Gruscheln hilft nicht

Rechtsanwälte dürfen heute praktisch vor jedem Gericht auftreten. Mir ist nur noch eine Hürde bekannt. Die Zulassung für das Oberlandesgericht kriegt man erst mit mehrjähriger Berufserfahrung.

Hoppla, da hätte ich doch fast eine Clique besonders Anspruchsvoller vergessen: die Zivilrichter am Bundesgerichtshof. Diese sind auch heute noch ernsthaft der Auffassung, dass sie sich nur ganz besonders tolle Anwälte zumuten müssen. Diese Juristen sollen möglichst besonders qualifiziert sein und eine „eigene, unabhängige, von der eigenen Vorbefassung mit der Sache unbelastete Sicht einnehmen“ können.

Man könnte sich jetzt fragen, wieso Zivilsachen am Bundesgerichtshof so dramatisch komplex sind, dass ohne ein derartiges Kartell das Richterleben im Zivilsenat unerträglich wird. Der äußere Anschein spricht jedenfalls dagegen. Die Strafrichter am BGH beschäftigen sich seit jeher mit Revisionen, die von Anwälten aus der ganzen Republik verfasst wurden.

Auch am Bundesarbeitsgericht ist wohl noch kein Richter mit Weinkrämpfen zusammengebrochen, weil er Eingaben von Rechtsanwälten jeder Couleur lesen muss. Das Bundesverwaltungsgericht, das Bundessozialgericht und nicht mal das Bundesverfassungsgericht sind sich zu schade dafür, Schriftsätze von, sagen wir mal, einem akademisch mittelbelichteten Rechtsanwalt aus Düsseldorf zur Kenntnis zu nehmen.

Jetzt die spannende Frage: Wie wird man so ein Superanwalt für Zivilsachen am Bundesgerichtshof? Eine Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zu einer Entscheidung, mit der mal wieder zu kurz gekommene Bewerber abgebügelt werden, bringt Licht ins Dunkel:

Die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof werden von dem Bundesministerium der Justiz zugelassen. Dieses kann nur Bewerber zulassen, die ihm von dem Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof vorgeschlagen werden. Auch der Wahlausschuss ist bei der Zusammenstellung seines Vorschlags nicht frei. Er darf seinerseits nur Bewerber vorschlagen, die ihm von der Bundesrechtsanwaltskammer oder von der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof vorgeschlagen wurden. Die Bundesrechtsanwaltskammer schließlich darf nur Bewerber benennen, die ihr von den örtlichen Rechtsanwaltskammern vorgeschlagen werden.

Wer unser Land kennt, merkt es sofort. Dieses System führt zuverlässig und gnadenlos zur Auswahl der besten Juristen. Vereinsmeiern, Speichellecken, Intrigieren und Gruscheln? Damit hat man bei so viel Objektivität und Transparenz nicht mal den leisesten Hauch einer Chance.

Da wäre es doch wirklich schade, wenn sich die Zivilrichter am Bundesgerichtshof mal an ein paar andere Nasen in ihren Sitzungssälen gewöhnen müssten.