vorgesetzten Uniform trage.

Am Ende wurde dann alles wieder gut. Der Hauptzeuge litt an gravierenden Erinnerungslücken. Freispruch. Die Uniform als Strafmilderungsgrund war also ein Joker, der letztlich nicht gezogen werden musste. Gewirkt hätte offensichtlich ohnehin nicht mehr.

LEICHE IM FLUR

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Rätsel um den Zustand einer Vorsitzenden Richterin in Düsseldorf mehren sich. Sie hatte für diese Woche im Landgericht an der Mühlenstraße eine Verhandlung anberaumt, ließ aber die Beteiligten, darunter einen Staatsanwalt, warten. Später stellte sich heraus, dass sie sich telefonisch entschuldigt hatte. Mit der Begründung, im privaten Hausflur gebe es eine Leiche. Ein Stadtstreicher liege tot vor ihrer Türe, sie komme nicht daran vorbei.

Das aber dementierte die Polizei: „Es gab zwar Todesermittlungen, aber nicht in diesem Haus“. Ulrich Thole, der Pressesprecher des Landgerichts hatte für all das keine Erklärung. Er mochte die Entschuldigung der Richter weder bestreiten noch bestätigen, und sprach („Dazu gebe ich keinerlei Kommentar ab“) von einer „Personalangelegenheit“.

Die allerdings ist in Justizkreisen bereits bekannt. Die 61-jährige Richterin war, wie berichtet, schon mehrfach aufgefallen.

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GEZ: NIX ZU SEHEN ?

Post von der GEZ:

Sehr geehrter Herr T.,

Sie möchten die Rundfunkgeräte abmelden, ohne einen Abmeldegrund anzugeben. Eine Abmeldung ohne Begründung lässt der Gesetzgeber jedoch nicht zu. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher die Abmeldung noch nicht durchgeführt haben.

Ist ja interessant. Dabei habe ich für Herrn T. in das offizielle Formular Folgendes geschrieben:

Ich ziehe mit meiner Freundin zusammen. Fernseher und Radio schaffe ich ab. Ich werde keine eigenen Rundfunkgeräte mehr unterhalten. Meine Freundin zahlt für ihre und die gemeinschaftlich genutzten Geräte Rundfunkgebühren.

Das ist also keine Begründung? Vielleicht sollte der Sachbearbeiter bei der GEZ mal seine Augen überprüfen lassen. Aber sehen wir auch das Positive. Der Eingang dieser Abmeldung – Einschreiben / Rückschein – wurde wenigstens bestätigt. Das erste Formular, das mein Mandant im Monat davor mit einfacher Post geschickt hatte, blieb ohne Reaktion.

UNVERÄNDERT

Es geht um ein vermietetes Einfamilienhaus. Nach langen Jahren hatten die Mieter zum 30. November 2005 fristgerecht gekündigt. Leider etwas voreilig, denn ihr neuer Mietvertrag platzte. Sie schrieben an den Vermieter:

… möchten wir Sie höflich darum bitten, dass wir unsere Kündigung zurückziehen und zu unveränderten Bedingungen mindestens ein weiteres Jahr bei Ihnen wohnen dürfen.

Die Antwort des Vermieters ließ nicht lange auf sich warten:

… gern haben wir zur Kentnis genommen, dass Sie die Kündigung zurückgenommen haben und sich somit das Mietverhältnis über den 30. November 2005 hinaus zu den unveränderten vertraglichen Bedingungen fortsetzt.

Wegen Bauarbeiten hatten die Mieter dann aber bald doch keine Lust mehr. Sie kündigten ordentlich zum 31. März 2006. Der Vermieter stellt sich jetzt auf den Standpunkt, dass das Mietverhältnis mindestens bis zum 30. November 2006 läuft.

Zunächst ist zu fragen, ob die Mieter überhaupt eine Befristung wirksam angeboten haben. Im Schreiben ist ja nur davon die Rede, dass sie mindestens ein weiteres Jahr bleiben dürfen. Von müssen steht da nichts.

Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Denn der Vermieter ist auf das denkbare Angebot gar nicht eingegangen. Er hat ausdrücklich bestätigt, dass der Vertrag zu den unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird. Der Vertrag selbst enthält aber keine Befristung.

