HART BLEIBEN

Vielen Anwälten fällt es schwer, von einer ungerechtfertigten Forderung abzurücken. Schönes Beispiel ist das Schreiben einer Fachanwältin für Familienrecht. Sie erklärt auf anderthalb Seiten, warum unsere Einwände jedweder juristischen Grundlage entbehren.

Im letzten Satz steht, dass sie die Forderung neu berechnet hat und ab sofort der dortige Endbetrag gefordert wird. Ein Blick in die Berechnung zeigt, dass fast alle unsere Punkte eingearbeitet sind. Auch der Endbetrag entspricht bis auf ein paar Cent der Summe, auf die wir gekommen sind.

Als deren Mandant würde ich mich verschaukelt fühlen.

ZAHLUNGSVERKEHR

Ein Mandant, den ich sehr schätze, hatte wegen einer kleinen Sache ausdrücklich nach einer Rechnung gefragt. Die hat er jetzt auch bezahlt, aber erst nachdem ihm das Sekretariat eine Mahnung geschickt hat (die freundliche Variante, hoffe ich). Im Kontoauszug steht:

TSCHULDIGUNG.

Keine Ursache.

ABMAHNSUMPF

Die Bundesjustizministerin sprach auf dem Anwaltstag:

In letzter Zeit wenden sich immer mehr Privatleute an mich, die für die einmalige Verletzung eines Urheberrechts eine Abmahnung mit einer zuweilen sogar vierstelligen Anwaltsrechnung ins Haus geschickt bekommen. Zum Beispiel ein 15jähriges Mädchen, das ein Foto ihrer Lieblings-Popgruppe auf ihrer Homepage eingestellt hat – oder der Vorsitzende eines Sportvereins, der einen kleinen Stadtplan-Ausschnitt für den Weg zum Sportplatz ins Internet stellt. Und wenn ich dann noch höre, dass eine Anwaltskanzlei täglich bei den Betroffenen anruft, um die Geldforderung einzutreiben, dann muss ich Ihnen ganz klar sagen: Ein solches Verhalten kann nicht akzeptiert werden!

Wir werden deshalb bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen den Gegenstandswert präziser regeln und auch deckeln: Einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung dürfen nicht mehr als 50 bis 100 Euro für Abmahnung und Anwalt nach sich ziehen.

Das Problem, Frau Zypries, beschränkt sich allerdings nicht nur auf Privatleute und das Urheberrecht. Auch im Markenrecht wird abgezockt. Und was ist mit den Anschlägen auf die Meinungsfreiheit, die über den Geldbeutel gewonnen werden? Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Viele Abgemahnte sind überdies arglos und richten noch nicht mal messbaren Schaden an. Angesichts dessen sollte man den bereits länger diskutierten Gedanken aufgreifen und die erste Abmahnung grundsätzlich kostenfrei halten.

Sogar aus Anwaltssicht ist der Abmahnsumpf ein unappetitliches Terrain. Er gehört trockengelegt.

(Komplette Rede / Anmerkung von Dr. Martin Bahr)

NACHLÄSSIG

Mit wenigen Dokumenten gehen Gerichte so nachlässig um wie mit Strafbefehlen. Das Formular enthält oben links im Briefkopf den eingedruckten Absender „Amtsgericht“. Aber der Ort wird schon mal häufig nicht ergänzt.

Rechts gibt es Platz für „Ort und Tag“. In einem mir vorliegenden Strafbefehl steht darunter „Lippstadt, den 27. April 2006“. Das Feld „Anschrift und Fernruf“ ist aber schon wieder nicht mehr ausgefüllt. Postleitzahl, Straße, Faxnummer – alles Fehlanzeige.

Aber dafür eine ellenlange Belehrung, was der Beschuldigte beachten muss, wenn er Einspruch einlegen will.

FÜHRERSCHEIN-TOURISMUS RELOADED

Der Europäische Gerichtshof hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden Führerscheine anerkennen müssen, die Deutsche in anderen EU-Staaten erworben haben. Das gilt auch, wenn der deutsche Führerschein entzogen wurde. Nur eine eventuell verhängte Sperre muss abgelaufen sein.