Ich bin gespannt, ob der Vermieter das versteht und akzeptiert. Immerhin war er vor seinem Ruhestand mal ein gaaaaaanz großes Tier in der Wirtschaft. Aus dieser Zeit dürfte er gaaaaaanz tolle Anwälte kennen. Mal sehen, was die für Schlüsse ziehen.

BAUCHGEFÜHL

„Haftprüfungen“, sagt der Ermittlungsrichter, „sind doch auch immer Bauchentscheidungen.“ Ich wünschte, sein Gefühl in der angesprochenen Region wäre eine Nuance wohliger gewesen.

Jetzt muss ich sehen, wie die Richter am Landgericht gestimmt sind.

RENOVIERUNG: SCHWIERIGE ZEITEN FÜR VERMIETER

Starre Renovierungsfristen in Mietverträgen sind unwirksam. Das kann auch nicht über eine Abgeltungsklausel bei (vorzeitigem) Auszug umgangen werden. Mit dem aktuellen Urteil werden die Möglichkeiten von Vermietern, den Mieter für die Renovierung zahlen zu lassen, weiter eingeschränkt.

Wirksame Klauseln gibt es, wenn überhaupt, nur noch für ein Anwaltshonorar, das die denkbaren Ansprüche an den Mieter wahrscheinlich übersteigt.

Spiegel online erläutert Einzelheiten der Entscheidung.

POPETOWN

Popetown kommt, und die Hölle ist nah. Ich wette, noch keiner der Berufsempörten hat eine Szene aus dem Cartoon gesehen. Wie auch, die Serie lief bisher nur in Neuseeland. Die zwei DVD-Importeure bei Amazon haben auch noch nicht auf Schichtbetrieb umgestellt.

Jürgen Kaube sagt in der FAZ eigentlich alles zu den Akteuren der Diskussion:

Daß MTV seinen Skandal jetzt bekommt, indem sich die für Reflexe zuständigen Stellen melden, hat insofern nichts mit der Sache selbst zu tun. Edmund Stoibers Einlassung, Muslime hielten uns „auch(!) deshalb für ungläubig, weil wir unseren Glauben nicht ausreichend verteidigen“, bezeichnet, worum es statt dessen geht. Um die von manchem empfundene Pflicht zum Schritthalten mit den weltreligiösen Empörungsstandards, die einige Islambewirtschafter anläßlich der dänischen Mohammed-Karikatur zuletzt hochgeschraubt haben. … Im „Benchmarking“ der Glaubensintensität wird auf diese Weise Beleidigtsein zum Wettbewerbskriterium. … Wenn aber ein Kulturstaatsminister oder ein Ministerpräsident, die für nichtprivate Entscheidungen zuständig sind, in dieser Frage die Partei der Glaubensgefühle ergreifen, handelt es sich um erste öffentliche Mimikry an die unfreien Zustände, für die wir gegenwärtig den Namen des Fundamentalismus verwenden.

DISKUSSION ERLAUBT

In der Sache Bartels ./. Entenmann liegt jetzt das Urteil des Landgerichts Berlin (PDF) vor. Wichtig sind folgende Feststellungen:

Wer sich aber mit Beiträgen, Kommentaren o.ä. an die Öffentlichkeit wendet, kann nicht untersagen, dass andere sich zu diesen Beiträgen äußern. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Äußerungen im politischen Meinungskampf handelt. … Dass der Beklagte dem Nutzer das Auffinden der Internetseite durch das Setzen eines Links erleichtert hat, ist .. ebenfalls nicht zu untersagen, da der Beklagte eben dem Nutzer lediglich abnimmt, die Adresse in den Browser zu tippen. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen Nennung seines Namens … besteht nicht.

Der Kläger tritt auf seiner Internetdomain unter seinem richtigen Namen auf, gibt diesen damit der Öffentlichkeit preis. … Insofern muss es dem Beklagten und Dritten auch möglich sein, unter Nennung des Namens des Klägers Stellung zu dessen … Beiträgen zu nehmen. Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt mangels Namensgebrauchs im Sinne des § 12 BGB nicht vor.

Näheres auch bei den Anwälten des Beklagten.