Im entschiedenen Fall war ein Deutscher, dem der Führerschein entzogen war, nach Österreich umgezogen. Nach Ablauf der deutschen Sperrfrist hatte er in Österreich eine neue Fahrerlaubnis erhalten. Nachdem der Mann wieder in Bayern lebte, weigerte sich die Führerscheinstelle, den österreichischen Führerschein in einen deutschen umzuschreiben. Zumindest sollte der Betroffene eine MPU nach deutschem Standard machen.

Dem erteilt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. April 2006 (links oben klicken) eine klare Absage.

Der Führerscheintourismus dürfte damit eine tragfähige Grundlage erhalten haben. Oder das strenge deutsche Fahrerlaubnisrecht den Todesstoß.

FREIRAUM FÜR ARBEITNEHMER

Big Brother im Büro: Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer schreibt im Handelsblatt über die rechtlichen Grenzen der Arbeitnehmerkontrolle:

Angesichts dieser gesetzlichen Regelungen zum Schutz des Arbeitnehmers bedarf es keiner Verschärfung der bestehenden Gesetze. Sie ist aus personalpolitischer Sicht auch nicht erforderlich. Ein vernünftiger Arbeitgeber wird seinen Arbeitnehmern schon allein deshalb den erforderlichen Freiraum zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit am Arbeitsplatz lassen, weil nur so optimale Arbeitsergebnisse zu Stande kommen. Deshalb wird er schon von sich aus nur bei Verdacht schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen oder gar Straftaten des Arbeitnehmers zu einschneidenden Überwachungsmaßnahmen greifen wollen.

XXXICHSUCHEDICHX.DE

Die bisher umfassendste Sammlung früherer Inhalte der Homepage eines Berliner Sexdienstleisters und eine lesenswerte Bewertung gibt es hier.

Allerdings nichts für schwache Nerven.

SCHEINHEILIG

Ab in den Knast. Auf dieses Motto reduziert Sabine Rückert in der ZEIT die aktuelle Stimmungslage in Politik, Justiz und öffentlicher Meinung. Die Zahl der Verbrechen sinkt, doch das Strafrecht wird systematisch verschärft. Und immer mehr Menschen werden zu immer längeren Gefängnisstrafen verurteilt:

Gerade das Schicksal des Täters S. illustriert, wie scheinheilig in Deutschland Kriminalpolitik gemacht wird: Gestörte Jugendliche und verurteilte Sexualstraftäter bleiben sich selbst überlassen, die Behörden sind blind für das, was ihnen gegenüber nötig wäre, und taub für alle Alarmzeichen – aber dann, wenn sich die wachsende Störung der Delinquenten in schweren Straftaten entladen hat, dreschen die Volksvertreter – vom Bürgermeister bis zum Bundeskanzler – publikumswirksam auf diese besonders verachtete Tätergruppe ein und rufen nach schärferen Gesetzen, am besten gleich in die nächste Kamera. Das Muster wiederholt sich derzeit wieder und wieder überall in Deutschland.

(Link gefunden in der Handakte)

WIEDERVORLAGE

Wir haben wegen Mietrückständen das Gehalt eines Schuldners gepfändet. Der Arbeitgeber gibt folgende Auskunft:

Es besteht Unterhaltspflicht für fünf Personen. Das monatliche Nettoeinkommen beträgt ca. 1.800 €. Es liegen zwei Unterhaltspfändungen in Höhe von 27.500 € vor. Es liegen weiter zwei vorrangige Pfändungen in Höhe von 4.200 € vor.

Da dürfte auf Dauer nichts zu holen sein. Bei fünf Unterhaltspflichtigen ist ein Gehalt bis 2.189,99 € unpfändbar. Bis zu einem Einkommen von 2.199 € gibt es dann eine Auszahlung. 79 Cent pro Monat.

Wiedervorlage: Juni 2007.

TITEL ÜBER TITEL

Ein Kollege kündigt mir an, dass er aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen meine Mandanten vollstrecken wird. Die müssen nach einem Vergleich einen Teil der Kosten an die Gegenseite erstatten.

Zahlungsfrist: 14 Tage. Ich fürchte, der Kollege muss sich gedulden. Ich besitze nämlich auch schon einen Titel gegen meine Auftraggeber. Ex-Auftraggeber, um genau zu sein. Und zumindest bei der Gehaltspfändung habe ich die Nase vorn.